Kardiologie up2date 2007; 3(3): 219-235
DOI: 10.1055/s-2007-966915
Koronare Herzerkrankung und Arteriosklerose

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nutzen der neuen Biomarker für die kardiologische Risikoevaluation

Christoph  Sinning, Stefan  Blankenberg
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Publication Date:
27 September 2007 (online)

Kernaussagen

Biomarker in der Medizin

  • Biomarker dienen in der Medizin hauptsächlich dazu, Risiken abzuschätzen, eine Diagnose zu erreichen oder zu erleichtern, die Therapie besser zu dirigieren oder den Behandlungserfolg zu kontrollieren.

  • Ein Biomarker ist ein Charakteristikum, welches objektiv gemessen und evaluiert, als ein Indikator für normale, biologische Prozesse, pathologische Prozesse oder der pharmakologischen Antwort auf eine therapeutische Intervention gilt.

  • Die Anforderungen an einen neuen Biomarker sind hoch, da dieser nur dann von klinischem Nutzen ist, wenn er akkurat bestimmbar, in einem standardisierten Verfahren reproduzierbar, akzeptabel für den Patienten und einfach zu interpretieren ist. Weiterhin sollten unterschiedliche Ausprägungen/Konzentrationen die Handhabung der Erkrankung verändern und eine hohe Sensitivität und Spezifität vorliegen.

B-Typ-natriuretische Peptide zur Risikoevaluation und Prädiktion von Mortalität und Morbidität

  • Die natriuretischen Peptide BNP bzw. Nt-proBNP werden hauptsächlich bei myokardialer Dehnung wie einer Volumenbelastung im Rahmen einer Herzinsuffizienz freigesetzt. Weiterhin erfolgt die Freisetzung auch in Folge von Ischämien wie Myokardinfarkt, Angina pectoris oder auch Mikroischämien, die selbst nicht von einem Anstieg von Troponin T oder Kreatininkinase begleitet sind. Eingeschränkt wird die Sensitivität durch einen Anstieg von BNP und Nt-proBNP auch bei Herzrhythmusstörungen, Herzklappenerkrankungen, Rechtsherzbelastung und extrakardialen Ursachen.

  • Die kausale Beziehung zwischen der Konzentration der natriuretischen Peptide und kardialen Erkrankungen ist im besonderen Maße von Bedeutung. Mehrere Studien konnten zeigen, dass BNP und Nt-proBNP zur Risikoprädiktion bei Patienten mit Herzerkrankungen, aber auch bei asymptomatischen Strukturveränderungen des Herzens einsetzbar sind.

  • BNP und Nt-proBNP haben in der Notaufnahme in der Diagnostik vor allem in der Differenzialdiagnose der akuten Dyspnoe eine Bedeutung (kardial oder pulmonal) und werden hier klinisch angewendet. Zwar werden die natriuretischen Peptide auch zum Therapiemonitoring bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz eingesetzt, dies erfolgt jedoch gegenwärtig noch ohne wissenschaftliche Evidenz. Die klinische Untersuchung sollte jedoch immer die Grundlage für weitere Diagnostik bilden. Die BASEL-Studie konnte zeigen, dass durch den Einsatz von BNP und Nt-proBNP die Kosten für die Behandlung von Patienten gesenkt werden können.

  • Die Hersteller von 2 der häufig benutzten Testsysteme empfehlen für den Ausschluss einer linksventrikulären Funktionsstörung einen Cut-off-Wert von 100 pg/ml für BNP und 100 bzw. 150 pg/ml für Männer und Frauen für Nt-proBNP.

  • Frauen, Kinder und ältere Menschen weisen erhöhte Werte für die natriuretischen Peptide auf. Dies muss im Rahmen der Diagnosefindung berücksichtigt werden.

  • Nt-proBNP ist im stärkeren Maße als BNP von der Nierenfunktion abhängig. Gerade bei älteren Menschen sollte neben der Bestimmung von Nt-proBNP oder auch BNP zusätzlich die Bestimmung der Nierenfunktionsparameter erfolgen.

  • Nt-proBNP ist aufgrund seiner längeren Halbwertszeit von bis zu 120 Minuten und der Stabilität in Blutproben von bis zu 72 Stunden in Studien, welche das zukünftige kardiovaskuläre Risiko evaluieren, am ehesten geeignet. Nt-proBNP kann aufgrund seiner Stabilität problemlos auch im niedergelassenen Bereich im Alltag bestimmt werden.

  • BNP kann mittels quantitativem und validiertem Schnelltest innerhalb von wenigen Minuten direkt in der Praxis oder der Notaufnahme bestimmt werden.

  • Die Hinzunahme von Nt-proBNP oder BNP in Modelle, welche das zukünftige kardiovaskuläre Risiko errechnen, führt zu einer Erhöhung von Sensitivität und Spezifität dieser Analysen.

C-reaktives Protein zur Risikoevaluation und Prädiktion von Mortalität und Morbidität

  • C-reaktives Protein wird während einer Akute-Phase-Reaktion in der Leber produziert und in die Körperzirkulation abgegeben. Proinflammatorische Zytokine stimulieren die Produktion von CRP. Die Konzentration von CRP ist in starkem Maße von exogenen Faktoren, wie der Prävalenz traditioneller Risikofaktoren, dem Konsum von Alkohol oder häufiger physischer Aktivität abhängig; CRP ist somit ein unspezifischer Marker.

  • Die CRP-Konzentration stellt am ehesten einen Surrogat-Marker für das Vorliegen kardiovaskulärer Risikofaktoren dar.

  • Die Bestimmung von CRP führt weder bei scheinbar gesunden Populationen noch bei Patienten mit atherosklerotischen Erkrankungen zu einer zusätzlichen Information im Rahmen der kardiovaskulären Risikobeurteilung. Modelle, welche die einfachen und behandelbaren Risikofaktoren bereits beinhalten, erfahren durch die Hinzunahme von CRP keine zusätzliche Sensitivität oder Spezifität hinsichtlich der kardiovaskulären Risikoprädiktion.

  • Wegen der geringen Spezifität und der fehlenden Möglichkeit der Behandlung einer isolierten CRP-Konzentrationserhöhung bietet eine Bestimmung der CRP-Konzentration weder für die Diagnose noch Prognose einer kardialen Erkrankung eine zusätzliche Information.

Allgemeine Bemerkungen zur Verwendung und Nutzen von Biomarkern zur Risikobeurteilung von Patienten

  • Für die Evaluation eines neuen Biomarkers ist es nicht nur bedeutsam, eine Erhöhung des relativen Risikos bezüglich eines Endpunkts zu untersuchen, sondern dessen Wertigkeit auch durch weitere Teststatistiken wie Sensitivität, Spezifität, c-Statistik und Analysen der AUC-Fläche zu bestätigen.

  • Untersuchungen von Subgruppen verschiedener Populationen geben Aufschluss, ob unterschiedliche Ausprägungen bezüglich eines Markers vorliegen.

  • Prinzipiell müssen Untersuchungen eines neuen Biomarkers vor dessen Einzug in die klinische Routine bewiesen haben, dass dieser (a) zuverlässig bestimmbar ist, (b) zusätzliche Information zu gegenwärtigen diagnostischen und prognostischen Methoden bietet und (c) das klinische Handeln beeinflussen kann.

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Univ.-Prof. Dr. med. Stefan Blankenberg

II. Medizinische Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie

Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Langenbeckstraße 1

55131 Mainz

Email: blankenberg@2-med.klinik.uni-mainz.de

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