Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(51/52): 2898-2903
DOI: 10.1055/s-2006-957219
Weihnachtsheft

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

W. A. Mozart: Seine Krankheiten und sein Tod

Ein pathographischer Beitrag zum Mozart-Jahr 2006W. A. Mozart: His illness and deathA pathographical contribution to the Mozart year 2006C. Franzen1
  • 1Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universität Regensburg
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Publication Date:
12 December 2006 (online)

Am 5. Dezember 1791 verstarb kurz nach Mitternacht im „Kleinen Kaiserhaus” in der Rauhensteingasse in Wien Wolfgang Amadeus Mozart, dessen Geburtstag sich am 27. Januar dieses Jahres zum 250. Mal jährte. Das damalige Haus steht nicht mehr, doch am heutigen Gebäude erinnert eine Gedenktafel an Mozarts Tod (Abb. [1]). Einer der begnadetsten Musiker aller Zeiten wurde nur 35 Jahre alt, und somit sind Mozarts Krankheiten und sein früher Tod ein Thema, das seit jeher vor allem auch Mediziner beschäftigt hat.

Abb. 1 Gedenktafel am Kaufhaus Steffl in der Rauhensteingasse 8 in Wien. Hier stand früher das „Kleine Kaiserhaus” in dem Mozart von September 1790 bis zu seinem Tod am 5.12.1791 wohnte.

Zahlreiche Pathographen haben sich mit Mozarts Krankengeschichte befasst [4] [5] [6] [7] [10] [11] [12] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [21] [22] [23] [25] [26] [27] [28] und aus der umfangreichen Familienkorrespondenz [24], in der vor allem Leopold Mozart über akute und zum Teil auch ernsthafte Erkrankungen bei seinem Sohn berichtet, eine ausführliche Anamnese rekonstruiert:

In den ersten sechs Lebensjahren ist über Krankheiten nichts bekannt. Seit dem sechsten Lebensjahr zusammen mit dem Vater ausgedehnte Konzertreisen durch ganz Europa (Abb. 2). Mit sechs, sieben und acht Jahren mehrfach Kartarrhe, häufiger Zahnschmerzen, mit sechs Jahren ein Erythema nodosum und Gelenkbeschwerden, mit neun Jahren vermutlich Typhus abdominalis, ein Jahr später erneut ein fieberhafter Infekt mit Gelenkschmerzen und mit elf Jahren Pocken. Im weiteren mehrfach fieberhafte Infekte. Mit 14 Jahren Erfrierungen an den Händen. Weiterhin mehrfach Zahnschmerzen und gelegentlich fieberhafte Infekte. Mit 28 Koliken und mit 34 erneut „rheumatische” Beschwerden. Mit 35 finale Erkrankung und Tod.

Abb. 2 Leopold Mozart mit Wolfgang und Nannerl während eines Konzertes. Lavierte Bleistiftzeichnung von Louis Carrogis de Carmontelle, Paris 1763 (Musée Carnevalet, Paris).

Dies ist eine für das ausgehende 18. Jahrhundert nicht ungewöhnliche Krankengeschichte, jedoch ohne klare Hinweise auf ein chronisches Leiden [3]. Stattdessen muss festgehalten werden, dass schon der junge Mozart, trotz der anstrengenden Konzertreisen durch ganz Europa, erstaunlich leistungsfähig und kreativ war und es bis zu seinem frühen Tod geblieben ist.

Vor allem um diesen frühen Tod ranken sich zahlreiche Legenden, und die, dass ein eigenartig gewandeter „Grauer Bote” eine Totenmesse für einen anonymen Auftraggeber bestellte, was Mozart in seinen Todesahnungen bestärkte, hat der Legendenbildung weiter Nahrung gegeben. Heute wissen wir, dass der „Graue Bote” der Gutsverwalter Anton Leitgelb war, der im Auftrag von Franz Graf von Walsegg-Stuppach ein Requiem bestellte, das der exzentrische Graf als sein eigenes Werk zum Andenken an seine verstorbene Frau ausgeben wollte und auch tatsächlich am 14. Dezember 1793 und am 14. Februar 1794 aufführte.

