Dtsch Med Wochenschr 1998; 123(34/35): 1001-1004
DOI: 10.1055/s-2007-1024111
Kasuistiken

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Subkutane Manifestationen eines zentrozytischen Non-Hodgkin-Lymphoms an Injektionsstellen eines Mistelpräparats

Subcutaneous appearance of a centrocytic Non-Hodgkin lymphoma at the site of injection of a mistletoe preparationW. Hagenah, I. Dörges, E. Gafumbegete, T. Wagner
  • Medizinische Klinik I (Direktor: Prof. Dr. H. L. Fehm), Institut für Pathologie (Direktor: Prof. Dr. A. Feller) der Medizinischen Universität zu Lübeck
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Publication Date:
25 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Anamnese und klinischer Befund: Ein 73jähriger Patient mit einem vor 5 Jahren erstdiagnostizierten zentrozytischen Non-Hodgkin-Lymphom stellte sich mit subkutan gelegenen Knoten im Bereich der Bauchdecke vor, die sich genau an den Stellen gebildet hatten, wo zuvor regelmäßig ein Mistelpräparat injiziert worden waren. Der Patient berichtete, die Knoten fünf Wochen nach Beginn der Mistelinjektionen erstmalig bemerkt zu haben, woraufhin er diese Therapie abbrach und sich 2 Wochen später in unserer Ambulanz vorstellte. Bis auf die sichtbaren und gut palpablen Tumoren im Bereich der vorderen Bauchwand waren am gesamten Körperstamm und an den Extremitäten außerhalb der Lymphknotenstationen keine weiteren subkutanen Knoten zu tasten. Die erkennbaren zervikalen Lymphome sowie die Schwellung der Kopfschwarte und der Unterlippe bestanden nach Angaben des Patienten schon länger.

Untersuchungen: Im Blutbild war eine T-Lymphozytopenie auffällig, die Aktivität der Lactatdehydrogenase war mit 255 U/l erhöht. Die sonographisch nachweisbaren subkutanen Knoten im Bereich der vorderen Bauchwand stellten sich in der Computertomographie des Abdomens als weichteilisodense Strukturen mit Durchmessern bis zu 5 cm dar. Histologisch konnte in einem exzidierten Knoten eine Infiltration durch das bekannte zentrozytische Lymphom nachgewiesen werden.

Therapie und Verlauf: Nach Beendigung der Misteltherapie zeigten sich trotz systemischer Progredienz des Lymphomleidens keine neuen subkutanen Infiltrate außerhalb der Lymphknotenstationen. Der Patient erkrankte 6 Wochen nach Absetzen der Mistelinjektionen an einer beidseitigen Pneumonie und starb.

Folgerung: Es bestehen Hinweise, daß hohe Konzentrationen von Mistelpräparaten im Subkutangewebe wachstumsfördernd auf Zellen eines zentrozytischen Lymphoms, die im Rahmen einer leukämischen Ausschwemmung in das Subkutangewebe gelangen, wirken. Es wäre denkbar, daß dieser proliferative Stimulus durch eine hohe lokale Konzentration von Interleukin-6, das aus der Haut durch Mistellektine freigesetzt wird, vermittelt wird.

Abstract

History and clinical findings: A 73-year-old man, first diagnosed as having centrocytic Non-Hodgkin lymphoma 5 years previously, presented with subcutaneous nodes of the abdominal wall at precisely the sites of previous regular injections of a mistletoe preparation. These nodes had first appeared 5 weeks after the first injection. Injections were stopped and he reported to the out-patient clinic. Except for the visible and easily nodes in the anterior wall no other subcutaneous nodes were palpated. Prominent cervical lymphomas and swelling of the epicranial aponeurosis and lower lip had, according to the patient, been present for some time.

Investigations: There was a T-lymphocytopenia, lactate dehydrogenase activity was raised to 255 U/l. The subcutaneous nodes in the anterior abdominal wall were also demonstrated by ultrasound. Computed tomography showed them as having the density of connective tissue and being up to 5 cm in diameter. The excised nodes histologically revealed to be infiltrations by the centrocytic lymphoma.

Treatment and course: Once the mistletoe injections had been discontinued no further subcutaneous infiltrates were seen despite the progression of the lymphoma. Six weeks later the patient died of bilateral pneumonia.

Conclusion: There are pointers that high concentrations of mistletoe preparations subcutaneously injected can have a growth-promoting action on cells of a centrocytic lymphoma. As part of a leukaemic »wash-out«, these cells reach the subcutaneous tissue. This proliferative stimulus may have been mediated by a high local concentration of interleukin-6 liberated from the skin by mistletoe lectins.

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