Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1984; 19(3): 124-128
DOI: 10.1055/s-2007-1003426
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erfassung aktueller Erlebnisinhalte von beatmeten Patienten auf der Intensivstation

Studies on the Psychic Situation of Ventilated Patients in Intensive-Care MedicineH.-J. Hannich
  • Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. P. Lawin)
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Publication Date:
22 January 2008 (online)

Zusammenfassung

Ausgehend von der Kritik an Untersuchungen, die die psychische Situation von Beatmungspatienten auf der Intensivstation durch eine retrospektive Befragung erfassen, wird ein methodischer Ansatz zur Beschreibung des aktuellen psychischen Befindens von Intensivpatienten vorgestellt.

Es wird die Sammlung der schriftlichen Äußerungen von Beatmungspatienten, ihre Kategorisierung und sprachinhaltsanalytische Auswertung als geeignete Forschungsmethode vorgeschlagen.

Auf diesem Wege werden in einem ersten Schritt 470 schriftliche Mitteilungen von Intensivpatienten zusammengetragen und von unabhängigen Beurteilern einem Kategoriesystem zugeordnet. Danach werden die emotionalen Erlebnisäußerungen der beatmeten Patienten mit Hilfe eines Verfahrens zur Messung des Grades von Aggressivität und Angst analysiert. Die Ergebnisse lassen Aussagen zum aktuellen Erleben der Intensivbehandlung auf Seiten der Beatmungspatienten zu: sie zeigen, daß der Patient während seines Aufenthaltes auf der Intensivstation in seiner Wahrnehmung primär auf den eigenen Körper konzentriert ist. Gleichzeitig besteht ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Kommunikation und Information. Aggressive Regungen sind vor allem gegen die eigene Person gerichtet in Form von Selbstvorwürfen und Selbstkritik. An Ängsten herrschen vor allem diffuse Ängste, Verletzungs- und Todesängste vor. Sie sind ebenso als psychische Reaktion auf die vitalbedrohliche Erkrankung zu werten wie die ebenfalls feststellbaren Störungen des Selbstwertgefühls.

Das Erleben von Beatmungspatienten entspricht dem anderer schwerkranker Patienten, spezifische Reaktionsmuster für diese Patientengruppe sind nicht feststellbar.

Summary

Studies which retrospectively deal with the psychic situation of the intensive care patient are criticised and a methodological approach is introduced to describe the actual psychic state of these patients. As an appropriate method of research we suggest to collect written pronouncements, to categorise them and to evaluate them by means of content analysis. Thus, in a first step, 470 written pronouncements of ICU patients are collected and rated. Afterwards emotional expressions are analysed by means of a procedure measuring the degree of anxiety and aggression. The results permit a description of the actual psychic situation of the ventilated patient. They reveal that the patient is primarily concentrated on his own physical condition. Likewise there is an extended need for communication and information.

Aggressive impulses are mostly directed against the own self as evidenced by self-reproaches and self-criticism. Anxieties mainly include diffuse fears, fears of being injured and fears of dying. Like the disturbance of self-confidence they can be considered as a psychic reaction to the lifethreatening disease. The reactions of ventilated patients are similar to those of critically ill but not ventilated patients. Specific reactions due to ventilation cannot be observed in this group of patients.

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