Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(20): 1180
DOI: 10.1055/s-2006-941751
Korrespondenz | Correspondence
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Versorgungsqualität und Ausmaß von Komplikationen an einer bevölkerungsbezogenen Stichprobe von Typ 2-Diabetespatienten - Erwiderung

A. Icks, W. Rathmann, B. Haastert, H. Löwel, C. Meisinger, R. Holle
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Publication Date:
17 May 2006 (online)

Wir danken Herrn Dr. Spiel für seine kritischen Fragen und konstruktiven Anmerkungen zu unserer Publikation [1]. Herr Spiel spricht im Wesentlichen drei Punkte an:

die Patienten-Selektion, die Validität von Selbstangaben und die daraus resultierende Vorsicht, die die Interpretation der Aussagen erfordert, die Einflussfaktoren einer nicht ausreichenden Behandlung, die arzt- wie patientenbezogen sein mögen.

Zu 1) Die Arbeit stellt keine unselektierten Daten dar - dies kann in der Tat nicht behauptet werden - sondern solche, die einer populationsbasierten Erhebung entstammen - im Gegensatz zu praxisbasierten Erhebungen oder Analysen von Krankenkassendaten. Alle Erhebungen gehen in der Regel mit einer Selektion einher. In der populationsbasierten Erhebung ist die Teilnahme nie vollständig, dies wird in der Arbeit ausführlich diskutiert. Bei kassenbezogenen Erhebungen resultiert die Selektion aus der Versichertenpopulation. In praxisbasierten Erhebungen wird man in der Regel Patienten mit häufigeren Kontakten überproportional berücksichtigen. Bei Erhebungen in Qualitätszirkeln, wie von Herrn Spiel vorgeschlagen, kommt zudem eine Selektion der Praxen (in der Regel engagierte KollegInnen) dazu, bei denen von einem anderen Behandlungs- und Verordnungsverhalten auszugehen ist.

Zu 2) Wir stimmen mit der Einschätzung von Herrn Spiel überein, dass Selbstangaben von eingeschränkter Validität sind. Dieser Punkt wurde in der Arbeit ausführlich diskutiert. Allerdings sind eine Reihe von Variablen - anthropometrische Parameter und klinische Befunde - nicht erfragt, sondern in einer standardisierten Untersuchung erhoben. Erfragt wurde tatsächlich der Begriff HbA1c, nicht „Blutzuckergedächtniswert”. Wir halten es allerdings schon für beachtlich, dass auch ein großer Teil derjenigen Patienten, die die Teilnahme an einer strukturierten Schulung bejaht, diesen häufig auch in Patienteninformationen verwendeten Fachbegriff nicht kennt.

Zu 3) Eine unzureichende Behandlung von Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen wurde ebenfalls in praxisbasierten Studien gefunden (z. B. HYDRA, DETECT oder Code-2-Studie). Verschiedene Gründe mögen eine Rolle spielen: unzureichende Diagnostik und Therapie des Arztes ebenso wie Ablehnung einer Therapie durch die Patienten. Intention unserer Arbeit war lediglich, den Umfang der Therapie zu quantifizieren - Ursachen für Defizite müssten in weiterführenden Studien analysiert werden. Ziel war, dazu beizutragen, Basisdaten zur Verfügung zu stellen. Darauf basierend können arzt- wie patientenbezogene Interventionen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

In epidemiologischen, zumeist mehrere 1000 Probanden einschließende, Studien können Blutdruckwerte aus pragmatischen Gründen nur am Untersuchungstag gemessen werden. Für die internationale Vergleichbarkeit derartiger Studien ist Standard, zur Diagnose von hypertonen Messwerten (nicht Hypertonie) 3 Messungen im Abstand von 3 Minuten durchzuführen und die Probanden zu ihren Blutdruckwerten („awareness”) und zur Behandlung („treatment”) zu befragen. Darüber wird definiert, wie viele der behandelten Probanden normotone („controlled”) Messwerte haben. Es wäre natürlich wünschenswert, die Therapiebedürftigkeit von Hypertonie-Patienten über eine 24-Stunden-Blutdruckmessung zu diagnostizieren. Inwieweit das im klinischen Alltag der hausärztlichen Versorgung realisierbar und finanzierbar ist, kann mit unseren Daten nicht beurteilt werden.

Literatur

  • 1 Icks A. et al . Versorgungsqualität und Ausmaß von Komplikationen an einer bevölkerungsbezogenen Stichprobe von Typ 2-Diabetespatienten.  Dtsch Med Wochenschr. 2006;  131 73-78

Priv.-Doz. Dr. med. Dr. P. H. Andrea Icks

Deutsches Diabeteszentrum an der Heinrich-Heine- Universität, Institut für Biometrie und Epidemiologie

Auf’m Hennekamp 65

40225 Düsseldorf

Phone: 0211/ 3382 354

Fax: 0211/ 3382 677

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