Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(6): 284
DOI: 10.1055/s-2006-932513
Leserbriefe

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Neue Optionen in der Pharmakotherapie der Alzheimer-Krankheit nach der Zulassung von Memantine?

Zum Beitrag aus DMW 8/2005B. Wellhöfer
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Publication Date:
06 February 2006 (online)

Zum Beitrag „Neue Optionen in der Pharmakotherapie der Alzheimer-Krankheit nach der Zulassung von Memantine?“ [1] möchte ich folgende Erwiderung vorbringen: Frölich et al. sehen eine deutliche Wirksamkeit von Cholinesterase-Inhibitoren bzw. von NMDA-Rezeptoren als studienbelegt erwiesen an.

Tatsächlich gibt es doch keine einzige einwandfreie, randomisierte Studie, die einen erwähnenswerten Vorteil erbracht hätte; das günstigste Ergebnis ergab lediglich eine um 2 Monate verzögerte Altenpflegeheimunterbringung bei Alzheimer-Patienten, und dies auch nur in einer herstellerunterstützten Studie. Wie würde die Bilanz erst in einer herstellerunabhängigen Studie aussehen, geschweige denn bei Veröffentlichung negativer Studienresultate?

Ähnlich sieht auch das britische „National Institute for Clinical Excellence“ die schlechte Datenlage, so dass es dem National Health Service in einem neuen Leitlinienentwurf empfiehlt, Pharmaka zur Behandlung der Alzheimer-Demenz wie Donepezil, Rivastigmin, Galantamin, Memantine etc. nicht mehr erstatten zu lassen. Das Institut begründet seine Entscheidung mit nicht hinreichender Evidenz bei unzureichender Qualität neuerer Studien, die keinen Einfluss auf relevante Endpunkte wie Lebensqualität oder Pflegeheimeinweisung hätten.

Vor diesem Hintergrund halte ich die Behauptung von Frölich et al. „Bei der Behandlung der Demenzen gibt es ein Qualitätsdefizit, d. h. die medizinischen Kenntnisse werden nicht ausreichend in die Praxis umgesetzt“ für reichlich kühn und vermessen. In diesem Zusammenhang ist noch ein wesentlicher Aspekt zu erwähnen, nämlich das Problem der Polypharmakotherapie. Gerade Demenzpatienten sind häufig multimorbide und deshalb ohnehin bereits auf eine Vielzahl von lebensnotwendigen Pharmaka, die auch evidenzbasiert sind, angewiesen. Nicht selten sind Kombinationen von z. B. ACE-Hemmern, Betablockern, Diuretika, Antidiabetika, Antikoagulantien, Präparaten zur Elektrolytsubstitution, Analgetika etc. notwendig. Um Interaktionen und Unverträglichkeiten einigermaßen zu verhindern, ist hier ein absolut evidenzbasiertes Vorgehen gefordert. Therapierelevante Schwerpunkte müssen gesetzt werden. Bei allenfalls marginal positiven Therapieeffekten ist der Einsatz von Antidementiva in dieser Situation nicht gerechtfertigt.

Etwas provokant möchte ich anmerken, dass jede Fachrichtung bzw. Teilgebiet eine Unterversorgung ihres Fachgebietes sieht und ihre Bedeutung gerne in Erinnerung ruft. Koordination sowie eine Beschränkung auf das Wesentliche in der Therapie des multimorbiden Patienten sind notwendig.

Literatur

  • 1 Frölich L. et al . Neue Optionen in der Pharmakotherapie der Alzheimer-Krankheit nach der Zulassung von Memantine?.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 408-412

Dr. med. Bernd Wellhöfer

Internistische Gemeinschaftspraxis Dr. Wellhöfer/Dr. Mahlich

Centrum 12

92353 Postbauer-Heng

Email: bernd.wellhoefer@freenet.de

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