Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(34/35): 1881-1882
DOI: 10.1055/s-2006-949177
Korrrespondenz | Correspondence
Leserbrief
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Akute Hepatitis durch Kava-Kava und Johanniskraut: immun-vermittelter Mechanismus? Zuschrift Nr. 3

Zum Beitrag aus DMW 21/2006C.-P Siegers, M. Schmidt
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Publication Date:
17 August 2006 (online)

Zuschrift Nr. 3

Pharmakovigilanz ist ein Thema mit zunehmender Bedeutung. Dies belegen hochkarätig besetzte Konferenzen, wie zum Beispiel die im April in London zum Thema der Verbesserung der Meldesysteme abgehaltene Fachtagung. Die besten Meldesysteme sind aber nutzlos, wenn sie entweder nicht verwendet werden, oder aber die gemeldeten Informationen unvollständig sind oder sogar einen falschen Eindruck hinterlassen.

Es wäre wünschenswert gewesen, wenn Musch et al. [4] die Detailinformationen aus ihrem Fallbericht bereits im Rahmen der Diskussion des Stufenplans beigetragen hätten. Jetzt, 4 Jahre nach der Entscheidung, sind sie unkommentiert eher dazu geeignet, Verwirrung zu stiften. Die Autoren kommen zu der Hypothese einer durch Kava und Johanniskraut gemeinsam ausgelösten immunologischen Reaktion - eine Hypothese, die bereits auf dem Titelblatt der DMW in eine Tatsache umgewandelt wird. Auch so kann man Fakten schaffen.

Ein wesentlicher Kritikpunkt bezieht sich auf die Kausalitätszuordnung zu Kava. Wie das, wenn im vorgestellten Fall gar kein Kava eingenommen wurde? Beim Wirkstoff des verdächtigten Präparates handelte es sich nicht um Kavaextrakt, sondern um synthetisches, racemisches D,L-Kavain. Racemisches Kavain kommt in der Natur und explizit in Kavaextrakten nicht vor, und somit lassen sich Fallmeldungen zu diesem Wirkstoff nicht ohne weiteres mit Fallberichten zur Pflanze vergleichen [6].

Nicht genug damit: Die Erklärungen zur postulierten Entstehung einer immunologischen Leberreaktion basieren auf der Theorie einer Wechselwirkung zwischen Kava (!) und Johanniskraut auf der Ebene der Cytochrom P450-Enzyme. Auch dies ist offensichtlich unplausibel: Durch In-vitro-Untersuchungen wurde für bestimmte Kavalactone eine konzentrationsabhängige Hemmung von CyP 3A4 gefunden - allerdings nicht durch Kavain, das an allen CyP Subtypen inaktiv war [2] [7]. An humanen Hepatozyten wurden zwar Hemmeffekte von einem Extrakt aus einem Kavakultivar schlechter Qualität (hohe Mengen an Methysticin und Dihydomethysticin, solche Extrakte sind für den lokalen Gebrauch im Südpazifik inakzeptabel und können somit nicht als Maßstab gelten!) und einzelnen Kavalactonen an verschiedenen CyP-Subsystemen gefunden, nicht aber für isoliertes Kavain [9]. Im Gegensatz dazu hatte eine andere Arbeitsgruppe ebenfalls an Hepatozyten Hinweise auf eine Induktion, nicht eine Hemmung von CyP 3A4 erhalten, wenn auch in irrelevant hohen Dosen [5]. Schließlich wurde in einem weiteren In-vitro-Versuch das Fehlen einer metabolischen Aktivierung von Kavaextrakt an humanen CyP-Enzymen nachgewiesen [8]. Für Kavain gibt es somit keinerlei Grundlage für die Annahme einer metabolischen Interaktion.

Auch der Zusammenhang zwischen Johanniskraut und Interaktionen an CyP 3A4 darf in diesem Zusammenhang nicht einfach pauschalisiert werden. Mittlerweile ist gut bekannt, dass die für Johanniskraut bekannten Wechselwirkungen in erster Linie durch hohe Dosen an Hyperforin ausgelöst werden, wie sie in einigen Spezialextrakten vorkommen [1]. Das in diesem Fallbericht genannte Johanniskrautpräparat weist jedoch keine erhöhten Hyperforinkonzentrationen auf [3], so dass eine Auslösung von Interaktionen an CyP 3A4 durch dieses Präparat zwar nicht explizit ausgeschlossen werden kann, auf der Basis der bekannten Datenlage aber recht unwahrscheinlich erscheint.

