Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(10): 483-484
DOI: 10.1055/s-2006-932555
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Akupunktur - endlich Klarheit?

Acupuncture - clarity at last?E. Ernst
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Publication Date:
02 March 2006 (online)

In diesem Heft publizieren Bäcker et al. eine Analyse der deutschen „Mega-Studien“ zur Akupunktur (ab Seite 506). Diese Studien gehören vor allem wegen der großen Fallzahlen zu den wichtigsten klinischen Prüfungen in diesem Bereich und wurden daher auch international viel beachtet. Bei den 8 randomisierten, dreiarmigen Studien wurde echte Akupunktur sowohl gegen Scheinakupunktur als auch gegen Warteliste oder Standardtherapie getestet. Dieses Design impliziert je zwei Fragestellungen pro Studie:

Ist Akupunktur mehr als ein Placebo?

Ist sie besser als keine Behandlung bzw. Standardtherapie?

Wie nicht anders zu erwarten, wurden die Ergebnisse (derzeit sind noch nicht alle in vollem Umfang publiziert) häufig emotional und kontrovers diskutiert. Kritiker wandten ein, dass diese Studien wegen suboptimaler Akupunktur-Technik und potenzieller Entblindung weniger verlässlich sind als allgemein angenommen (z. B. [1]). Ferner ist zu betonen, dass diese Untersuchungen nicht in einem Vakuum existieren, sondern im Zusammenhang mit der inzwischen umfangreichen internationalen Literatur zu sehen sind [2]. Eine Medline-Suche zeigt, dass im Jahre 2000 insgesamt 46 Akupunkturstudien publiziert wurden. Diese Zahl erhöhte sich auf 57 (2001), 83 (2002), und 88 (2003), um 2004 beachtliche 95 zu erreichen.

Wohin gehört die Nadel? Bäcker et al. widmen ihre Ausführungen speziell der Frage der „Punktspezifität”. Ist es wichtig, die Nadel an den richtigen Akupunkturpunkt zu setzen, oder ist willkürliche Nadelung ebenso wirksam? Hier erscheint es sinnvoll, vor allem diejenigen Studien zu berücksichtigen, die ordentlich validierte, nicht hautpenetrierende „Plazebo-Nadeln“ (z. B. [3]) einsetzen (die deutschen Studien verwendeten „Minimalakupunktur”). Die Abb. 1 und 2 zeigen ein solches System. Ich habe kürzlich alle 13 heute zu Verfügung stehenden klinischen Untersuchungen dieser Art zusammengefasst. Dabei fand sich, dass ihre große Mehrheit keine Unterschiede zwischen Akupunktur und Schein-Akupunktur zeigt [2]. Diese Konklusion steht nicht wirklich im Widerspruch zu den Daten der deutschen „Mega-Studien“: Nur eine Untersuchung (Fallzahl etwa 300) von insgesamt 8 Studien (Gesamtfallzahl etwa 5000) zeigt eine Differenz zwischen Akupunktur und „Minimalakupunktur”. Auch eine jüngst im BMJ publizierte Studie [4] zeigt ganz eindeutig, dass die Plazebo-Effekte einer Schein-Nadelung erheblich sein können.

Abb. 1 Original-Zeichnung einer Schein-Akupunktur-Nadel (Jongbae Park, 1999). 1 = Nadelgriff, 2 = Führungshülse, 3 = Führungs-O-Ring, 4 = „Park-Hülse“, 5 = Flansch, 6 = Doppelseitiges Klebeband, 7 = Haut, 8 = Dermis, 9 = Muskel, 10 = stumpfe Nadelspitze, 11 = scharfe, echte Nadelspitze

Literatur

  • 1 Wettig D. Die GERAC-Migräne-Akupunktur-Studie. Wertlos durch vorzeitige Entblindung?.  AKU. 2005;  4 178-182
  • 2 Ernst E. Acupuncture - a critical analysis.  J Intern Med. 2006;  259 125-137
  • 3 Park J, White A, Lee H, Ernst E. Development of a new sham needle.  Acupunct Med. 1999;  17 110-112
  • 4 Kaptchuk T J, Stason W B, Davis R B, Legedza A r, Schnyer R N, Kerr C E, Stone D A, Nam B H, Kirsch I, Goldman R H. Sham device v inert pill: randomised controlled trial of two placebo treatments.  BMJ. 2006;  332 391-397
  • 5 Social desirability bias .Wikipedia, the free encyclopedia. http://en.wikipedia.org/wiki/Social_desirability_bias 2006
  • 6 Melchart D, Weidenhammer W, Streng A. et al . Prospective investigation of adverse effects of acupuncture in 97,733 patients.  Arch Intern Med. 2004;  164 104-105
  • 7 Endres H G, Molsberger A, Lungenhausen M, Trampisch H J. An internal standard for verifying the accuracy of serious adverse event reporting: the example of an acupuncture study of 190,924 patients.  Eur J Res Med. 2004;  9 545-551

MD, PhD, FRCP, FRCPEd E. Ernst

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