Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(16): 859
DOI: 10.1055/s-2006-939857
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Regenerative Medizin - Perspektiven der Inneren Medizin?!

Regenerative medicine - perspectives for internal medicine?!W. Seeger1 , A. Althoff1
  • 1Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
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Publication Date:
20 April 2006 (online)

Begleitend zum 112. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin widmet sich diese Ausgabe der Deutschen Medizinischen Wochenschrift mit ihrem Schwerpunktthema der regenerativen Medizin. Für viele wird es sich hierbei noch um einen abstrakten Begriff handeln, jedoch steht außer Zweifel, dass die regenerative Medizin zu den innovativsten Zukunftsfeldern der modernen biomedizinischen und biologischen Forschung gehört und auch das Gesicht der Inneren Medizin in dem kommenden Jahrzehnt wesentlich verändern wird.

Klassische Therapieziele in der Inneren Medizin umfassen die Prävention von Krankheiten, die Verhinderung einer weiteren Progression und die Verbesserung der Organfunktion bei gegebener struktureller Schädigung. Regenerative Medizin hat darüber hinausgehend zum Ziel, den Wiederaufbau physiologischer Organ-Strukturen zu erreichen. Denkbar ist dieses zum einen über den Weg des Tissue Engineering, welches nach allgemeinem Verständnis die In-vitro-Modellierung neuer Gewebestrukturen mit dem Ziel der nachträglichen Implantation/Transplantation beschreibt. Eine zumindest ebenso große Herausforderung besteht jedoch darin, Prozesse der Struktur-Regeneration in vivo zu induzieren, sei es durch Stimulation physiologisch angelegter reparativer Mechanismen, durch Mobilisation oder externe Zufuhr knochenmarkständiger Stammzellen, oder durch Aktivierung ortständiger Progenitorzellen/Stammzellen mit hoher regenerativer Potenz.

Nahe liegend - und gleichzeitig extrem herausfordernd in der Umsetzung - ist hierbei der Gedanke, entwicklungsbiologisch angelegte Programme der Organogenese im adulten Organismus zu reaktivieren, um hierüber das Ziel eines „in-vivo Tissue Engineering” jenseits der natürlichen Wachstumsperiode zu erreichen. Wie anspruchsvoll solche Programme sein müssen, ergibt sich allein aus der Notwendigkeit, dass hinsichtlich der meisten Organe morphologisch hoch differenzierte Makro- und Mikro-Strukturen entstehen müssen (Morphogenese), wohingegen die Bildung von „Zellklumpen” ohne gesteuerte dreidimensionale Verteilung - ähnlich einer Tumorzellmasse - geradezu zum Verlust der Organfunktion führen würde.

Da die regenerative Medizin als einer der Schwerpunkte des diesjährigen Internistenkongresses ausgewählt wurde, lag es nahe, dieses wichtige Thema auch zum Schwerpunkt dieser Ausgabe der DMW zu machen. Es freut uns sehr, dass es uns gelungen ist, die beteiligten Autoren für dieses Heft gewinnen zu können.

Vor allem sollen mit den vorliegenden Artikeln jene Ansätze in den Vordergrund gestellt werden, die jetzt bereits Eingang in die klinische Realisierung - zumeist auf der Ebene von Studien - gefunden haben, und von denen ein dramatischer Innovationsschub in den nächsten Jahren zu erwarten ist.

Entsprechende Themenfelder sind im vorliegenden Heft:

Regeneration von Lungenparenchym - eine Chance für die Zukunft? „Reverse-Remodeling” - Paradigmenwechsel in der Behandlung der pulmonalen Hypertonie Stammzelltherapie bei Myokardinfarkt Remodeling und Anti-Remodeling-Therapie bei Vorhofflimmern Tissue Engineering - In-vitro-Züchtung von Gewebeersatz Regeneration von Nierengewebe Transplantation von Hepatozyten bei Leberversagen Stammzellen, Inselzellen und die Zukunft der Diabetes-mellitus-Behandlung Mesenchymale Stammzellen bei Gelenkerkrankungen und rheumatischen Erkrankungen

Sicherlich wirft das Thema „Regenerative Medizin” eine Vielzahl von Fragen auf, weshalb es auf dem Internistenkongress viel Platz für hoffentlich spannende Diskussionen geben wird. Unter anderem wird es eine Pro-con-Debatte mit dem Thema „Stammzellen und Klonen - biomedizinische Forschung am Standort Deutschland” geben, die diese Diskussion geradezu herausfordert.

Wir hoffen sehr, dass neben erstklassiger Fortbildung, praktischen Kursen und „State of the art” Vorträgen diese Konfrontation mit der „begonnenen Zukunft der regenerativen Medizin” zu einem bleibenden Eindruck des kommenden Internistenkongresses werden wird.

Werner Seeger, Kongress-Präsident, Vorsitzender der DGIM

André Althoff, Kongress-Sekretär

Prof. Dr. Werner Seeger

Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH

Klinikstraße 36

35392 Gießen

Phone: 0641/99/42351

Fax: 0641/99/42359



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