B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2006; 22(5): 200-201
DOI: 10.1055/s-2006-942219
RECHT

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Das Recht auf Werbung für Sporttherapeuten

E. Boxberg1
  • 1Justiziar des DVGS e. V., Hürth
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Publication Date:
05 October 2006 (online)

Das Recht am freien Beruf ist eng verknüpft mit dem Recht, für diesen Beruf zu werben. Werbung ist ein Mittel der Präsentation. Sie ist Teil unserer Wirtschaftsordnung. Diese wiederum beruht auf dem marktwirtschaftlichen Prinzip, und hierbei ist der freie Wettbewerb der Regulator der einzelwirtschaftlichen Beziehungen. Der Wettbewerb erfüllt in einer Marktwirtschaft die Funktion der Steuerung der Wirtschaftsprozesse. Wettbewerb darf sich jedoch nicht selbst überlassen werden, da ansonsten die Gefahr droht, dass Wettbewerb auch unlautere Formen annimmt. Aus diesem Grund gibt es eine Wettbewerbspolitik und ein Wettbewerbsrecht. Die Wettbewerbspolitik ist die Gesamtheit aller staatlichen Maßnahmen, die es anstrebt, einen funktionsfähigen Wettbewerb zu schaffen bzw. eine solche Form von Wettbewerb zu gewährleisten. Wettbewerbspolitik verfolgt drei Ziele:

Sie hat zunächst die Aufgabe, eine „Wettbewerbsverfassung” herzustellen, die darüber Auskunft gibt, wo die Grenzen eines zulässigen, ehrlichen Wettbewerbs sind. Sie verfolgt das „ordnungspolitische” Ziel, den Wettbewerb innerhalb der erlaubten Grenzen zu erhalten und ggf. hierfür auch mit „prozessualen” Mitteln zu sorgen. Das Wettbewerbsrecht stellt die einzelnen Rechtsnormen, die die ordnungspolitische Zielvorgabe des Wettbewerbs erfüllen und garantieren sollen.

Die Marktmechanismen selbst sind zur Regelung aller möglichen Konfliktsituationen im Wettbewerb nicht ausreichend geeignet. Daher ist unser Wettbewerb zwar frei, aber doch durch gesetzliche Vorschriften und weiterführendes Richterrecht in den Bereichen eingeschränkt, in denen er zu unbilligen und daher von der Rechtsordnung nicht gewünschten Ergebnissen führen könnte.

Personen, die im Gesundheitswesen tätig sind, nehmen vielfach an, ihnen sei die Werbung für ihren Beruf und ihre Praxis grundsätzlich verboten. Dies trifft nicht zu. Für die selbstständig im öffentlichen Gesundheitswesen tätigen Personen gelten zunächst einmal dieselben wettbewerbsrechtlichen Regeln, die auch für andere marktbeteiligte Personen gelten und die man so formulieren könnte: Der Marktteilnehmer darf durch wettbewerbliche Aussagen nicht täuschen und hierdurch irreführen und nicht gegen die guten Sitten verstoßen.

Der selbstständige Sporttherapeut steht jedoch seinen Auftraggebern viel näher und in größerer Verantwortung gegenüber, als dies bei einem Dienstleistungsverpflichteten außerhalb des Gesundheitswesens der Fall ist. Daher gibt es für die Sporttherapeuten (und verwandte Berufe) einige wenige Spezialregelungen, die außerhalb des Gesundheitswesens keine Gültigkeit haben. Über diese Regeln soll berichtet werden. Hierzu besteht auch ein besonderes Bedürfnis, weil es keinem noch so findigen und vorsichtigen Sporttherapeuten selbstverständlich ist, dass solche Regeln existieren. Die Verbotstatbestände drängen sich also nicht so auf, wie die uns selbstverständliche Regel, dass man nicht stehlen darf. Der Sporttherapeut zählt zu den Berufen, an denen sich das Heilmittelwerbegesetz (HWG) wendet. Das Heilmittelwerbegesetz nennt eine Vielzahl von Werbeverboten oder Behinderungen bei der Werbung. Relevant für die Berufsgruppe sind jedoch nur vier Fälle:

