Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: S126-S128
DOI: 10.1055/s-2006-955050
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Therapieoptionen bei offenem Foramen ovale (PFO)

Options in the management of persistent ductus arteriosus after an ischemic strokeR. Haberl1
  • 1Abteilung für Neurologie, Klinikum Harlaching, Städtisches Klinikum München GmbH
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Publication History

eingereicht: 16.11.2005

akzeptiert: 18.5.2006

Publication Date:
06 November 2006 (online)

Einleitung

Patienten mit kryptogenen ischämischen Schlaganfällen, d. h. Insulten ohne eindeutig zuschreibbare Ursache, weisen in etwa 40 % ein offenes Foramen ovale (PFO) [1] auf. In der Allgemeinbevölkerung findet sich bei etwa 25 % ein PFO [2]. In epidemiologischen Studien fanden sich weitere Faktoren, die scheinbar in Verbindung mit einem PFO das Risiko für ein ischämisches Ereignis erhöhen z. B.: so atriale Septumaneurysmen, atriale Vulnerabilität und paroxysmales Vorhofflimmern sowie Migräne und ererbte Koagulopathien, z. B. Prothrombin G20210A-Mutationen und Faktor V-Leiden.

Allerdings ist selbst der häufig postulierte Zusammenhang des PFO mit kryptogenen Schlaganfällen nicht eindeutig belegt. Eine Assoziation kann nur indirekt gefolgert werden, z. B. daraus, dass Patienten mit kryptogenem Schlaganfall mittels TEE (transösophageale Echokardiographie) häufiger ein großes PFO und Zeichen zerebraler Embolien aufweisen [3]. Da mit zunehmender Größe des PFO die Gefahr paradoxer Embolien zunimmt, kann dies als Hinweis auf ein erhöhtes Schlaganfallrisiko gedeutet werden (Abb. [1]).

Abb. 1 Auftreten von Schlaganfällen und TIAs in Abhängigkeit von Defekten des atrialen Septums (nach 6).

Dazu wurde in retrospektiven Studien untersucht, ob bei Schlaganfallpatienten ein PFO die Gefahr von Rezidiven erhöht. Erneute Schlaganfälle wurden in einer Größenordnung von 1,2 - 1,9 % pro Jahr beobachtet; erfasste man auch TIAs, stieg die Ereignisrate auf 3,4 - 3,8 % [4] [5]. War zusätzliche ein atriales Septumaneurysma diagnostiziert worden, erhöhte sich die jährliche Inzidenz der Schlaganfälle auf 4 - 5 % [5].

In der einzigen prospektiven Studie hierzu wurden die oben genannten Zahlen bestätigt [6]; über 4 Jahre wurde bei 2,3 % der Patienten mit PFO ein erneuter Schlaganfall diagnostiziert. Allerdings wies in dieser Studie die Kontrollgruppe ohne PFO und atriales Septumaneurysma (ASA) bereits eine relativ hohe Schlaganfallrate von 4,2 % auf. Ein signifikant erhöhtes Risiko für einen erneuten Schlaganfall fand sich hingegen bei Patienten mit PFO und atrialem Septumaneurysma: Hier stieg die Rezidivrate trotz ASS-Therapie auf 15,2 % an (Abb. [2]).

Abb. 2 Auftreten eines erneuten Schlaganfalls innerhalb von 4 Jahren in Abhängigkeit vom Ausgangsbefund (nach 5).

