Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(41): 2295
DOI: 10.1055/s-2006-951369
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Leserbriefe
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Therapie der Hypertonie im Alter

Zum Beitrag in DMW 30/2006F. P Meyer
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Publication Date:
11 October 2006 (online)

In seinem Artikel stellt Trenkwalder [3] fest: „Die Kontrolle der Hypertonie im Alter ist insgesamt unbefriedigend, ...”. Meines Erachtens ist das nicht verwunderlich, da die therapierenden Ärzte ständig mit Erfolgszahlen „bombardiert” werden, die so unglaubwürdig sind, dass alle anderen Aussagen dann ebenfalls nur misstrauisch wahrgenommen werden. In Tab. 3 des Beitrags werden die Ergebnisse zweier Meta-Analysen zur Hochdrucktherapie im Alter vorgestellt. Dabei erfährt der Leser wieder außerordentlich hohe Erfolgsquoten zwischen 13 und 39 %. Direkt unter der Tabelle steht dann noch: „Absolut gesehen ist der Nutzen der Blutdrucksenkung im Alter hoch.”

Bei genauerem Hinsehen wird allerdings deutlich, dass Trenkwalder lediglich die - ohne Kontextinformationen - völlig irrelevanten Werte der relativen Risikoreduktion (RRR) vermittelt hat, ohne das allerdings offen zu legen. Im Gegenteil - es ist sogar von einem absoluten Nutzen die Rede. In der nachfolgenden Tabelle (Tab. [1]) habe ich die Zahlen von Trenkwalder eingesetzt (RRR-Werte) und durch die für den Arzt relevanten Werte von ARR, NNT und NTN ergänzt, die mit geringer Mühe errechnet werden können. An den NTN-Werten kann man ablesen, wie viele Patienten erfolglos therapiert werden, damit bei einem Patienten ein Ereignis vermieden wird. Man erkennt deutlich, dass der tatsächliche Benefit viel niedriger liegt - zwischen 0,9 % und 4,6 %.

Tab. 1 Meta-Analysen zur Hochdrucktherapie im Alter (nach Trenkwalder 3; ergänzt mit ARR-, NNT- und NTN-Werten). Ereignis RRR % ARR % NNT n NTN n Staessen und Mitarbeiter 2 Schlaganfälle 30 1,5 67 66 Kardiovaskuläre Ereignisse 26 2,6 38 37 Koronare Ereignisse 23 1,1 91 90 Kardiovaskuläre Mortalität 18 0,9 111 110 Gesamtmortalität 13 1,2 83 82 Gueyffier und Mitarbeiter 1 Schlaganfälle 34 3,2 31 30 Kardiovaskuläre Ereignisse 22 4,6 22 21 Herzinsuffizienz 39 3,2 31 30 RRR = Relative Risikoreduktion (von Trenkwalder 3 in seiner Tab. 3 als negative Werte angegeben, ARR = Absolute Risikoreduktion ( = Ereignisreduktion), NNT = „number needed to treat” (100 dividiert durch ARR), NTN: „number treated needlessly” (NNT minus 1)

Das bedeutet keineswegs, dass Hypertonie nicht behandelt werden sollte! Aber es ist auch viel Zeit vorhanden, um differentialdiagnostische Überlegungen anzustellen und differentialtherapeutische Prioritäten zu setzen - was bei älteren multimorbiden Patienten von besonderer Bedeutung ist. Ich denke, wenn Meinungsbildner Ergebnisse weniger industrienah darstellen würden, wäre allen geholfen - vor allem den Patienten.

Literatur

  • 1 Gueyffier F, Bulpitt C, Boissel J P. et al . Antihypertensive drugs in very old people: a subgroup meta-analysis of randomised controlled trials.  Lancet. 1999;  353 793-796
  • 2 Staessen J A, Gasowski J, Wang J G. et al . Risks of untreated and treated isolated systolic hypertension in the elderly: meta-analysis of outcome trials.  Lancet. 2000;  355 865-872
  • 3 Trenkwalder P. Therapie der Hypertonie im Alter.  Dtsch Med Wochenschr. 2006;  131 1675-1678

Prof. Dr. Frank P. Meyer

Magdeburger Straße 29

39167 Groß Rodensleben

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