Außerhalb der Fachkreise darf sich der Sporttherapeut zu Werbezwecken nicht bei der beruflichen Betätigung bei seinem ausgeübten Beruf abbilden lassen. Über sporttherapeutische Einrichtungen wird in der Presse gar nicht so selten berichtet. Die Presse berichtet gern über junge medizinische Berufe, weil auch die Bevölkerung an den Tätigkeiten dieser Berufsträger großes Interesse hat. Daher kann es durchaus vorkommen, dass ein Journalist seinen Besuch in der sporttherapeutischen Einrichtung ankündigt, dort erscheint und in seiner Zeitung oder seiner Zeitschrift hierüber berichtet. Ein solcher Bericht wirkt umso belebter, je mehr er mit anschaulichen Bildern aus der Praxis des Therapeuten ausgestattet ist. Eine leere Praxis könnte jedoch eintönig wirken, und so wird es der Journalist vorziehen, vom Sporttherapeuten eine Aufnahme zu machen, die diesen bei seiner beruflichen Betätigung zeigt. Wenn diese Fotografie in der Presse erscheint, ist der Tatbestand des § 11 Ziff. 4 HWG erfüllt und nach § 15 desselben Gesetzes können Bußgelder von mehr als € 20 000,00 fällig werden (was natürlich im Falle eines ersten Gesetzesverstoßes noch nicht der Fall ist).Man könnte sich fragen: Was hat dieses Gesetz für einen Sinn? Der Gesetzgeber hat sich gedacht, dass kranke Personen, die auf Heilung und Besserung sinnen, besonders empfänglich sind für eine Werbung, die ihnen Heilung verspricht oder wenigstens in Aussicht stellt. Der sich beruflich betätigende Sporttherapeut wird im Zweifel bei irgendeinem Vorgang fotografiert, der in seinem Praxisalltag als heilungsunterstützend aufgefasst wird. Eine solche Abbildung könnte den Patienten verleiten, dem abgebildeten Therapeuten mehr Vertrauen entgegenzubringen und mehr Hoffnung in seine Dienste zu setzen, als vom gesunden Menschen aufgebracht würde. Diese Überlegungen des Gesetzgebers scheinen sehr weit hergeholt, aber sie sind existent, und die Gesetze werden angewandt. Warum die Gefahr der Verfolgung so groß ist, wird noch am Ende des Artikels mitgeteilt. Das Gesetz verbietet in § 11 HWG auch außerhalb der Fachkreise für Verfahren und Behandlungen den Gebrauch fachsprachlicher oder fremdsprachlicher Bezeichnungen. Der Existenzgründer möchte seine Leistung bekannt geben, der Sporttherapeut, der schon länger eine eigene Praxis unterhält, u. U. durch ein erweitertes Leistungsspektrum neue Patienten auf sich aufmerksam machen. In solchen Fällen sind Prospekte, aber auch Zeitungsanzeigen, Autobeschriftungen beliebte Werbemedien, die - wenn vom Leistungsanbieter sinnvoll informiert wird - auch durch ihre Werbewirksamkeit i. d. R. Patientenzuwachs zur Folge haben. Welches Werbemittel genutzt wird, ist für die wettbewerbsrechtliche Aussage vollkommen gleichgültig. Die Vorschriften finden bei allen Werbeträgern die gleiche Anwendung. Es ist also beispielsweise nichts im Internet erlaubt, was in der Zeitungsanzeige verboten wäre.Der Sporttherapeut sollte vermeiden, in seiner Werbung fremd- oder fachsprachliche Begriffe zu verwenden. Wer beispielsweise von „Disability”, „arteriosklerotisch” oder „kardiopulmonaler Kapazität” spricht, zieht sich die Ordnungsbehörden geradezu ins Haus. Bis vor wenigen Jahren war noch der Begriff „Physiotherapie” unzulässig, und heute sind noch Begriffe wie z. B. „Kapillare”, „Myalgie” und „neuralgieforme Beschwerden” usw. unzulässige Begriffe, die nicht zu Werbezwecken verwendet werden dürfen, es sei denn, sie werden mit allgemein verständlichen Worten erläutert und erklärt. Ein dritter Verbotstatbestand, der sich von selbst keinem Sporttherapeuten erschließt, ist das Verbot von Werbegaben. Das Gesetz verbietet in § 7 HWG, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, es sei denn, dass es sich um Gegenstände von geringem Wert handelt, die zusätzlich durch eine dauerhaft sichtbare Bezeichnung des Werbenden gekennzeichnet sind. Das Verbot gilt für das Angebot und die Abgabe von Leistungen und Waren. Wer also bei zehn Behandlungen eine elfte kostenlos abzugeben verspricht, verstößt gegen das Gesetz. Aber auch der verstößt gegen das Gesetz, der Kleinstgeschenke im Wert von mehr als ca. € 1,00 abzugeben verspricht oder abgibt, und selbst der verletzt noch das Gesetz, der als Erleichterung für seine Patienten diesen verspricht, sie kostenlos von zu Hause abzuholen und zur Praxis zu bringen oder wieder heim zu fahren. Sporttherapeuten machen oft auf ihre Leistungen aufmerksam, indem sie auch die Erkrankungen benennen, gegen die ein bestimmtes Verfahren oder eine Behandlung eingesetzt wird: „Da sowohl die arteriosklerotisch bedingte Herzerkrankung als auch ihre Rehabilitation prozesshaft verläuft, wird die sporttherapeutische Hauptaufgabe im Rehabilitationsprozess darin liegen, mit Mitteln und Methoden des Sports wie die Voraussetzungen für ein selbstgesteuertes, kompetentes Verhalten zu legen.” Ein Beispiel: § 12 HWG „verbietet, Werbung für Verfahren und Behandlungen außerhalb der Fachkreise zu machen, sofern sich diese Werbung auf die Beseitigung und Linderung von Krankheiten bezieht, die in der Anlage dem Gesetz beigefügt sind.” Hierzu gehören alle Stoffwechselkrankheiten und nahezu alle organischen Erkrankungen. Am besten unterlässt man die Doppelbenennung (von Behandlungen und Krankheiten) gänzlich.