Über die genaue Ätiologie von Mozarts finaler Erkrankung herrscht Uneinigkeit. Im Totenbeschau-Buch steht: „Am 5 ten. Mozart:: Wohledler Hl: Wolfgang Amadeus, k. k. Kapellmeister und Kammer Compositeur, verh..:von Salzburg gebürtig, ist im kleinen Kaiserh: No. 970 in der Rauhensteingasse, an hizigem Frieselfieber bht: worden alt 36 J.” und zwei weitere, fast identische Eintragungen finden sich im Todesbuch der Wiener Pfarrei St. Stephan (Abb. [3]) und im Sterberegister der Domkanzlei [8]. Darüber hinaus existieren keine weiteren echten primären Quellen. Wer die Diagnose „hitziges Frieselfieber”, die auch in den Wiener Zeitungen jener Tage als Todesursache genannt wurde, gestellt hat, ist unklar (Abb. [4]). Alle übrigen Aussagen zu Mozarts Tod sind erst mehr als 30 Jahre später aufgeschrieben worden, und die so unvermeidlich auftretenden Unsicherheiten in der Erinnerung sind nur allzu verständlich. Die meisten Angaben zu Mozarts finaler Erkrankung stammen von seiner Frau Constanze und ihrer Schwester Sophie Haibel, die jedoch beide von den frühen Biografen erst nach Jahrzehnten befragt worden sind, und deren laienhafte Ausdrucksweise die Interpretation der Krankengeschichte zusätzlich sehr erschwert hat. Aus ihren Schilderungen geht hervor, dass Mozart an einer akuten fieberhaften Erkrankung mit entzündlich geschwollenen Gelenken und Schwellungen der Gliedmassen, starken Glieder- und Kopfschmerzen, Schweißausbrüchen und Erbrechen litt, jedoch bis kurz vor seinem Tod bei Bewusstsein war. Diese Symptome allein reichen für eine Diagnosestellung sicherlich nicht aus.

Abb. 3 Aus dem Totenbuch der Pfarrei St. Stephan, 6. Dezember 1791:

Den 6ten Xbris.

Mozart Der Titl Herr Wolfgang Amadeus

3te Claß Mozart k. k. Kapellmeister und

Pfarre Cammer Compositeur, in der Rauchen-

St:Steph. steingassen im kl: Kaiserhaus Nro

970, an hizigem Friesel Fieber be-

schaut, alt 36 Jr.

Im Freydhof a. St. Marx

T: 8f 56 kr. Bezahlt . . . . . . . . . . .....................4,36. 4,20.

Wagen f 3,-

Abb. 4 Aus der Wiener Zeitung, 7. Dezember 1791.

Gerüchte um Mozarts Tod tauchten schon kurze Zeit später auf, und bereits nach einer Woche, am 12. Dezember 1791, berichtete das in Berlin erscheinende „Musikalische Wochenblatt” unter Berufung auf Korrespondentenberichte aus Prag über den Verdacht, Mozart sei vergiftet worden, „weil sein Körper nach dem Tode schwoll”. Die These des Giftmords nahm ihren Anfang und ist bist heute nicht aus der Welt zu räumen.

Zahlreiche Personen sind verdächtigt worden, Mozarts Tod herbeigeführt zu haben, und aus dem Umfeld Mozarts kamen mehrere Personen in Betracht, denen aufgrund ihrer Stellung, ihres Charakters und/oder ihrer Beziehung zur Familie Mozart ein Motiv unterstellt werden konnte (Tab. [1]). Einer weit verbreiteten Legende nach galt der Kapellmeister und Komponist Antonio Salieri lange Zeit als minderbegabter Neider Mozarts, was Anfang des 19. Jahrhunderts zu seiner Verteidigung durch den italienischen Journalisten Giuseppe Carpani und den Komponisten Sigismund von Neukomm führte. Carpani beauftragte 1824 den angesehenen Wiener Arzt Dr. Eduard Vinzenz Guldener von Lobes, der Mozart als Patient jedoch nie selber gesehen hatte, ein ärztliches Gutachten zu Mozarts Tod anzufertigen. Guldener von Lobes, dessen Informationen wohl von Mozarts Ärzten stammten, berichtet von „rheumatisch-entzündlichem Fieber” und „den gewohnten Symptomen einer Hirnentzündung”. Diese Diagnosen entsprechen jedoch sicher nicht dem, was wir heute darunter verstehen, und ihre genaue Bedeutung ist unklar. Da Mozarts behandelnde Ärzte, sein Hausarzt Dr. Thomas Franz Closset und der konsiliarisch hinzugezogene Dr. Mathias Edler von Sallaba, die beide zu den Repräsentanten der damals fortschrittlichsten medizinischen Schule in Europa zählten, keine Aufzeichnungen hinterlassen haben, ist das Gutachten von Guldener von Lobes das einzige ärztliche Urteil über Mozarts Tod, und obwohl es erst 32 Jahre nach seinem Tod verfasst worden ist, verdient es besondere Beachtung. Eine Vergiftung Mozarts wird von Guldener von Lobes aber ausdrücklich ausgeschlossen.

