manuelletherapie 2007; 11(3): 98-99
DOI: 10.1055/s-2007-963340
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial - Bericht vom WCPT-Kongress in Vancouver

L. Jörger, J. Langendoen- Sertel, F. Morrison
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Publication Date:
17 July 2007 (online)

Zum 15. Mal wurde der 4-jährliche Kongress des Physiotherapeuten-Weltverbands WCPT organisiert. Vom 2. - 6. Juni trafen sich mehr als 3000 Teilnehmer aus 90 % aller WCPT-Mitgliedsländer im kanadischen Vancouver ([Abb. 1]). Diese moderne Stadt, bekanntlich eine der schönsten der Welt, ist allein schon eine Reise wert. Die herausragende Lage des Ausstellungs- und Kongresszentrums als Veranstaltungsort auf dem Pier Canada Place am Coal Harbour von Downtown Vancouver ist wohl nicht zu überbieten.

Abb. 1 Lothar Jörger, Fiona Morrison, John Langendoen-Sertel (v. l. n. r.).

Vor allem aber war das Programm wie bereits in Barcelona 2003 hervorragend.

An 4 Tagen fanden von 8.30 - 18.00 Uhr nonstop 10 Parallelveranstaltungen zu verschiedenen Themenbereichen statt: Ausbildung, elektrophysikalische Anwendungen, Bewegungslehre, Neurologie, muskuloskelettal, Pädiatrie, kardiopulmonär, politische Berufsthemen, Gynäkologie, Outcome measures, Trainingsphysiologie, Sportphysiotherapie, der ältere Mensch, Onkologie, Prävention und dazu noch separate Symposien und Workshops.

Alle eingesandten Vorträge waren aufwendig elektronisch verarbeitet und von einem Heer von Reviewern begutachtet worden. Letztendlich waren ca. 1400 Beiträge im Angebot. Muskuloskelettal war unterteilt in Basiswissenschaften, Reha nach Endoprothetik, Manuelle Therapie, untere Extremität, Knie, vorderes Kreuzband, HWS, LWS und Schulter. Die persönliche Entscheidung, welche Vorträge man besuchen wollte, konnte nur nach vorherigem ausführlichen Programmstudium erfolgen. Am besten arbeitete man dabei in Teams und verteilte sich! Zum Glück ließen sich sofort CDs mit den Vortragsblöcken erwerben.

Zusätzlich gab es von 7.00 - 8.00 Uhr ein sportliches Frühangebot: Jogging, Yoga/Pilates oder Tai-Chi bzw. ein variables Rahmenprogramm mit einer Alaska-Kreuzfahrt als Highlight.

Der Kongress bot gerade auch für Manualtherapeuten viel Wissenswertes, absolut vergleichbar mit dem spezifischen Manuelle-Therapie-Kongress der IFOMT (bitte vormerken: 7. - 15.6.2008, NL-Rotterdam). Die zahlreichen Referate führender Manualtherapeuten über den aktuellen Wissensstand der manualtherapeutischen Kenntnisse waren besonders für Physiotherapeuten mit allgemeiner Ausrichtung sehr informativ. Das betraf sowohl ganz grundlegende Erkenntnisse als auch sehr raffinierte Verfahren, wie z. B.:

Wie weit lateral entfernt ist der thorakale Proc. transversus vom Proc. spinosus (M. Geelhoed USA)? Bisher ist als Erklärung für mehr Flexibilität sofort nach Stretching nur Toleranzsteigerung nachgewiesen (L. Harvey, Australien). Botulinum-Infiltration im M. vastus lateralis erleichtert signifikant die Rehabilitation beim Piriformis-Syndrom (K. Singer, Australien). Eine frühere Rekrutierung des M. transversus abdominis kann durch gezieltes Training schnell erlernt werden und ist tatsächlich für die Funktionsverbesserung der dominante Outcome-Faktor (H. Tsao, Australien). Die unterschiedlichen spannungsarmen alternierenden Armbewegungen sind zur Behandlung des Karpaltunnelsyndroms quantifiziert (M. Coppieters, Australien). Der quantitative Effekt (EMG) verschiedener Pezziball-Übungen auf verschiedene Muskelgruppen (R. Escarrilla, USA). Die besten Tests zur klinischen Diagnostik einer SLAP-Läsion (D. Walton, Kanada). Zusatzbewegungen nach Maitland sind zwar einfach zu erlernen (D. Shirley, Australien), die spätere Ausführung aber sehr (zu!) variabel, und leider gibt es viele unterschiedliche Meinungen und Interpretationen der Bewegungsgrade (S. Snodgrass, Australien). Endlich ist eine grundlegende Diskussion über Sinn und Unsinn randomisierter kontrollierter Studien in Gang gekommen. Damit zukünftig auch Kliniker mehr Einfluss auf den Entwurf nehmen können, wurde ein Fragenbogen zusammengestellt. Jeder OMTler ist hiermit eingeladen, seine Empfehlungen und Wünsche einzutragen (Abb. 2, bitte auf A4 Hochformat Vorder- und Rückseite kopieren, ausfüllen, scannen und mailen an: Langendoen@t-online.de).

Abb. 2 Prioritäten für zukünftige klinische Studien zu physiotherapeutischen Maßnahmen bei muskuloskelettalen Problemen.

Des Weiteren bot der WCPT die Möglichkeit, alte Freunde und Bekannte wiederzutreffen und neue Leute kennenzulernen. Überwiegend war immer wieder die eigene Arbeit das Thema, und der Erfahrungsaustausch stand im Vordergrund.

Als eine Subgruppe des WCPT war außerdem der IFOMT mit einem eigenen Informationsstand, diversen Meetings und zahlreichen Delegierten der 20 Mitgliedsorganisationen (MOs) und registrierten Interessensgruppen (RIGs) vertreten. Es boten sich unzählige Gelegenheiten des fachlichen Austauschs über die Ländergrenzen hinweg. So war z. B. zu erfahren, dass in Pretoria/Südafrika die Kostenträger auf die Manualtherapeuten zugingen, um die Kosten für (teils unnötige) neurochirurgische Operationen zu reduzieren. Ein anderes vom IFOMT in die Wege geleitetes sehr interessantes Thema war die Subgroup Education Session über Testen, Forschung und klinische Aspekte der A. vertebralis.

Dem Kongress waren mehrere Tage intensiver Arbeitsbesprechungen der verschieden WCPT-Untergruppen vorangegangen. Eine Besonderheit dabei war die erstmalig gemeinsame 2-tägige Klausur des IFOMT-Vorstands und seines Standard Committees. In engem Austausch wurden die Politik und die Leitlinien zur weiteren Qualitätssicherung der Manualtherapie als weltweites „Markenzeichen” fortentwickelt.

Die Kongressatmosphäre war vom Motto „neugierig sein, zuhören, diskutieren und sich weiterentwickeln” geprägt. Der Wille zur gemeinsamen Weiterentwicklung und Unterstützung auch benachteiligter Regionen oder Länder war das unbedingte Anliegen bei der Strategieplanung der IFOMT.

Lothar Jörger, IFOMT Executive
John Langendoen-Sertel, Mitglied IFOMT Standards Committee
Fiona Morrison, DFAMT-Delegierte

URL: http://lothar-physiotherapie-joerger.de

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