Fortschr Neurol Psychiatr 1989; 57(12): 544-550
DOI: 10.1055/s-2007-1001151
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lern- und Gedächtnisstörungen bei fokalen zerebralen Gewebsläsionen

Memory and Learning Disturbances in Focal Cerebral Tissue LesionsD.  von Cramon , N.  Hebel
  • Städtisches Krankenhaus Bogenhausen, Abt. f. Neuropsychologie
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Publication Date:
09 January 2008 (online)

Abstract

Memory and learning in man depend on complex cognitive systems, and thus on efficient associative information stores in different neocortical areas of our brain. In addition, phylogenetically older, ,,limbic" brain structures are needed, in order to manage these huge associative stores in our telencephalon. This ,,operating system" manages memory and learning capabilities considering the "milieu interne", and especially biological and individual priorities.

Our contribution attempts to sketch the anatomical outlines of this limbic operating system. Two interdependent neuronal networks may be of pivotal importance:

1. a medial limbic loop with Papez circuit as the main structure, and

2. a basolateral limbic loop including the amygdala, the subcallosal area (and the septum verum?) as well as the mediodorsal thalamic nucleus.

Based on the anatomical evidence of (largely) selective, i. e. focal brain lesions the likelihood for all these relay stations as memory-related structures is discussed.

Our working hypothesis assumes that combined, bilateral lesions of both limbic neuronal networks make severe, global and lasting deficits in memory and learning performance fairly likely. The lesion of only one of these limbic loops seems to cause modality-specific deficits. Unilateral lesions of the retrocommissural hippocampal formation may also account for lasting amnesia.

Zusammenfassung

Lern- und Gedächtnisleistungen des Menschen setzen komplexe kognitive Systeme voraus, die ohne leistungsfähige assoziative Informationsspeicher in verschiedenen neokortikalen Arealen nicht vorstellbar sind. Dennoch bedarf es wohl stammesgeschichtlich älterer, ,,limbischer" Hirnstrukturen, um die riesigen assoziativen Speicher in unserer Großhirnrinde unter Berücksichtigung des ,,milieu interne", d. h. biologischer und individueller Prioritäten ,,betreiben" zu können. Störungen dieses Betriebssystems werden sich generell auf die Encodierung und Wiedergabe von Informationen, im besonderen aber auf die Lernfähigkeit auswirken.

Der Beitrag versucht das ,,limbische Betriebssystem" in seinen bis heute erkennbaren anatomischen Umrissen zu skizzieren. Dabei scheinen zwei neuronale Netzwerke von herausragender Bedeutung zu sein:

1. eine mediale limbisehe Schleife, deren Kernstück der Papezsche Ring ist und

2. eine basolaterale limbisehe Schleife, deren Hauptstrukturen der Mandelkern, die Area subcallosa (und das Septumverum?) sowie der Nucleus dorso-medialis thalami zu sein scheinen.

Anhand dei von selektiven Himläsionen ableitbaren anatomischen Evidenz werden die einzelnen Relaisstationen der beiden limbisehen Nervennetze diskutiert.

Es wird eine Arbeitshypothese vorgestellt, die davon ausgeht, daß die kombinierte Läsion beider limbiseher Nervennetze mit hoher Wahrscheinlichkeit zu schweren, globalen und bleibenden Beeinträchtigungen von Lern- und Gedächtnisleistungen beim Menschen führt. Die Läsion nur eines limbisehen Nervennetzes scheint dagegen modalitätsspezifische, zumeist temporäre Leistungseinbußen zur Folge zu haben. Unilaterale Schädigungen der retrocommissuralen Hippocampusformation scheinen allerdings auch persistierende (z. B. verbale) Lern- und Gedächtnisstörungen zu verursachen.

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