Erfahrungsheilkunde 2007; 56(3): 150-152
DOI: 10.1055/s-2007-968063
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Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Homöopathische Komplexmittel

Studien unterstützen gute ErfahrungEva Merz-Pilligrath
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Publication Date:
27 March 2007 (online)

Immer wieder steht die Homöopathie im Mittelpunkt von Diskussionen, bei denen die Tatsachen leider oft zu kurz kommen. Zu diesen Tatsachen zählt auch, dass es zu Homöopathie und homöopathischen Arzneimitteln bereits eine Reihe positiver Studienergebnisse gibt. Auch die Bevölkerung hat eine gute Meinung von der Homöopathie. Einer aktuellen repräsentativen Umfrage zufolge, die von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erstellt wurde, ist der Begriff Homöopathie rund 75 % aller Deutschen geläufig. Das sind 10 % mehr als noch 1995. Für viele Befragte steht die Homöopathie für eine natürliche und sehr verträgliche Heilmethode, die die Selbstheilungskräfte des Körpers stimuliert. Auch in puncto Wirksamkeit schneidet die Homöopathie in der Meinung der Bevölkerung gut ab. Tatsächlich wurden in der Vergangenheit mehrere umfassende Übersichtsstudien veröffentlicht, die die Wirksamkeit von Homöopathika belegen konnten [1]-[3], [11], [13].

Ein großer Teil der heute angewandten Homöopathika sind Kombinationspräparate. Deren Popularität liegt zum Teil in der einfacheren Anwendbarkeit begründet. Komplexhomöopathika setzen sich aus mindestens zwei verschiedenen homöopathischen Einzelmitteln gleicher oder unterschiedlicher Potenz zusammen. Sie können auch Potenzakkorde eines Stoffes enthalten. Die in ihnen vereinten homöopathischen Wirkstoffe sind so kombiniert, dass sie gegen ein möglichst weit gefasstes Ursachenspektrum einer Erkrankung gerichtet sind. Komplexmittel können daher indikationsbezogen eingesetzt werden. Die Komplexmittelhomöopathie wird manchmal als „Schrotschusstherapie” bezeichnet - zu unrecht. Vielmehr ergänzen sich die einzelnen Bestandteile der Kombinationspräparate. Die Behandlung von komplexen, multikausalen Krankheitsgeschehen ist eine der Domänen der Komplexmittelhomöopathie.

In Übereinstimmung mit den genannten Übersichtsstudien haben Studien z.B. mit Kombinationspräparaten in den vergangenen Jahren die Studienlage in der gesamten Homöopathie verbessert. [Abb. 1] und [2].

Abb. 1: Wasserprüfung beim Herstellungsprozess homöopathischer Arzneimittel

Abb. 2: Herstellvorgang

So konnte beispielsweise in einer randomisierten placebo-kontrollierten Doppelblindstudie die Wirksamkeit von Euphorbium compositum Nasentropfen S bei chronischer Sinusitis belegt werden [18]. Für das „Schwindelpräparat” Vertigoheel liegen zwei randomisierte klinische Doppelblindstudien vor, die die Wirksamkeit belegen. Im Vergleichsarm waren Betahistin beziehungsweise Ginkgo biloba [8], [19]. In einer randomisierten, doppelblinden Äquivalenzstudie erwies sich das Komplexhomöopathikum Zeel comp. bei der Behandlung von leichter bis mittlerer Gonarthrose als ebenso wirksam wie Diclofenac [12]. Von großer klinischer Bedeutung ist auch das Ergebnis einer randomisierten placebo-kontrollierten Studie aus Israel. Sie belegte den Mundschleimhaut schützenden Effekt von Traumeel bei der Behandlung von durch eine Chemotherapie induzierten Stomatitis [14].

Trotz solcher ermutigender Ergebnisse werden bei der Erforschung der Effizienz homöopathischer Interventionen weiterhin auch Beobachtungsstudien und sogenannte Outcome-Studien ein unverzichtbarer Bestandteil eines erstrebten „Evidenz-Mosaiks” bleiben. Denn nur in der Gesamtschau verschiedener Studienmodelle lassen sich die Erfolge homöopathischer Therapie adäquat abbilden.

Neben den Wirksamkeitsbelegen liegen vermehrt auch wissenschaftliche Studien zur Wirkweise homöopathischer Kombinationspräparate vor. So konnten zum Beispiel Bernadette Glatthaar-Saalmüller und Petra Fallier-Becker in einer In-vitro-Studie die antivirale Wirkung von Euphorbium comp. SN belegen [6]. Mit Plaquereduktionstests und weiteren, jeweils virusspezifischen Assays wurde dabei die Wirkung des Komplexhomöopathikums auf verschiedene Erreger von Atemwegsinfektionen geprüft. Dabei zeigte das Präparat eine deutliche antivirale Aktivität gegen das Respiratory-Syncytial-Virus (RSV) und das Herpes-Simplex-Virus Typ 1 (HSV-1). Gegen das Influenza-A-Virus und das Humane Rhinovirus (HRV) konnte demgegenüber keine eindeutige Aktivität festgestellt werden. Als Träger der antiviralen Eigenschaft wurden die Einzelkomponenten Euphorbium resinifera und Pulsatilla pratensis ermittelt.