Die orale Antikoagulation kann unter der Annahme, dass der Schlaganfall aufgrund einer primären venösen Thrombose erfolgte, als Therapieoption bei Schlaganfallpatienten mit PFO erwogen werden. Die einzige randomisierte Studie hierzu erfolgte in einer Subgruppe der WARSS-Studie (Warfarin Aspirin Recurrent Studie). PICSS (Patent Foramen Ovale Cytogenic Stroke Studie) untersuchte, wie sich eine Warfarin-Therapie im Vergleich zu ASS bei Patienten mit PFO auswirkt. Hierzu wurden Patienten erfasst, die eine transösophageale Echokardiographie nach Schlaganfall erhalten hatten. Bei 42 % waren kryptogene Schlaganfälle aufgetreten, bei 38,7 % lakunäre, bei den übrigen Patienten lagen andere eindeutige Schlaganfallursachen vor. Die Studienteilnehmer erhielten entweder ASS 325 mg oder Warfarin mit einer Ziel-INR von 1,4 bis 2,8 (Mittelwert 2,04). Die Rezidivrate über 2 Jahre lag in der ASS-Gruppe bei 17,9 % und in der Warfarin-Gruppe bei 9,5 %. Der Unterschied war nicht signifikant.

Ein interventioneller Verschluss (chirurgisch oder katheterinterventionell) wird im Einzelfall bei Schlaganfallpatienten mit kombiniertem PFO und ASA, rezidivierenden paradoxen Embolien unter oraler Antikoagulation oder sehr großen Rechts-Links-Shunts durchgeführt. Während der Verschluss des PFO katheterinterventionell in etwa 98 % der Fälle gelingt, liegen zu den Rezidivraten nach Eingriff nur Beobachtungsdaten vor, die jährliche Insultraten von im Mittel 2,6 % (0 % - 4,6 %) beschreiben [7] [8]. Prospektive Studien hierzu laufen zur Zeit.

Tab 1 Ergebnisse der Studien zum perkutanen Verschluss des PFO (nach 2 9 10 11. Studie n Follow Up (Jahre) Wiederholter Schlaganfall + TIA Schlaganfall Schwere Komplikationen Bridges 1992 36 0,6 11 % 0 % - Ende 1996 10 2,6 0 % 0 % - Hung 2000 28 2,5 7 % 0 % - Sievert 2001 281 1 3,2 % 0,7 % - Beitzke 2001 162 1,6 1,9 0 - Butera 2001 35 1 0 % 0 % 0 % Wahl 2001 152 1,6 4,6 % 0,6 % 0 % Bruch 2002 66 3,5 0 0 0 % Martin 2002 110 2,3 2,7 % 0,9 % 5,4 % Du 2002 18 2,2 0 % 0 % - Braun 2002 276 1,2 2,9 0 % 1,8 % Bruch 2002 66 1,7 0 % 0 % - Onorato 2003 256 1,6 0 % 0 % - Windecker 2004 150 2,1 7,8 %* 2.1 %* 6 % Schuchlenz 2005 167 2,6 1,2 % 0,6 % 7,8 % Wahl 2005 - PFO 220 2,3 4,8 %* 2,6 %* 3,2 % - PFO + ASA 141 2,5 5,0 %* 0,7 %* 0,7 % * hochgerechnet auf 4 Jahre

Nicht indiziert ist die Okkludertherapie bei PFO und Lakunenbildung (zerebrale Mikroangiopathie), Schlaganfall aufgrund intermittierenden oder permanenten Vorhofflimmerns, Aortenbogenatheromatose (Aortic Arch Disease), arteriellen Dissektionen sowie Schlaganfällen bei jungen Patienten mit metabolischen bzw. genetischen Erkrankungen. Studien zum Einsatz der Okkludertherapie bei Migräne laufen zur Zeit, so dass hierzu im Moment keine Empfehlung ausgesprochen werden kann.

Ein Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen PFO und Schlaganfall existiert nicht, ein PFO per se impliziert nach heutiger Studienlage nur ein geringes Risiko für Schlaganfallrezidive. Bei Patienten mit PFO und konkurrierenden Schlaganfallursachen sollte daher gründlich erwogen werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass das offene Foramen ovale Ursache des Schlaganfalls war. Möglicherweise kann ein PFO durch assoziierte Risikofaktoren das Schlaganfallrisiko signifikant erhöhen. Dies gilt wahrscheinlich für Schlaganfallpatienten mit PFO plus ASA (atriales Septumaneurysma); zu weiteren Assoziationen stehen aber noch entsprechende Untersuchungen aus. Die laufenden Studien, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, verlaufen aufgrund der schwierigen Patientenrekrutierung äußerst schleppend.

