Laryngorhinootologie 2006; 85(8): 580-581
DOI: 10.1055/s-2006-944590
Varia
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gemeinsame Stellungnahme zur Notwendigkeit präoperativer Gerinnungsdiagnostik vor Tonsillektomie und Adenotomie bei Kindern

Joint Statement on the Need for Preoperative Coagulation Tests before Adenotomy and Tonsillectomy in ChildrenK.  Hörmann1
  • 1 Universitäts-HNO-Klinik Mannheim
Further Information

Publication History

Publication Date:
02 August 2006 (online)

Die Notwendigkeit einer routinemäßigen präoperativen Gerinnungsdiagnostik bei Kindern vor Tonsillektomie und Adenotomie ist immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen; ein standardisiertes Vorgehen existiert hier bis heute nicht. Hieraus ergeben sich nicht nur für den klinischen Alltag, sondern auch unter medikolegalen Gesichtspunkten viele Unsicherheiten. Insbesondere medizinrechtliche Bedenken werden von den Befürwortern einer präoperativen Gerinnungsdiagnostik vorgebracht, auch wenn einer „kleinen Gerinnungsdiagnostik” die häufigsten angeborenen Gerinnungsstörungen in der Regel entgehen.

Um hier ein einheitliches, medizinisch begründetes Vorgehen zu etablieren und den Betroffenen mehr Rechtssicherheit zu gewähren, wurde auf Initiative des Arbeitskreises Kinderanästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. am 30. September 2005 unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Jochen Strauß (Sprecher der Arbeitsgemeinschaft) eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet. Hieran beteiligt waren Priv.-Doz. Dr. med. Ralf Knöfler (Universitätskinderklinik Dresden, Bereich Hämatologie und Onkologie), Dr. med. Wolfgang Eberl (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Braunschweig GmbH), Dr. med. Thomas Fischer (Abteilung für Anästhesie, Kinderkrankenhaus Park-Schoenfeld) und Priv. Doz. Dr. med. Boris A. Stuck (Universitäts-HNO-Klinik Mannheim).

Die gemeinsame Erklärung lautet wie folgt:

Auf eine routinemäßig durchgeführte, laborchemische Analyse der Blutgerinnung vor einer Adenotomie oder Tonsillektomie kann im Kindesalter verzichtet werden, wenn eine gründliche Anamnese keinen Hinweis für eine Störung der Blutgerinnung liefert. Die Anamnese umfasst im Kindesalter auch eine Familienanamnese (Tab. [1]).

Bei Kindern mit einer bekannten Störung der Hämostaseologie, einer auffälligen oder nicht zu erhebenden Blutungsanamnese sowie bei Kindern mit klinischen Blutungszeichen muss eine Gerinnungsdiagnostik durchgeführt werden. In diesem Fall sollte auch ein von-Willebrandt-Jürgens-Syndrom ausgeschlossen werden.

Zur standardisierten Anamnese wurde ein entsprechender Fragebogen empfohlen (Tab. [1]).

Zwischenzeitlich haben die beteiligten Fachgesellschaften die gemeinsame Stellungnahme beraten und befürwortet (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V., Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie).

Die Autoren hoffen, dass auf Basis dieser Stellungnahme ein einheitliches Vorgehen etabliert werden kann, welches sowohl die medizinischen Notwendigkeiten, medikolegale Aspekte als auch den ökonomischen Einsatz der Ressourcen berücksichtigt. Eine gemeinsame Beratung der Fachgesellschaften bezüglich weiterer präoperativer diagnostischer Maßnahmen (z. B. Blutbild und klinische Chemie etc.) ist in Planung.

Prof. Dr. med. K. HörmannUniversitäts-HNO-Klinik MannheimPräsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie

Tab. 1 Anamnese vor geplanter Adenotomie oder Tonsillektomie bei Kindern NAMEETIKETT Eigenanamnese des Kindes ja nein 1. Hat Ihr Kind vermehrt Nasenbluten ohne erkennbaren Grund? 2. Treten bei Ihrem Kind vermehrt „blaue Flecke” auf, auch am Körperstamm oder an ungewöhnlichen Stellen? 3. Haben Sie Zahnfleischbluten ohne erkennbare Ursache festgestellt? 4. Wurde Ihr Kind schon einmal operiert? 5. Kam es während oder nach einer Operation zu längerem und verstärktem Nachbluten? 6. Kam es im Zahnwechsel oder nach dem Ziehen von Zähnen zu längerem oder verstärktem Nachbluten? 7. Hat Ihr Kind schon einmal Blutkonserven oder Blutprodukte übertragen bekommen? 8. Hat Ihr Kind in den letzten Tagen Schmerzmittel , z. B. Aspirin, ASS oder ähnliches genommen? Familienanamnese, getrennt für Vater und Mutter ja nein 1. Haben Sie vermehrt Nasenbluten, auch ohne erkennbaren Grund? 2. Haben Sie bei sich Zahnfleischbluten ohne ersichtlichen Grund festgestellt? 3. Haben Sie den Eindruck, dass es bei Schnittwunden (Rasieren) nachblutet? 4. Gab es in der Vorgeschichte längere oder verstärkte Nachblutungen nach Operationen? 5. Gab es längere oder verstärkte Nachblutungen nach oder während dem Ziehen von Zähnen? 6. Gab es in der Vorgeschichte Operationen, bei denen Sie Blutkonserven oder Blutprodukte erhalten haben? 7. Gibt es oder gab es in Ihrer Familie Fälle von vermehrter Blutungsneigung? Zusatzfragen an die Mutter ja nein 1. Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Regelblutung verlängert oder verstärkt ist? 2. Kam es bei oder nach Geburt eines Kindes bei Ihnen zu verstärkten Blutungen? Quelle: Eberl W et al. Präoperatives Screening auf Gerinnungsstörungen vor Adenotomie und Tonsillektomie. Klin Pädiatr 2005; 217: 20 - 24

Prof. Dr. med. K. Hörmann

Universitäts-HNO-Klinik

Theodor-Kutzer-Ufer 1 - 3 · 68167 Mannheim ·

Email: karl.hoermann@hno.ma.uni-heidelberg.de

    >