Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(49): 2797
DOI: 10.1055/s-2006-957190
Korrespondenz | Correspondence
Leserbrief
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Diagnostische und therapeutische Eingriffe bei Patienten mit antithrombotischer Medikation: Was ist zu beachten?

Zum Beitrag aus DMW 17/2006V. Klauss, M. Spannagl
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Publication Date:
29 November 2006 (online)

Die Autoren diskutieren in ihrem Artikel [7] das alltägliche klinische Problem der Unterbrechung einer gerinnungs- und/oder plättchenhemmenden Therapie bei Patienten, die sich diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen unterziehen. Prospektive randomisierte Studien zur Beantwortung des Problems sind nicht zu erwarten. Vorgehensweisen basierend auf Expertenrat und den Erfahrungen vor Ort spielen daher eine große Rolle im Management solcher Situationen. Klar ist, dass vor allem für Patienten in den kritischen Phasen einer Gefäßerkrankung eine individualisierte Vorgehensweise erforderlich ist.

Derzeit höchste Aufmerksamkeit verdient das Management nach Stentapplikation im arteriellen Gefäßsystem. Die besondere Problematik liegt im Auftreten seltener, aber schwerwiegender Stentverschlüsse nach Implantation von Medikamenten-freisetzenden Stents (DES) [1] [2] [3]. So wurde auf dem aktuellen Europäischen Kardiologen Kongress in Barcelona die Gefahr einer Stentthrombose, die vor allem durch Absetzen einer thrombozytenhemmenden Therapie mit Clopidogrel herbeigeführt wird, als eines der wichtigsten Themen diskutiert [4]. Bekanntermaßen sind diese Stentthrombosen mit einer hohen Mortalität und Morbidität verbunden.

Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion ist der Artikel von Rosenfeldt et al. sehr zu begrüßen, jedoch können wir nicht alle Empfehlungen unterstützen. In dem o. a. Artikel wird u. a. als Konsequenz für die Klinik und Praxis (S. 986) empfohlen, bei einer notwendigen Unterbrechung einer Thrombozytenfunktions-hemmenden Therapie ein „Bridging” mit niedermolekularen Heparinen in Hochrisikoprophylaxisdosis durchzuführen. Eine Thrombozytenhemmung kann jedoch nicht durch den Einsatz direkter oder indirekter Gerinnungshemmstoffe ersetzt werden. Das haben bereits die früheren Studien belegt, die Thienopyridine (Ticlopidin, Clopidogrel) mit Vitamin-K-Antagonisten nach Stent-Implantation verglichen haben und katastrophale Ergebnisse bei nicht ausreichender Thrombozytenhemmung zeigten [5].

Eine differenzierte Vorgehensweise ist auch bei der gegenteiligen Konstellation-Indikation für Gerinnungshemmstoffe - erforderlich. Die Hemmung der plasmatischen Gerinnung mit direkten oder indirekten Inhibitoren kann nicht einfach durch Plättchenhemmstoffe ersetzt werden. Kürzlich ist die ausführliche Publikation zur Active-W-Studie erschienen, die 2005 vorzeitig abgebrochen wurde [6]. Die Studie verglich eine sog. duale Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel im Vergleich zu einer Antikoagulanzientherapie mit Warfarin. Der Grund zum vorzeitigen Abbruch war eine im Vergleich zur oralen Antikoagulation verdoppelte Anzahl ischämischer zerebraler Ereignisse bei den Risikopatienten, die mit der Zweierkombination aus ASS und Clopidogrel behandelt wurden. Das heißt, auch für überbrückende Maßnahmen sollte die Gerinnungshemmung beibehalten werden, allerdings mit kurz wirksamen Wirkstoffen wie Heparinen oder direkten Thrombininhibitoren.

Zusammengefasst hat sich in den letzten Jahren das bewährte Konzept der Plättchenhemmung bei „high shear-” (hohen Scherkräften) und der Gerinnungshemmung bei Blutströmung mit niedriger Geschwindigkeit erneut bestätigen lassen. Für unsere Patienten bedeutet das, auch in Überbrückungsphasen mit kurz-wirksamen Wirkstoffen das plättchen- oder gerinnungshemmende Konzept beizubehalten.

Literatur

  • 1 Kaluza G L, Joseph J, LEE J R, Raizner M E, Raizner A E. Catastrophic outcomes of noncardiac surgery soon after coronary stenting.  J Am Coll Cardiol. 2000;  35 1288-1294
  • 2 Wilson S H, Fasseas P, Orford L O. et al . Clinical outcome of patients undergoing noncardiac surgery following coronary stenting.  J Am Coll Cardiol. 2003;  42 234-240
  • 3 Kaiser C, Brunner-La Rocca H P, Buser P T. et al; BASKET Investigators . Incremental cost-effectiveness of drug-eluting stents compared with a third-generation bare-metal stent in a real-world setting: randomised Basel Stent Kosten Effektivitats Trial (BASKET).  Lancet. 2005;  366 921-929
  • 4 Joner M, Finn A V, Farb A. et al . Morphologic predictors of drug eluting stent thrombosis in man (Abstract).  Eur Heart J. 2006;  27 154
  • 5 Leon M B, Baim D S, Popma J J. et al . A clinical trial comparing three antithrombotic-drug regimens after coronary-artery stenting. Stent Anticoagulation Restenosis Study Investigators.  N Engl J Med. 1998;  339 1665-1671
  • 6 Connolly S, Pogue J, Hart R. et al . Clopidogrel plus aspirin versus oral anticoagulation for atrial fibrillation in the Atrial fibrillation Clopidogrel Trial with Irbesartan for prevention of Vascular Events (ACTIVE W): a randomised controlled trial. ACTIVE Writing Group on behalf of the ACTIVE Investigators.  Lancet. 2006;  367 1903-1912
  • 7 Rosenfeldt M T. et al . Diagnostische und therapeutische Eingriffe bei Patienten mit antithrombotischer Medikation: Was ist zu beachten?.  Dtsch Med Wochenschr. 2006;  131 982-986

Priv.-Doz. Dr. med. V. Klauss

Kardiologie, Medizinische Poliklinik - Innenstadt, Klinikum der Universität München

Ziemssenstraße 1

80336 München

Email: klauss@med.uni-muenchen.de

Priv.-Doz. Dr. med. M. Spannagl

Hämostaseologie, Medizinische Klinik - Innenstadt, Klinikum der Universität München

Ziemssenstraße 1

80336 München

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