Tab. 1 Mordtheorien und bezichtigte Mörder (nach 12). Verdächtigte Stellung/Funktion Motive Antonio Salieri Hofkapellmeister Neid und Mißgunst Baron Gottfried van Swieten Hofbibliothekar er habe versucht bei Mozart eine Syphilis, mit einem quecksilberhaltigen Therapeutikum aus dem Vorrat seines Vaters zu kurieren, wozu ihm aber jegliche Befugnis fehlte Franz Hofdemel Hofkanzlist Mozart soll mit Magdalena, der Ehefrau von Franz Hofdemel, die seine Klavierschülerin war, ein Verhältnis gehabt haben Dr. Closset, Dr. Sallaba Mozarts Ärzte Vertuschung eines Behandlungsfehlers Franz Xaver Süßmayer Mozarts Schüler, Chordirigent in Baden potenzieller Liebhaber Constanzes und möglicher Vater von Mozarts letztem Sohn Constanze Ehefrau Mozart steht ihrer Beziehung zu Süßmayer im Wege Michael Puchberg Gläubiger Mozarts Wut über die ausstehenden Schulden Graf Franz von Walsegg-Stuppach Auftraggeber des Requiems wollte das Requiem als sein Werk ausgeben und verhindern das dies heraus kam Anton Leitgelb „grauer Bote” = Überbringer des Kompositionsauftrags für das Requiem im Auftrag von Graf Franz von Walsegg-Stuppach Freimaurer Fememord, da Mozart geheime Rituale verraten habe

Alexander Pushkins Einakter „Mozart und Salieri” griff die Theorie von der Ermordung Mozarts durch Salieri erneut auf. Nikolai Rimsky-Korsakov machte daraus 1898 eine Oper, die Peter Shaffer in ein Theaterstück (Erstaufführung am 2. November 1979 im National Theatre in London) umwandelte. Dies wurde 1984 die Vorlage für den sehr populären und mit dem Oscar für die beste Regie ausgezeichneten Film „Amadeus” von Milos Forman. Mozart und Salieri begegneten sich jedoch, gleichwohl sie sicherlich Konkurrenten waren, eher kollegial als feindlich gesinnt, und in den Quellen finden sich auch keine wirklichen Hinweise auf eine Rivalität der beiden Komponisten, so dass die Musikgeschichte Salieri inzwischen rehabilitiert hat.

Unter Verdacht gerieten des weiteren der Kanzleibeamte und Logenbruder Franz Hofdemel, mit dessen Frau Magdalena Mozart eine Affäre gehabt haben soll, und der einen Tag nach Mozarts Tod seine schwangere Frau mit einem Rasiermesser angriff und dann Selbstmord beging, Mozarts Gläubiger Michael Puchberg, der Besteller des Requiems Graf Franz von Walsegg-Stuppach, sowie sein „Grauer Bote” Anton Leitgelb. Gottfried van Swieten, ein Freund und Förderer mehrerer großer Komponisten klassischer Musik, darunter neben Mozart auch Haydn und Beethoven, wurde ebenfalls verdächtigt, da er versucht habe bei Mozart eine Lues mit einem quecksilberhaltigen Therapeutikum aus dem Vorrat seines Vaters Gerard, der der Leibarzt der Kaiserin war, zu kurieren, wozu ihm aber jegliche Befugnis fehlte [23]. Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayer, der mit Constanze ein Verhältnis gehabt haben soll, sowie der Librettist der „Zauberflöte” Emanuel Schikaneder, und sogar Mozarts Ehefrau Constanze wurden ebenfalls verdächtigt. Die Theorie, dass die Freimaurer Mozart ermordet haben, wurde zuerst von Otto Jahn [20] aufgestellt und seit 1928 von der Ärztin Mathilde Ludendorff propagiert. Weitere Mediziner wie Duda, Dalchow und Kerner haben diese These aufgegriffen, und in ihren Büchern legen sie eine Vergiftungstheorie dar, welche auf der „Zauberflöte” beruht. Ihre Beweisführung fußt auf der Zahl 18, die angeblich in der Freimaurerei eine besondere Symbolik haben soll [6] [9]. Die drei Ärzte behaupten, Mozart habe 18 Fakten, die dem Freimaurer-Ritual eigen sind, in der „Zauberflöte” verraten, worauf die Freimaurer beschlossen hätten, Mozart zu vergiften. Diese Theorie ist jedoch nicht sehr schlüssig, zumal die Zahl 18 in der Freimaurerei überhaupt keine Rolle spielt, und auch warum der Librettist der „Zauberflöte”, Emmanuel Schikaneder, ebenfalls ein Fraumaurer, nicht auch ermordet wurde, lässt sich so nicht erklären.