Somit ist die Argumentationskette einer durch eine metabolische Interaktion ausgelösten immunologischen Reaktion durch keinerlei Fakten gestützt, und kann daher auch nicht als Beweis einer Kausalität von Kavain im vorliegenden Fall herhalten. Sie kann insbesondere auch nicht als Erklärung für andere, im Zusammenhang mit der Einnahme von Kavaextrakt (!) beobachtete Fälle von Lebererkrankungen dienen. Deren Kausalität ist in den allermeisten Fällen ohnehin nicht schlüssig auf Kava zurückzuführen.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass per Schreiben vom Mai 2005 das BfArM seine Entscheidung zum Vertriebsverbot von Kava aus dem Jahr 2002 wörtlich als „unangemessen” bezeichnet hat. Angesichts der extrem geringen Inzidenzzahlen und der zumeist sehr schlechten Dokumentationsqualität der Fallberichte waren einschlägige Experten für Toxikologie und Phytotherapie bereits im Jahr 2002 zu dieser Schlussfolgerung gelangt. Gegenwärtig wird bei Kava von der toxikologischen Abteilung des BfArM nicht die potenzielle Toxizität als Problem aufgefasst, sondern das Fehlen eines anerkannten Wirksamkeitsnachweises in der zugelassenen Indikation und Dosis. Den Herstellern wurde die Rückkehr von Kava in Aussicht gestellt, wenn die entsprechenden klinischen Daten vorgelegt werden.

Die Lehre aus diesem Fall ist die Aufforderung an alle Verfahrensbeteiligten, verfügbare Daten in einer Stufenplandiskussion rechtzeitig und möglichst vollständig zur Verfügung zu stellen. Dazu zählt auch die zeitnahe Meldung von Falldaten - die von Musch et al. [4] dargestellten diagnostischen Details hätten entsprechend der Meldepflichten bereits 2001 vorliegen müssen. So hilft die Publikation niemandem mehr: den Patienten nicht, die Kava nicht mehr einnehmen können, und den Stufenplanentscheidern nicht, weil das Kind bereits in den Brunnen geschubst wurde.

Literatur

  • 1 Madabushi R, Frank B, Drewelow B, Derendorf H, Butterweck V. Hyperforin in St John’s wort drug interactions.  Eur J Clin Pharmacol. 2006;  62 225-229
  • 2 Mathews J M, Etheridge A S, Black S R. Inhibition of human cytochrome P450 activities by kava extract and kavalactones.  Drug Met Disp. 2002;  30 1153-1157
  • 3 Melzer M, Fuhrken D, Kolkmann R. Hyperforin im Johanniskraut. Hauptwirkstoff oder nur Leitsubstanz?.  Dt Apoth Ztg. 1998;  13 4754-4760
  • 4 Musch E, Chrissafidou A, Malek M. Akute Hepatitis durch Kava-Kava und Johanniskraut: immun-vermittelter Mechanismus?.  Dtsch Med Wochenschr. 2006;  131 1214-1217
  • 5 Raucy J L. Regulation of CYP3A4 expression in human hepatocytes by pharmaceuticals and natural products.  Drug Metab Dispos. 2003;  31 533-539
  • 6 Schulze J, Raasch W, Siegers C P. Toxicity of kava pyrones, drug safety and precautions - a case study.  Phytomedicine. 2003;  10 (Suppl 4) 68-73
  • 7 Unger M, Holzgrabe U, Jacobsen W, Cummins C, Bennet L Z. Inhibition of cytochrome P450 3A4 by extracts and kavalactones of Piper methysticum (Kava-Kava).  Planta med. 2002;  68 1055-1058
  • 8 Zou L, Harkey M R, Henderson G L, Dike L E. Kava does not display metabolic toxicity in a homogeneous cellular assay.  Planta med. 2004;  70 289-292
  • 9 Zou L, Henderson G L, Harkey M R, Sakai Y, Li A. Effects of kava (Kava-kava, ‘Awa, Yaqona, Piper methysticum) on c-DNA-expressed cytochrome P450 enzymes and human cryopreserved hepatocytes.  Phytomedicine. 2004;  11 285-294

Prof. Dr. med. Claus-Peter Siegers

Uniklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

Dr. Mathias Schmidt

Herbresearch Germany

Wartbergweg 15

86874 Mattsies

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