Zeitschrift für Klassische Homöopathie 2007; 51: S5-S19
DOI: 10.1055/s-2007-968131
Originalia

Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Klassische Homöopathie in Deutschland

Rückblick auf die ersten Jahrzehnte eines langen WegesMartin Dinges
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Publication Date:
09 August 2007 (online)

Zusammenfassung

Der unbestreitbare Erfolg des Etiketts „klassische Homöopathie” mag aus heutiger Perspektive nicht erstaunen. Blickt man allerdings zurück und ruft sich den Zustand der Homöopathie in Deutschland um 1950 in Erinnerung, dann war die tatsächliche Entwicklung des letzten halben Jahrhunderts keineswegs so vorhersehbar. In diesem Artikel werden die Anfänge der „klassischen Homöopathie” in Deutschland sowie die weitere Entwicklung bis in die 1970er Jahre dargestellt. Lediglich hinsichtlich der „Zeitschrift für Klassische Homöopathie” wird auch der weitere Weg bis in die jüngste Gegenwart skizziert.

Summary

The enormous success of the label „Klassische Homöopathie” may be self-understanding from our point of view. Looking back to the state of homeopathy in Germany during the 1950s the later development was not that evident. In this article the beginnings of classical homeopathy in Germany are reconstructed until the 1970s. Concerning the journal „Zeitschrift für Klassische Homöopathie” later developments are also taken into account.

Anmerkungen

01 Die Groß- oder Kleinschreibung variiert je nachdem, ob das Wort „klassisch” als Adjektiv oder als Teil eines feststehenden Begriffs betrachtet wird.

02 http://www.dgkh-homoeopathie.de/Verein/verein.html

03 http://www.vfkh.ch/de/verein_kurzprofil.htm

04 http://www.vkh.ch/html/kontakte1_l.html

05 http://www.vkhd.de/

06 Davon zeugt auch Andreas Paysen, Private Krankenversicherungen im Vergleich: Umfrage bei privaten Krankenversicherungen in Deutschland über die Erstattung der Kosten für klassisch-homöopathische Behandlung durch Heilpraktiker, Homöopathie-Zeitschrift H.1 (1992), 54-56.

07 Ansonsten wäre hier auch an die „Komplexmittelhomöopathie” zu denken, s. Andrea Maria Sahler, Homöopathische Komplexmittel. Ihre historische Entwicklung, ihre Begründer und ihre gegenwärtige Bedeutung, München u.a. 2003, auch zu deren Marktbedeutung.

08 Das hat wohl W. Klunker dazu veranlasst, mit dem Begriff „genuine Homöopathie” neue Abgrenzungen einzuführen, in: Hahnemanns Miasmen und Organon §3, ZKH 42 H. 5 (1998), 179-186. (Dank an Herrn Genneper für diesen Hinweis).

09 Adolf Voegeli, Heilkunst in neuer Sicht, Ulm 1955, 71.

10 Zu Vanniers Nutzung der Hochpotenzen s. Schoeler, Das Hochpotenzproblem, AHZ 195, H.1. (1950), 1-38, 10f.; zu Vanniers zentraler Rolle für die Renaissance der Homöopathie in Frankreich s. Olivier Faure, Eine zweite Heimat für die Homöopathie: Frankreich, in: Martin Dinges (Hg.): Weltgeschichte der Homöopathie, Länder - Schulen - Heilkundige, München 1996, 48-73, 63-67. Zu Vanniers Praxis und Patienten, s. Olivier Faure, Léon Vannier’s Patients in the 1930s, in: Martin Dinges (Hg.): Patients in the History of Homoeopathy, Sheffield 2002, 199-211.

11 R. Römer, Zum 90. Geburtstag von Dr. Adolf Voegeli, ZKH Bd. 32, H. 5 (1988), 217-222.

12 So jedenfalls Dr. Zinke, Adolf Voegeli wird 75 Jahre alt, ZKH Bd. 17, H. 5 (1973), 242-244, 243. In den wenigen überlieferten Teilnehmerlisten der Kurse des Groupement Hahnemannien aus den Jahren 1946-1966 ist sein Name nicht mehr verzeichnet, Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung Stuttgart, Bestand Pierre Schmidt, Nr. 1; allerdings empfing Pierre Schmidt schon früher regelmäßig Kollegen, so z.B. in dem auch für Voegeli infrage kommenden Jahr 1938 französische Ärzte aus Nordafrika, s. Jacques Baur, L’œuvre du Docteur Pierre Schmidt, in: Le docteur Pierre Schmidt et ses élèves. Souvenir d’une aventure (1946-1988), Cahiers du groupement Hahnemannien (1988), 7-10, 8. Da liegt es nahe, dass auch der Kollege aus der Nachbarstadt bei ihm vorstellig wurde.

