Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(36): 1929
DOI: 10.1055/s-2006-949188
Editorial | Schwerpunkt Viszeralmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Viszeralmedizin - Zukunft der Gastroenterologie und Viszeralchirurgie?

Visceral medicine: the future of gastroenterology and visceral surgery?M. P Manns1 , 2 , M. Krüger1 , 3
  • 1Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Zentrum Innere Medizin, Medizinische Hochschule Hannover
  • 2Tagungspräsident, Präsident DGVS 2006
  • 3Kongress-Sekretär Endoskopie
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Publication History

Publication Date:
07 September 2006 (online)

Der Wandel des deutschen Gesundheitssystems und die gesundheitsökonomischen Zwänge bedingen vielfältige Veränderungen im klinischen Alltag. Unter Einsatz von organisatorischen, technischen und personellen Ressourcen richten derzeit Krankenhäuser aller Versorgungsstufen Viszeral- oder Bauchzentren ein. Hierbei steht zunächst im Vordergrund, klinische Abläufe zu optimieren, um dadurch einen bessere Koordination und letztlich Kostenersparnis zu erzielen. Allerdings wird mancherorts das Bauchzentrum als wichtiges Marketinginstrument im Konkurrenzkampf der Kliniken eingesetzt, ohne den eigentlichen Zielen gerecht zu werden. Mit der Einrichtung eines Viszeralzentrums wird im wesentlichen das bisher bestehende Konsiliarsystem durch neue Strukturen ersetzt und vielfach sogar eine Auflösung traditioneller Abteilungsstrukturen und Bildung krankheitsbezogener Zentren herbeigeführt. Gerade die traditionell engen fachlichen Überschneidungen zwischen Gastroenterologie und Viszeralchirurgie erlauben, in diesen neuen Strukturen Viszeralmedizin nicht nur in der Form eines gemeinsamen Auftretens von Gastroenterologen und Chirurgen am Patientenbett, sondern als Umsetzung gemeinsam erarbeiteter Diagnose- und Therapiepläne zu etablieren. Die Viszeralmedizin integriert hierzu die Expertise zahlreicher Disziplinen (z. B. Pathologie, Klinische Chemie, Mikrobiologie, diagnostische und interventionelle Radiologie, Strahlentherapie, psychologische Medizin und Anästhesie) mit dem Ziel, eine problemorientierte, individuell-angepasste Diagnostik und Therapie durchzuführen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht nicht nur die adäquate Durchführung notwendiger diagnostischer und therapeutischer Verfahren der Primärversorgung des Patienten, sondern gewährleistet auch die optimale Therapie möglicher Komplikationen. Diese interdisziplinäre Abstimmung kann am besten im Rahmen eines viszeralmedizinischen Zentrums erfolgen, welches die Umsetzung Evidenz-basierter Diagnose- und Therapiepläne erleichtert, und bei konsequenter Umsetzung ermöglicht, das individuelle Therapieergebnis zu verbessern, Doppeluntersuchungen und unnötige Wartezeiten zu vermeiden und nicht zuletzt Komplikationen zu verringern. Nur hierdurch kann eine Verbesserung der Patientenversorgung und Optimierung des individuellen Behandlungsergebnisses bei gleichzeitiger Einsparung von Ressourcen erzielt werden, wodurch unter DRG-Abrechnungsbedingungen letztlich auch die Erlössituation optimiert werden kann. Entscheidende Voraussetzung hierzu stellen nicht nur eine ausreichende Fallzahl, eine hohe Effektivität, sondern insbesondere eine optimale Qualität der Versorgung dar. Eine Voraussetzung hierfür ist natürlich auch eine menschlich intakte Zusammenarbeit vor Ort, die dem individuellen Patienten eine kompetente Behandlung vor Ort „aus einem Guss” vermittelt. Das vorliegende DMW-Schwerpunktheft hat das zukunftsweisende Thema „Viszeralmedizin” aufgegriffen. Anhand einer Kasuistik wird beispielhaft ein individualisiertes viszeralmedizinisches Therapiekonzept im klinischen Alltag geschildert. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Darstellung der interdisziplinären Diagnostik- und Therapie-strategie beim Rektumkarzinom. Das Heft wird abgerundet durch Darstellungen der beiden Standpunkte „Viszeralmedizin aus Sicht des Chirurgen” und „Viszeralmedizin aus Sicht des Gastroenterologen”, wobei auch hier deutlich wird, wie entscheidend die eingehende Kenntnis von Pathophysiologie, Molekularbiologie, Prävention und aktueller Forschungsergebnisse für die Umsetzung der Viszeralmedizin im klinischen Alltag ist. Mit dem vorliegenden Heft soll die Diskussion dieses bedeutenden Themenkomplexes aktiviert und auf der gemeinsamen Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)” und der „Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie (DGVC)” im September in Hannover fortgeführt werden, in der Hoffnung, dass sich in einer spannenden Zeit des Umbruchs im Gesundheitswesen diese Veranstaltung als geeignete Plattform moderner Viszeralmedizin erweist.

Prof. Dr. Michael P. Manns

Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Zentrum Innere Medizin Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Straße 1

30625 Hannover

Phone: 0511/532-3305

Fax: 0511/532 48 96

Email: manns.michael@mh-hannover.de

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