Rofo 2007; 179(12): 1282-1284
DOI: 10.1055/s-2007-963564
Der interessante Fall

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Darmperforation bei Lawinenunglück: Stellenwert der MSCT bei der Erstversorgung

S. Jaromi, W. W. Krampla, W. Hruby
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eingereicht: 14.5.2007

angenommen: 11.9.2007

Publication Date:
29 October 2007 (online)

Einleitung

Über die typischen Verletzungsmuster von Lawinenunglücksopfern existiert bisher sehr wenig Literatur (Grosse AB et al., Skeletal Radiol 2007; 36: 515 - 521, Strohm PC et al., Unfallchirurg 2003; 106: 343 - 347, Rostrup M et al., Tidsskr Nor Laeforen 1993; 113: 1100 - 1102). Eine schnelle und sorgfältige radiologische Aufarbeitung ist jedoch unerlässlich für eine adäquate und prompte Patientenversorgung.

Winterbergsport, vor allem auf ungesicherten Hängen (Skitourenfahrer, Bergsteiger und Variantenfahrer), fordert häufig Opfer durch Lawinenunglücksfälle, während die Zahl der Toten durch Lawinenkatastrophen, dank permanenter Verbauungen, Lawinenzonenplänen, verbesserter Lawinenwarnungen und Lawinensprengungen massiv zurückgegangen ist. Die Gesamtletalität von Lawinenopfern beträgt laut Berichten des Schweizer Instituts für Schnee- und Lawinenforschung rund 23 % (Eidgenössisches Institut für Schnee und Lawinenforschung. Winterberichte. Davos (Switzerland) 1981 - 1998; 46 - 62). Letalitätsraten unterscheiden sich je nach Ausmaß der Verschüttung (vollständig oder nur teilweise verschüttete Opfer) und betragen ca. 50 % bei vollständiger Verschüttung. Die Zeit bis zur Bergung ist für die Überlebenschance von wesentlicher Bedeutung (Strohm PC et al., Unfallchirurg 2003; 106: 343 - 347).

Bei Einlieferung eines Lawinenopfers in den unfallchirurgischen Schockraum, sind die gleichen Untersuchungsalgorithmen anzuwenden wie bei jedem Polytrauma. Diese richten sich sowohl nach dem individuellen klinischen Erscheinungsbild wie auch nach möglichen aber nicht unmittelbar manifesten Verletzungen. Die MSCT hat sich in den vergangenen Jahren als die Methode der Wahl beim polytraumatisierten Patienten erwiesen (Boehm T et al., Fortschr Röntgenstr 2004; 176: 1734 - 1742). Die Überlegenheit der initialen MSCT gegenüber konventioneller Bildgebung und Sonografie wurde in dieser Arbeit dargelegt. Es existieren in der Literatur keine strengen Richtlinien zur Durchführung einer MSCT bei Lawinenopfern. Im vorliegenden Fall wurde eine solche bei der Erstversorgung auch nicht durchgeführt, was vermuten lässt, dass der Wert der MSCT bei Polytraumata/Lawinenopfern noch nicht hundertprozentig umgesetzt wird, obwohl diese eine detailliertere und konsistentere Information im Vergleich zu konventionellen Methoden ermöglicht (Hessmann MH et al., Acta Chir Belg 2006; 106: 500 - 507).

Bei Lawinenopfern treten am häufigsten muskuloskelettale Verletzungen auf. Hierbei handelt es sich um Frakturen der Wirbelsäule und des Beckens, Rippen- und Sternumfrakturen, Frakturen der oberen und unteren Extremität sowie Kontusionen und Distensionen von Gelenken. Weitaus weniger häufig auftretende Verletzungen sind Kopf- und Thoraxverletzungen sowie Verletzungen der parenchymatösen Oberbauchorgane durch ein stumpfes abdominelles Trauma oder Erfrierungen/Unterkühlung. Bei Kopfverletzungen ist das gesamte Spektrum traumatischer Affektionen möglich. Typische Thoraxverletzungen sind Herz- und Lungenkontusionen sowie Pneumothorax. Als Folge einer mangelnden Sauerstoffversorgung sind auch das hypoxische Lungenödem und hypoxische Gehirnschädigungen mögliche lebensbedrohliche Komplikationen, falls diese nicht bereits unmittelbar zum Tode geführt haben. Bei Verdacht auf ein stumpfes abdominelles Trauma ist an eine Verletzung der parenchymatösen Oberbauchorgane zu denken. Eine, wie im vorliegenden Fall, beobachtete Darmperforation ohne andere zusätzlich bestehende intraabdominelle Verletzungen ist ein seltenes, jedoch nicht unbekanntes Verletzungsmuster im Zusammenhang mit Verschüttungen unter Lawinen. So wurden bereits Perforationen des Dünndarmes in diesem Zusammenhang beobachtet und beschrieben (Grosse AB et al., Skeletal Radiol 2007; 36: 515 - 521).

Dr. Silvia Jaromi

Wien

Email: silvia.jaromi@wienkav.at

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