13 Alexander Erlach, Die Geschichte der Homöopathie in der Schweiz (1827-1971), Diss. med. Universität Zürich, 2004, 128.

14 Mit diesem ersten Teil des Buches knüpft er faktisch natürlich an die Tradition des Organons an.

15 Voegeli, Heilkunst, 55. Auf den fast gleichzeitig erschienen Artikel, Die Stellung des reinen Hahnemannismus, Deutsche hom. Monatsschrift (1955) wird hier aus Platzgründen nicht eingegangen.

16 S. dazu Misia S. Doms, August Biers Aufsatz „Wie sollen wir uns zu der Homöopathie stellen?” und die nachfolgende Diskussion um die Homöopathie in der deutschen Ärzteschaft, in: MedGG 23 (2004), 243-282.

17 Die zeitliche Nähe zu Pierre Schmidts Übersetzung der 6. Auflage des Organons unter dem Titel Doctrine homoeopathique ou Organon de l'art de guérir, Genf 1952, und zu seinem Londoner Vortrag zur 6. Auflage des Organon und den Fünfzigtausender-Potenzen (1954) ist auffallend. Über die Wirkung der Enthüllung dieser „verborgenen Schätze” auf den späteren LMHI-Präsidenten (1979-1982), s. Diwan Harish Chand, Pierre Schmidt, in Le docteur Pierre Schmidt et ses élèves. Souvenir d’une aventure (1946-1988), Cahiers du groupement Hahnemannien (1988), 31-34, 32.

18 Voegeli, Heilkunst, 130.

19 Voegeli, Heilkunst, 131.

20 Voegeli, Heilkunst, 261.

21 Voegeli, Heilkunst, 263.

22 Hier und im Folgenden übernehme ich die m. E. zutreffende Bewertung des Nachrufes von R. Römer, S. 221.

23 Römer, 90. Geburtstag, 220.

24 Ernst H. Schmeer, Zum 90. Geburtstag von A. Voegeli, AHZ, Bd. 233, 1988, 249-250.

25 Seine anderen Veröffentlichungen sind in der Personenbibliographie zum Lexikon deutschsprachiger Homöopathen unter http://www.igm-bosch.de/f3.htm nachgewiesen.

26 Diesen Identitätsverlust beschreibt bereits für eine frühere Phase und die USA John Harley Warner, Orthodoxy and Otherness: Homeopathy and Regular Medicine in Nineteenth-Century America, in: G. Risse/ R. Jütte/ J. Woodward (Hg.): Culture, Knowledge and Healing: Historical Perspectives of Homeopathic Medicine in Europe and North America, Sheffield 1998, 5-29.

27 Schoeler, Das Hochpotenzproblem, 13.

28 Ernst H. Schmeer, 25 Jahre Klassische Homöopathie. Erinnerungen en eine große Zeit, ZKH H. 4 (1981), 170-172, 171 (auch das folgende Zitat). 1956 stellte er weniger dramatisch fest, dass sich die durch den Krieg bedingte Lücke zu schließen begann, s. Ernst H. Schmeer, Homöopathische Fachliteratur zur Einführung und Vertiefung, dargestellt am gegenwärtigen homöopathischen Schrifttum, in: Deutsche Homöopathische Monatsschrift 7 H.4 (1956), 181-186, 181.

29 So nennt auch K.H. Illing in einem Interview vom 12. April 2007 ebenfalls den Mezger als seine damalige Basislektüre und erwähnt dann Gerard Bakker, Positive Homöopathie, die aber erst 1960 bei Haug in Ulm erschien.

30 Vgl. die „Regesten der Arzneimittelprüfungen und Tierversuche am Robert Bosch Krankenhaus (1915-1978)” unter http://www.igm-bosch.de/f3.htm.

31 Thomas Faltin, Homöopathie in der Klinik: die Geschichte der Homöopathie am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus von 1940 bis 1973, Stuttgart 2002, 186ff.

32 Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung Stuttgart, Bestand Drinneberg, Nr. 3. Auch in dessen erstem - undatierten und unsignierten - Rundschreiben galt das Prinzip „Von allen hilfreichen Dosen ist die kleinste immer die beste”.

33 FAZ, Nr. 211, Montag, 12. September 1955, S. 8.

34 Römer, 90. Geburtstag, 221.

35 Ernst H. Schmeer, 25 Jahre Klassische Homöopathie. Erinnerungen an eine große Zeit, ZKH H. 4 (1981), 170-172, 172. Er setzt dann hinzu: „merkwürdigerweise über den Umweg Amerika-Schweiz.”