Eine versehentliche Selbstintoxikation durch Quecksilber, das Mozart zur Eigenbehandlung einer Lues von van Swieten bekommen haben könnte (s. o.), wird von einigen Autoren für wahrscheinlich gehalten [23]. Es gibt aber keine klaren Befunde, die für eine solche Intoxikation sprechen [25] [27], und es ist anzunehmen, dass Mozarts Ärzte, die zu den besten und angesehensten der damaligen Zeit gehörten, eine solche sehr wohl erkannt hätten, und es ist auch nicht ersichtlich warum sie eine solche Diagnose hätten verschweigen sollen [10].

Fasst man alle verfügbaren Fakten zusammen, so ergibt sich kein wirklicher Hinweis darauf, dass Mozart vergiftet worden ist. Woran ist er jedoch dann gestorben? Die von den Medizinern vorgeschlagenen Diagnosen sind mannigfaltig, und es ist verwunderlich, dass die Pathographen, obwohl sie sich im Wesentlichen alle auf die gleichen Quellen stützen, zu so unterschiedlichen Diagnosen kommen. Duda hat 1994 79 mögliche Todesursachen aufgelistet [9] und der Salzburger Paläontologe Gottfried Tichy hat eine „Hitliste” der am häufigsten genannten Diagnosen aufgestellt (Tab. [2]) [32].

Tab. 2 Mögliche Todesursachen und Anzahl der Autoren, die die jeweilige Diagnose vorgeschlagen haben (nach 32). Diagnose Anzahl der Autoren Niereninsuffizienz 30 Herzversagen 14 Ärztlicher Behandlungsfehler 12 akute oder chronische Infektion 12 Rheumatisches Fieber 9 Intoxikation (Mord oder versehentliche Selbstintoxikation) 8 Arthritis 6 Angeborene Missbildung 4 Morbus Basedow 1

Am häufigsten wird die These der terminalen Niereninsuffizienz vertreten [2] [14] [15] [16] [17] wobei jedoch über die Ursache hierfür bislang keine Einigkeit erzielt werden konnte. Die Verfechter der Vergiftungstheorie halten Quecksilber oder ein anderes Gift für die Ursache [6] [9] [23], wohingegen andere Pathographen in den häufig rezidivierenden Infekten der Kindheit den Auslöser für eine chronische Niereninsuffizienz mit finaler Urämie sehen [14] [15] [16] [17]. Zahlreiche Mozart-Portraits (Abb. [5] und Abb. [6]) werden hier als zusätzliche Beweise herangezogen, und die Autoren wollen aus den geschwollenen Augenliedern und den gedunsenen Gesichtszügen typische Befunde einer Niereninsuffizienz herauslesen.

Abb. 5 Ausschnitt aus einem unvollendeten Ölgemälde von Mozarts Schwager Josef Lange, vermutlich 1782/1783 (Internationale Stiftung Mozarteum, Salzburg).

Abb. 6 Photogravur (Stahlstich) von Johann August Eduard Mandel, Berlin 1858 nach einer Silberstiftzeichnung von Doris Stock, 1789 (Internationale Stiftung Mozarteum, Salzburg).

In den gleichen Portraits werden aber auch Hinweise auf andere Krankheiten gefunden, und der finnische Internist Sederholm glaubt an einen Morbus Basedow [31]. Die großen, etwas hervorstehenden Augen, ihr feuchter Glanz, der starre Blick und die Schwellung der oberen Augenlieder auf dem bekannten unvollendeten Ölgemälde von Mozarts Schwager Joseph Lange (Abb. [5]) wurden als Zeichen für eine Hyperthyreose gedeutet. Ähnlich wurde auch die Silberzeichnung der Dresdener Radiererin Dorothea Stock aus dem Jahre 1789 (Abb. [6]) interpretiert, und tatsächlich scheinen einige bei Mozart beschriebene Wesenszüge wie seine Agilität, die motorische Unruhe sowie sein ständiges Herumspielen mit irgendwelchen Gegenständen für eine Hyperthyreose zu sprechen, wohingegen über andere typische Symptome wie Abmagerung oder Haarausfall nichts bekannt ist.