In einer ähnlich angelegten Studie zeigte eine Autorengruppe um Menachem Oberbaum das antivirale Wirkpotenzial des Erkältungspräparates Engystol (Nasen/Rachen-Infekte) [15]. Dabei wurde die antivirale Aktivität von Engystol auf folgende Erreger von Virusinfektionen bestimmt: Influenza-A-Virus, Respiratory Syncytial Virus (RSV), humanes Rhinovirus (HRV), Herpes-Simplex-Virus Typ 1 (HSV-1), Adenovirus Typ 5 (Adeno-5). Die antivirale Wirkung wurde mit Plaquereduktionstests und Virustitrationstests untersucht sowie durch die Quantifizierung neu synthetisierter viraler Proteine im virusspezifischen ELISA (Enzyme-Linked Immunoabsorbent Assay). Die Tests wurden an konfluenten Monolayern aus unterschiedlichen virussensitiven Zellen durchgeführt. Dabei zeigte Engystol eine ausgeprägte antivirale Wirkung bei Infektionen mit Adeno-5- und HSV-1-Viren. In den ELISAs virusinfizierter Zellen, die nach Infektion mit Engystol behandelt wurden, konnte eine Reduzierung des Adeno-5- und des HSV-1-spezifischen Proteins um jeweils mehr als zwei Drittel beobachtet werden. Eine deutliche antivirale Wirkung wurde bei Infektionen mit RSV und HRV gefunden. Gegen Influenza-A-Viren war Engystol dagegen nicht aktiv.

In einer weiteren In-vitro-Studie identifizierte Heinrich Enbergs die verstärkte Bildung des „immunologischen Schlüsselzytokins” Interferon-γ als zusätzlichen Wirkmechanismus von Engystol, durch den ein immunstimulierender Effekt erzielt wird [4]. Aus Blutproben von 30 zufällig ausgewählten, gesunden Männern (24) und Frauen (6) wurden dazu Lymphozyten isoliert und Engystol in verschiedenen Konzentrationen appliziert. Mithilfe der Methode des Fluorescence Activated Cell Sorting (FACS) wurde der Anteil der Interferon-γ-bildenden Zellen gemessen. Es zeigte sich, dass nach Applikation von Engystol der Anteil der Interferon-γ-bildenden T-Lymphozyten gegenüber den Kontrollproben leicht erhöht war. Dieser Effekt war statistisch signifikant und galt für sämtliche verwendete Konzentrationen des homöopathischen Kombinationspräparates. Der Autor der Studie kommt daher zu dem Schluss, dass Engystol die Zellen des körpereigenen Immunsystems aktiviert. Da bereits die geringste Dosierung eine signifikante Reaktion induzierte, sei von einer hohen Wirksamkeit des Präparates bei der Behandlung von Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten auszugehen.

Eine Hemmung der COX/LOX-Enzymsysteme durch das komplexhomöopathische Arthrosemittel Zeel comp. N belegen In-vitro-Versuche, die René Jäggi in der Schweiz vornahm [9]. Dazu wurde das Präparat in verschiedenen Konzentrationen separat in COX 1 und 2 sowie 5-LOX In-vitro-Assays getestet. Die Tests wurden an isolierten Enzymen sowie an humanen Blutzellen vorgenommen. Das Homöopathikum hemmte dabei die Leukotrienproduktion durch 5-LOX sowie die Prostaglandinsynthese durch die Zyklooxygenasen. Die beiden Isoformen der Zyklooxygenase, COX 1 und COX 2, wurden inhibiert. Damit konnte gezeigt werden, dass die spezifische Kombination von pflanzlichen Inhaltsstoffen in Zeel comp. N die beiden zentralen Enzyme des Entzündungsgeschehens COX und LOX hemmen.

Hinweise auf eine zellschützende Aktivität des homöopathischen Kombinationsmittels Hepeel (bei Leberstörungen) gibt eine Studie von Rolf Gebhardt [5]. In In-vitro-Versuchen wurden die Wirkungen von seriellen Verdünnungen der Pflanzentinkturen der Inhaltsstoffe von Hepeel einzeln und in Kombination auf HepG2-Zellen getestet. Dabei zeigte sich, dass die dem homöopathischen Arzneimittel entsprechende Tinkturen-Kombination und einzelne Bestandteile auf die HepG2-Zellen spezifische antioxidative, antiproliferative und biochemische Wirkungen haben, die auf eine mögliche hepatoprotektive und tumorstatische Wirkung hindeuten.