36 Ernst H. Schmeer, Neubeginn. Erlebte Homöopathiegeschichte: Das erste Seminar für Klassische Homöopathie, Freiburg 1956, ZKH 40, H.4 (1996), 166-168, 166.

37 Schmeer, 1981, 172.

38 Schmeer selbst berichtet über frühere Einführungskurse, etwa von Saller in München, die eng mit Arzneimittelprüfungen durch die Zuhörer verbunden waren, s. Schmeer 1981, 171.

39 Ganz ähnlich traf sich auch Pierre Schmidt mit seinen „Schülern” nicht nur in guten Restaurants sondern auch auf Berghütten, s. Le docteur Pierre Schmidt et ses élèves. Souvenir d’une aventure (1946-1988), Cahiers du groupement Hahnemannien (1988), 109 ff.

40 So z.B. Adolf Voegeli, Das ABC der Gesundheit, Ulm 1957, (mittlerweile in 11. Auflage 1994); Die korrekte homöopathische Behandlung in der täglichen Praxis: mit Repertorium, Ulm 1958 (2. Aufl. 1964, 3. Aufl. 1975).

41 S. auch Interview mit Herrn Dr. K.H. Illing, 12.4.2007, S. S51 dieser Ausgabe.

42 Dietrich Berndt, Warum „Klassische Homöopathie?”, ZKH 3, H. (1959), 161-165, 161.

43 Ernst H. Schmeer, Zum 50jährigen Jubiläum eines Buches von Herbert Fritsche: Samuel Hahnemann - Idee und Wirklichkeit der Homöopathie, ZKH 38, H.6 (1994), 251-252. Herbert Fritsche, Iatrosophia, Leipzig 1937, es finden sich lediglich auf den Seiten 10, 22: Homöopathie; 19: Hochpotenzen; 36: Grenzen der stark verdünnten Mittel; 58: eine Hahnemann-Anekdote von Lutze zum Riechenlassen.

44 Herbert Fritsche, Hahnemann. Die Idee der Homöopathie, Berlin 1944, 427.

45 Man beginnt hier bereits die späteren Abgrenzungsprobleme gegenüber vorwiegend spirituell orientierten Richtungen zu ahnen.

46 Fritz D. Schroers, Lexikon deutschsprachiger Homöopathen, Stuttgart 2006.

47 K. H. Illing, 40 Jahre Zeitschrift für Klassische Homöopathie, ZKH 42, H.1 (1998), 4-14.

48 Gypser, Editorial, ZKH 31, H. 1 (1987), 1-2.

49 K.-H. Gypser, Ein Manuskript Hahnemanns aus seiner Pariser Zeit, ZKH Bd. 31, H. 2 (1987), 65-73, 73.

50 Genneper, Wegener, Editorial 37, H. 1 (1993), 1-2, 2.

51 Erlach, Geschichte, 84.

52 Jost Künzli von Fimmelsberg, Wie Pierre Schmidt die Homöopathie lehrte, ZKH 31, H. 6 (1987), 252-256, 255.

53 W. Weber, Das Seminar der klassischen Homöopathie auf Spiekeroog, ZKH 14, H. 2 (1980), 85-88.

54 Vgl. Gabriele Mengen, Übersicht über die Entwicklung der Homöopathie in der Bundesrepublik Deutschland von 1945-1988, Diss. med. Münster 1991, 70-80. Die Unterlagen zur Gründung werden demnächst als Archivbestand im IGM Stuttgart verzeichnet.

55 Erlach, Geschichte, 81.

56 Mathias Dorcsi, Wissenschaft und Homöopathie, ZKH 8, H. 5, 1964, 223-337, bes. 226; zum Kontext Leopold Drexler/Georg Bayr, Die wiedergewonnene Ausstrahlung des früheren Vielvölkerstaates Österreich, in: Martin Dinges (Hg.), Weltgeschichte der Homöopathie, München 1996, 75-101, s. 89 ff.

57 Artur Braun, ohne Titel, in: In Memoriam Rudolf Flury, o. O. 1977, o. S., Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung Stuttgart, Bestand VLMHI, 9; (dort auch eine Würdigung durch Tiedemann).

58 Hilmar Deichnamm, Das Flury Repertorium, ZKH 24, H. 1 (1980), 22-24.

59 Erlach, Geschichte, 86.

60 Vgl. Willibald Gawlik, In memoriam Dr. Rudolf Flury († 23. 5. 1977), in ZKH 21 H.4 (1977), 163-4.

61 Erscheint ab 1982 im Organon-Verlag - mit einem Geleitwort (S. 3) und einem Fortsetzungsartikel von Jost Künzli, Die Säulen der Homöopathie, (1. Teil), 4-8, sowie vom Herausgeber Michael Barthel übersetzten Kapiteln aus E. Wright-Hubbards Kurzlehrgang der Homöopathie. Die hauptsächlich vertretenen Autoren sind weitgehend mit den oben genannten der ZKH identisch.