Namhafte Pathographen nehmen ein Rheumatisches Fieber als Todesursache an [1] [28]. Der Begriff („febbre rheumatico inflammatoria”) taucht erstmals in dem Gutachten Guldener von Lobes auf, doch war damit zu Beginn des 19. Jahrhunderts sicherlich nicht dieselbe Krankheit gemeint, die wir heute darunter verstehen. Im Wesentlichen scheinen die Symptome Mozarts finaler Erkrankung zu einem rheumatischen Fieber zu passen, doch die klassischen Diagnosekriterien nach Jones sind nicht erfüllt, und ob die von Mozart während seiner Kindheit durchgemachten Erkrankungen mit Gelenkbeteiligung wirklich rheumatisch bedingt waren ist fraglich.

Als direkte Todesursache wird in dem Gutachten Guldener von Lobes eine Absetzung im Kopfe („deposito alla testa”) genannt, und zuvor wird von „den gewohnten Symptomen einer Hirnentzündung” gesprochen, was später oft als Hirnhautentzündung gedeutet worden ist, doch die genaue Bedeutung dieser Formulierungen ist bis heute umstritten.

Die Diskussion des sogn. Mozart-Ohres (eine angeborene Anomalie der Ohrmuschel, die bei Mozarts Sohn Franz-Xaver und auch bei Mozart selbst vorgelegen haben soll [30]), hat zu der Überlegung geführt, Mozart habe an einem angeborenen Missbildungssyndrom mit polyzystischen Nieren und einem Berry-Aneurysma des Circulus Willisii gelitten, was letztendlich zu Nierenversagen bei Zystennieren oder zu einer Subarachnoidalblutung bei Ruptur des Aneurysmas hätte führen können [25].

Andere in die Diskussion gebrachte Diagnosen wie das Schönlein-Henoch-Syndrom, eine seltene, in Schüben verlaufende Erkrankung, die durch Infektionen oder Medikamente ausgelöst wird, und die bei Mozart zu einer chronischen Glomerulonephritis geführt habe, so dass Mozart schließlich an einer zerebralen Hämorhagie und Bronchopneumonie gestorben sei [7] oder eine Trichinose, weil Mozart in einem Brief an Constanze wenige Wochen vor seinem Tod seine Vorliebe für Schweinefleisch erwähnt [18], werden vorwiegend in Fachkreisen diskutiert.

Auch akute Infektionen wurden als Todesursache vorgeschlagen [10] [11]. Doch obwohl Mozart während seines Lebens zahlreiche Infektion durchlitt, die sein Vater teilweise sehr genau beschrieben hat, und von denen einige wie die Typusinfektion 1765 in Holland, an der er und seine Schwester Nannerl beinahe verstorben wären, und die Pockeninfektion 1767 auch sehr bedrohlich waren, ist nicht klar ob eine akute Infektion an seiner finalen Erkrankung beteiligt war. Einige Pathographen sehen in der überlieferten Diagnose „hitziges Frieselfieber” Hinweise auf eine infektiöse Ursache, und in dem bereits erwähnten Gutachten Guldener von Lobes ist von einer Epidemie die Rede, an der mehre Einwohner Wiens erkrankt seien, für die es im Wiener Sterberegister von 1791 jedoch keinerlei Hinweise gibt [1]. Einige Infektionskrankheiten wie z. B. eine Lues (s. o.) können nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, wohingegen für andere wie z.B Tuberkulose oder Trichinose keine wirklich überzeugenden Hinweise vorliegen.

Mozarts Schwägerin Sophie Haibel hat gegenüber Nissen den Verdacht geäußert „Mozart sey in seiner Krankheit nicht zweckmäßig genug behandelt worden” [30]. Damals übliche Therapien bestanden unter anderem in der Verabreichung von Brechstein und in Aderlässen. Solche Maßnahmen, auch wenn ihre Anwendung nicht zweilfelsfrei belegt ist, hätten sich sicherlich nicht positiv auf den Krankheitsverlauf ausgewirkt und sind möglicherweise für den Tod mit verantwortlich. Es muss jedoch angemerkt werden, dass solche Maßnahmen nur bei Vorliegen von Krankheitssymptomen Anwendung fanden, und aus den vorliegenden Quellen ist auch ohne diese Maßnahmen auf eine ernsthafte Erkrankung zu schließen.