Für Traumeel S konnte Svetlana Porozov einen antientzündlichen Effekt durch die direkte Beeinflussung von proinflammatorischen Substanzen aufzeigen [16]. Hierfür wurde in vitro die Menge der Zytokine IL-1β, IL-8 und TNF-α, die von aktivierten und nicht-aktivierten humanen T-Zellen, Monozyten und Epithelzellen des Darms jeweils in Gegenwart und Abwesenheit von Traumeel S sekretiert wurde, bestimmt. Das Komplexhomöopathikum zeigte dabei sowohl an aktivierten als auch an nicht-aktivierten Immun- und Darmzellen einen ausgeprägten hemmenden Einfluss auf die Ausschüttung der proinflammatorischen Botenstoffe. Die Hemmwirkung betrug bis zu 80 % und trat bei Traumeel S-Verdünnungen im Bereich von 10-1 bis 10-7 auf.

Wichtige Hinweise auf die Wirkweise des Präparates Vertigoheel gibt schließlich eine Studie, die Rainer Klopp am Berliner Institut für Mikrozirkulation durchführte [10]. An der nicht-randomisierten, offenen, In-vivo-Studie nahmen insgesamt 32 Patienten im Alter von 60 bis 70 Jahren mit leichtem vestibulären Schwindel teil. 16 von ihnen wurden über 12 Wochen mit Vertigoheel behandelt, die Kontrollgruppe blieb im gleichen Zeitraum ohne medikamentöse Therapie. Beide Gruppen erhielten zusätzlich Physiotherapie zur Behandlung der Schwindelattacken. Mithilfe der Intravitalmikroskopie wurden mehrmals über eine hochauflösende Kamera verschiedene Parameter zur Durchblutung aus genau definierten Bereichen der Unterhaut gemessen. Die Messareale befanden sich jeweils auf der Innenseite des linken Unterarms sowie hinter dem linken Ohrläppchen. Bei der Abschlussuntersuchung konnte bei den Patienten, denen das Komplexhomöopathikum verabreicht worden war, eine signifikante Zunahme der blutdurchströmten Knotenpunkte im Netzwerk der Mikrogefäße, ein erhöhter Durchfluss von roten Blutkörperchen sowohl in den Arteriolen als auch in den Venolen, eine Zunahme der Gefäßeigenbewegung (Vasomotion) sowie ein leichter Rückgang des lokalen Hämatokrits nachgewiesen werden. Darüber hinaus nahm bei der Vertigoheel-Gruppe der partielle Sauerstoffdruck in den untersuchten Gewebearealen zu. Zugleich stellte sich im Verlauf der Studie bei diesen Patienten eine deutliche Besserung der Schwindelsymptomatik ein. Demgegenüber gab es in der Kontrollgruppe bei sämtlichen genannten Parametern keine signifikanten Veränderungen, die Schwindelsymptomatik hatte sich tendenziell eher verschlechtert. Das Studienergebnis legt den Schluss nahe, dass das homöopathische Komplexmittel, ähnlich wie Ginkgo biloba, auch bei der Therapie weiterer durchblutungsbedingter Krankheiten eingesetzt werden kann.

Auch wenn die wissenschaftliche Erforschung der Homöopathie heute noch am Anfang steht, so belegen die bisherigen Ergebnisse doch eindrucksvoll, dass von einem Ende der Homöopathie keine Rede sein kann.

In einem weiteren Beitrag zur Komplexmittelhomöopathie in dieser Ausgabe der Erfahrungsheilkunde wird der Einsatz von Kombinationsmitteln am Beispiel bestimmter Indikationen vorgestellt (S. 162).

Literatur

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  • 14 Oberbaum M. et al . A Randomized, Controlled Clinical Trial of the Homeopathic Medication Traumeel in the Treatment of Chemotherapy-Induced Stomatitis in Children Undergoing Stem Cell Transplantaion.  Cancer. 2001;  92 (3) 684-690
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  • 16 Porozov S, Cahalon I, Weiser M, Branski D, Lider O, Oberbaum M. Inhibition of IL-1β and TNF-α Secretion from Resting and Activated Human Immunocytes by the Homeopathic Medication Traumeel® S, in:.  Clinical & Developmental Immunology. 2004;  11 (2) 143-149
  • 17 Sahler A M. Homöopathische Komplexmittel: Ihre historische Entwicklung, ihre Begründer und ihre gegenwärtige Bedeutung. München; Pflaum 2003
  • 18 Weiser M, Clasen B P E. Randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie zur Untersuchung der klinischen Wirksamkeit der homöopathischen „Euphorbium compositum-Nasentropfen S” bei chronischer Sinusitis.  Forsch Komplementärmed. 1994;  1 251-259
  • 19 Weiser M, Strösser W, Klein P. Homeopathic vs Conventional Treatment of Vertigo: A Randomized Double-blind Controlled Clinical Study.  Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 1998;  124 879-885

Korrespondenzadresse

Dr. Eva Merz-Pilligrath

Fachärztin für Allgemeinmedizin-Naturheilverfahren

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