62 K.H. Illing, Zwölf Jahre Lehre der Homöopathie an der Medizinischen Hochschule Hannover, ZKH 37, H. 3 (1993), 118-123.

63 Die - sicher sehr lange - Liste derer, die bei ihm hospitiert haben, wäre noch zu erstellen. Hier sei nur an den oben wegen seiner hohen Anzahl von Beiträgen zur ZKH zitierten W. Klunker als ein Beispiel erinnert.

64 Jost Künzli von Fimmelsberg, Wie Pierre Schmidt die Homöopathie lehrte, ZKH 31, H. 6 (1987), 252-256, 253 f.; Jost Künzli von Fimmelsberg, Laudatio für Pierre Schmidt ZKH 18, H. 3 (1974), 93-95, 94.

65 Alle folgenden Zitate entstammen dem Interview mit K.H. Illing vom 12. April 2007; s. a. K.H. Illing, Dr. Pierre Schmidt und die Liga homoeopathica medicorum internationalis, in ZKH. 31, H.6 (1987), 242-244, 242.

66 E. Binard, L’esprit et la matière, in: Le docteur Pierre Schmidt et ses élèves. Souvenir d’une aventure (1946-1988), Cahiers du groupement Hahnemannien (1988), 11-17, 12.

67 Mehrheit zumindest auf der Ebene der organisierten und sich explizit so nennenden Homöopathen - was sonst in allen möglichen z.B. auch allopathischen Praxen an „Homöopathie” verschrieben wird, steht hier nicht zur Debatte.

68 Hans Ritter, Die Klassische Homöopathie Eichelbergers und Deichmanns, AHZ 223, H. 1 (1978), 12-16 und die folgende Stellungnahme von Eichelberger dazu.

69 Hans Ritter, Diskussionsbemerkung zur Stellungnahme Herrn von Petzingers, AHZ 216, H. 4 (1971), 173 f. Offenbar dauerte dieser Streit seit 1955 an. Gegen den Status als „Ergänzungstherapie” schon Dietrich Berndt, Warum „Klassische Homöopathie?”, ZKH 3, H. (1959), 161-165.

70 Hans Ritter, In eigener Sache, AHZ 217 H.6 (1972), 268-272.

71 Adolf Voegeli, Homöopathie und Homöopathie, ZKH 16 H.3 (1972), 107-118 und die Schlussbemerkung dazu in ZKH 17 H.1 (1973), 46 f.

72 Berndt, Warum „Klassische Homöopathie?”, 161.

73 Wolfgang Schweitzer, Klassische Homöopathie. Ein Essay zur historischen Entwicklung und Definition, AHZ 237 (1992), 201-203. 

74 Joachim Zinke, kurzgefaßte Einführung in die Denkweise und Praxis der klassischen Homöopathie, Ulm 1962; Otto Eichelberger, Klassische Homöopathie, Band 1, Heidelberg 1976, 11 ff. lediglich mit Abgrenzungen gegen nicht klassische Homöopathie. Allerdings will das Buch keine Einführung bieten, sondern direkt zur Praxis hinführen; ähnlich in Band 2, Heidelberg, 2. verb. Aufl. 1987, zu dem Thema „klinische oder klassische Homöopathie”, weder auf S. 63 noch 78. Auch Kurt Hermann Illing, Klassische Homöopathie, Heidelberg 1988, 13, begnügt sich mit einer differenzierenden Bemerkung gegen vorschnelle Zuschreibungen dessen, was die Klassiker auszeichne. Vielleicht sollten Übersetzungen - wie die folgende von H. Gypser - diese Lücke füllen, s. die Merkmalsliste - der Homöopathie, gemeint ist: der klassischen Homöopathie - von Elizabeth Wright-Hubbard, Das Studium der klassischen Homöopathie, Heidelberg 1990, 9. Auszugsweise war das Werk bereits ab 1982 von Michael Barthel im Deutschen Journal für Homöopathie veröffentlicht worden.

75 S. ZKH 51 H.1 (2007), 3.

76 Willibald Gawlik, Klassische Homöopathie, Homöopathische Schulen AHZ 233 H.4 (1988), 146-150.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Martin Dinges

Institut für Geschichte der Medizin
der Robert Bosch Stiftung, Stuttgart

Straußweg 17

70184 Stuttgart

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