Der Versuch, diese finale Todeskrankheit Mozarts zu diagnostizieren, muss jedoch angesichts der marginalen Quellenlage fehlschlagen, denn viele der vermeintlichen Fakten stammen zum größten Teil aus Berichten, die erst Jahrzehnte später aufgeschrieben worden sind.

Nach seinem Tod wird Mozart ohne familiäres Geleit auf dem Friedhof St. Marx vor den Toren Wiens in einem Schachtgrab (keinem Massengrab wie oft behauptet wird) mit vier bis fünf weiteren Leichen beigesetzt. Die Umstände der Beerdigung haben der Legendenbildung weiter Nahrung gegeben. Vielfach ist fälschlicherweise von einem Armenbegräbnis die Rede (welches kostenlos gewesen wäre), das ohne Begleitung bei Sturm und Regen stattgefunden haben soll (was nach den damaligen Wetteraufzeichnungen gar nicht zutrifft). Vielmehr war die von van Swieten bestellte Zeremonie ein Begräbnis dritter Klasse für 11 Gulden, 56 Kreuzer, das zur damaligen Zeit 85 % aller Wiener Bürger erhielten und das den damaligen, aus spätjosephinischer Zeit stammenden Begräbnisvorschriften entsprach. Hiernach durften die Toten erst nach Einbruch der Dunkelheit zu den Friedhöfen gefahren werden und dort frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes in Schachtgräbern zusammen mit anderen Verstorbenen beerdigt werden, weshalb es auch nicht üblich war, dass Angehörige oder Freunde der Bestattung beiwohnten. Auch das Aufstellen eines Grabsteins war nicht üblich [1]. Wieso Constanze jedoch erst 1808, siebzehn Jahre nach dem Tode ihres Mannes, den Weg zum Friedhof St. Marx nahm, ist schwer verständlich. Dort erfuhr sie, dass der damalige Totengräber Joseph Rothmeyer die Gräber zwischenzeitlich umgegraben hatte, so dass die genaue Grabstelle nicht mehr zu lokalisieren war. 1859 wurde an der vermeintlichen Stelle ein Grabmal errichtet, weil aber prominente Tote in Ehrengräber auf den Zentralfriedhof umgebettet wurden, verbrachte die Stadt Wien auch das Mozart-Denkmal zum 100. Todestag des Komponisten dorthin. Der Friedhofswärter Alexander Kugler schmückte die nun wieder freie Stelle mit einem aus Überresten anderer Grabdenkmäler zusammengestellten Denkmal (Abb. [7]). So präsentiert sich die vermeintliche Grabstätte Mozarts, deren genaue Lokalisation wir nicht kennen, noch heute, so wie wir auch die genaue Todesursache wohl nie erfahren werden.

Abb. 7 Mozart-Grab auf dem Wiener Friedhof St. Marx. Da Mozart in einem Schachtgrab ohne Grabkreuz mit vier bis fünf weiteren Leichen beigesetzt wurde, ist die genaue Lage des Begräbnisplatzes nicht bekannt. Der Friedhofswärter Alexander Kugler schmückte die vermeintliche Stelle des Schachtgrabes mit einem aus Überresten anderer Grabdenkmäler zusammengestellten Denkmal: Ein trauernder Engel mit erloschener Fackel beweint Mozart. (Foto Wolfgang Schmidt).

Literatur

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  • 26 Ludewig J, Ludewig R. Zur medizinischen Bedeutung des letzten Mozart-Porträts.  Z ärztl Fortbild. 1992;  86 297-300
  • 27 Ludewig R, Rudolph I. Zu den Diskussionen über die letzten Autographen von W. A. Mozart.  Z Menschenkunde. 1992;  56 229-243
  • 28 Neumayr A. Musik und Medizin am Beispiel der Wiener Klassik,. Pichler Verlag, Wien 1995
  • 29 Niemetschek F X. Lebensbeschreibung des k. k. Kapellmeisters W. A. Mozart. Prag 1797/1808
  • 30 Nissen G. Biographie W. A. Mozart. Leipzig 1828 (Nachdruck 1964).
  • 31 Sederholm C G. Ist Mozart an Morbus Basedow gestorben?.  Ciba Symposium. 1959;  7 224-228
  • 32 Tichy G. Mozarts unfreiwilliges Vermächtnis. Der genius musicae aus unbekannten Perspektiven. Bouvier Verlag, Bonn 1998

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