Konsequenz für Klinik und Praxis

  • Bei asymptomatischem PFO ohne zerebrovaskuläres Ereignis sollten keine medikamentösen Maßnahmen ergriffen werden; nach zerebrovaskulärem Ereignis sind Thrombozytenaggregationshemmer (100 - 300 mg ASS) ausreichend.

  • Nach einem Rezidiv unter ASS oder bei PFO plus atrialem Septumaneurysma sollte eine orale Antikoagulation eingeleitet werden.

  • Die Antikoagulation sollte über drei bis sechs Monate erfolgen, da keine Evidenzen für die Notwendigkeit einer lebenslangen Antikoagulation vorliegen.

  • Nur bei einem weiteren Rezidiv oder Kontraindikation für Marcumar sollte ein interventioneller oder operativer PFO-Verschluss erwogen werden.

Autorenerklärung: Der Autor erklärt, dass er keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma hat, deren Produkte in diesem Artikel eine Rolle spielen (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

Literatur

  • 1 Lechat P, Mas J L, Lascault G. Prevalence of patent foramen ovale in patients with stroke.  NEJM. 1988;  318 1148-1152
  • 2 Homma S, Sacco R L, Di Tullio M R, Sciacca R R, Mohr J P. for the Cryptogenic Stroke Study (PICSS) investigators . Effect of medical treatment in stroke patients with patent foramen ovale. Patent foramen ovale in cryptogenic stroke study.  Circulation. 2002;  105 2625-2631
  • 3 Steiner M M, Di Tullio M R, Rundek T. et al . Patent Foramen Ovale Size and Embolic Brain Imaging Findings Among Patients With Ischemic Stroke.  Stroke. 1998;  29 944-948
  • 4 Bogousslavsky J, Garazi S, Jeanrenaud X. et al . Stroke recurrence in patients with patent foramen ovale: The Lausanne study.  Neurology. 1996;  46 1301-1305
  • 5 Mas J L, Zuber M. Recurrent cerebrovascular events in patients with patent foramen ovale, atrial septal aneurysma, or both and cryptogenic stroke or transient ischemic attack.  Am Heart J. 1995;  130 1083-1088
  • 6 Mas J L, Arquizan C, Lamy C. et al . Recurrent cerebrovascular events associated with patent foramen ovale, atrial septal aneurysm, or both.  NEJM. 2001;  345 1740-1746
  • 7 Bauriedel G, Skowasch D, Jabs A. et al . Therapieoptionen bei symptomatischem offenen Foramen ovale: Eine aktuelle Bestandsaufnahme katheterinterventioneller Verfahren.  Dtsch Arztebl. 2003;  100 A2230-2235
  • 8 Khairy P, O’Donnell C P, Landzberg M J. Transcatheter closure versus medical therapy of patent foramen ovale and presumed paradoxical thromboemboli.  Ann Intern Med. 2003;  139 753-760
  • 9 Windecke S, Wahl A, Nedeltchev K. et al . Comparison of medical treatment with percutaneous closure of patent foramen ovale in patients with cryptogenic stroke.  J Am Coll Cardiol. 2004;  44 750-758
  • 10 Schuchlenz H W, Weihs W, Berghold A. et al . Secondary prevention after cryptogenic cerebrovascular events in patients with patent foramen ovale.  Int J Cardiol. 2005;  101 77-82
  • 11 Wahl A, Krumsdorf U, Meier B. et al . Transcatheter treatment of atrial septal aneurysm associated with patent foramen ovale for prevention of recurrent paradoxical embolism in high-risk patients.  J Am Coll Cardiol. 2005;  45 377-380

Prof. Dr. Roman Haberl

Abteilung für Neurologie, Klinikum Harlaching, Städtisches Klinikum München GmbH

Sanatoriumsplatz 2

81545 München

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