Wo kein Kläger ist, da ist kein Richter. Nicht die konkurrierenden Berufskollegen sind Kläger, auch nicht die Behörden selbst (obwohl diesen eine Amtsermittlungspflicht zukommt). In unserem Staat gibt es Organisationen, die Wettbewerbsverstöße suchen. Werden solche Verstöße entdeckt, dann erfolgt meist gegenüber dem Wettbewerber eine Abmahnung. Diese Abmahnung ist gekoppelt mit einer Unterlassungserklärung und einer Vertragsstrafenverpflichtung (für den Fall der erneuten Zuwiderhandlung). Schickt der betroffene Wettbewerber die Unterlassungserklärung und Vertragsstrafenverpflichtung zurück, dann ist er zwar zur Zahlung einiger Hundert Euro verpflichtet. Er darf den Wettbewerbsverstoß nicht wiederholen, sonst wird die zugesicherte Vertragsstrafe fällig, und das sind gleich einige Tausend Euro. Unterzeichnet der betroffene Sporttherapeut jedoch nicht, dann muss er mit einem einstweiligen Verfügungsverfahren rechnen, und diese Maßnahme ist erst richtig teuer. Sie erfordert i. d. R. die Beauftragung eines Rechtsanwaltes und bringt zusätzlichen Ärger und meist auch einen enormen Zeitaufwand. Daher sei vor den hier beschriebenen Wettbewerbsverstößen gewarnt, die sich als Verbotstatbestände bei noch so eifrigem Nachdenken nicht von selbst erschließen.

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