Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(14): 771
DOI: 10.1055/s-2006-933732
Pro & Contra | Commentary
Kardiologie, Neurologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Perkutaner Verschluss des offenen Foramen ovale - Contra

C. A. Schneider1
  • 1Klinik III für Innere Medizin der Universität zu Köln
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Publication History

eingereicht: 1.3.2006

akzeptiert: 16.3.2006

Publication Date:
05 April 2006 (online)

Was würden Sie tun? Ein 48-jähriger Patient hatte einen Schlaganfall ohne wesentliche Beeinträchtigungen überlebt. Bei der üblichen sehr genauen Ursachenforschung inklusive transösophagealer Echokardiographie finden sich bis auf ein offenes Foramen ovale (PFO) mit Rechts-Links-Shunt unter Valsalva-Bedingungen nur Normalbefunde. Und nun? Das Risiko eines Schlaganfall-Rezidivs [4] bei einem reinem PFO ist gering: Es beträgt unter 300 mg Acetylsalicylsäure ca. 2 % in 4 Jahren (Kontrollgruppe 4,2 %). Dieses niedrige Risiko rechtfertigt sicher keine invasive Therapie.

Aber wie sähe es aus, wenn der Patient zusätzlich ein atriales Septum-Aneurysma (ASA) hätte? Welche Therapie wäre dann indiziert? Die Antwort hierauf ist schwierig zu finden. Ein Blick in die Literatur (Pubmed: Schlaganfall und PFO oder ASA) ergibt nämlich ca. 490 Publikationen zum Thema, darunter jedoch nur 7(!) randomisierte, kontrollierte Studien, was es einem advocatus diaboli leicht machen sollte. Diese sieben randomisierten Studien sind also neben unserer Erfahrung die „wissenschaftliche” Grundlage für therapeutische Entscheidungen. Keine der veröffentlichten randomisierten Studien hat jedoch eine medikamentöse Standardtherapie (z. B. Acetylsalicylsäure) mit der von vielen bevorzugten interventionellen Therapie mittels Verschlusssystemen verglichen oder gar den Beweis für die Überlegenheit der interventionellen Therapie erbracht. Aus mechanistischer Sicht ist es naheliegend, ein PFO samt atrialem Aneurysma innerhalb von ca. 45 Minuten zu verschließen [2]. In der Tat lassen eine Reihe nicht randomisierter Studien einen Vorteil der interventionellen Therapie erkennen [3]. Der Nutzen dieser nicht-randomisierten Studien ist jedoch auf das Generieren von Hypothesen beschränkte, eine Handlungsempfehlung lässt sich aus ihnen definitiv nicht gewinnen. Aber helfen wir dem Patienten mit einem Katheter- Verschluss wirklich, oder befriedigen wir nur unsere interventionellen, ökonomischen oder psychologischen Bedürfnisse? Die ehrliche Antwort auf diese Frage kann im Moment nur lauten: Wir stochern mit einer kurzen Stange im Nebel. Die einzige Möglichkeit, den Nebel zu lichten, wäre, alle geeigneten Patienten in prospektive Studien einzuschließen, um möglichst schnell eine Antwort zu erhalten. Oder fürchten wir uns vor der Antwort? Ist vielleicht (mal wieder) weniger mehr? Bis zum Vorliegen der Ergebnisse randomisierter Studien sollten wir uns an der vorläufigen Zulassung (humanitarian device exemption) der Verschlussysteme und den aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaften [5] orientieren: Einsatz dieser Systeme bei PFO/ASA Patienten, die unter einer effizienten Antikoagulation ein Schlaganfallrezidiv erleiden (Klasse IIb, Evidenzlevel C). Meine Vermutung ist, dass dies deutlich weniger Patienten sind, als gegenwärtig Eingriffe durchgeführt werden.

Will man aber im Moment außerhalb von Studien Verschlussysteme implantieren, sollte man sich am individuellen Rezidiv-Risiko orientieren: Patienten mit PFO und ASA, spontanem Rechts-Links-Shunt oder einem großen PFO (> 4 mm) haben ein erhöhtes Risiko [1]. Diesen Patienten einen Verschluss aufgrund fehlender randomisierter Daten zu verwehren, fällt - zugegebenermaßen- schwer. Aber es bleibt dünn, das Eis, auf dem wir uns bewegen.

Literatur

  • 1 De Castro S. et al . Morphological and functional characteristics of patent foramen ovale and their embolic implications.  Stroke. 2000;  31 2407-2413
  • 2 Hoepp H W, Deutsch H J, La Rosee K, Schnabel P, Terheggen G, Schneider C A, Korsten J, Babic U U. Transcatheter closure of atrial-septal defects and patent foramen ovale in adults: optimal anatomic adaptation of occlusion device.  Am Heart J. 1999;  138 941-949
  • 3 Khairy P, O’Donnell C P, Landzberg M J. Transcatheter closure versus medical therapy of patent foramen ovale and presumed paradoxical thromboemboli: a systematic review.  Ann Intern Med. 2003;  139 753-760
  • 4 Mas J L. et al . Recurrent cerebrovascular events associated with patent foramen ovale, atrial septal aneurysm, or both.  N Engl J Med. 2001;  345 1740-1746
  • 5 Sacco R L. et al . Guidelines for prevention of stroke in patients with ischemic stroke or transient ischemic attack: a statement for healthcare professionals from the American Heart Association/American Stroke Association Council on Stroke: co-sponsored by the Council on Cardiovascular Radiology and Intervention: the American Academy of Neurology affirms the value of this guideline.  Stroke. 2006;  37 577-617

Priv.-Doz. Dr. med. C. Schneider

Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie, Klinik III für Innere Medizin, Universität zu Köln

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