Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007; 42(2): 108-115
DOI: 10.1055/s-2007-971162
Fachwissen: Topthema: Antibiotikatherapie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Strategien für die Verordnung von Antibiotika in der Intensivmedizin

Strategies in the treatment of infections with antibiotics in intensive care medicineMaria Deja, Irit Nachtigall, Elke Halle, Marc Kastrup, Martin Mac Guill, Claudia D. Spies
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Publication Date:
02 January 2008 (online)

Zusammenfassung

Die Behandlung von Infektionen gehört zu den zentralen Aufgaben in der operativen Intensivmedizin und trägt wesentlich zum Ergebnis der intensivmedizinischen Behandlung bei. Qualitätsindikatoren für eine erfolgreiche Therapie wie die Verkürzung der Behandlungsdauer auf der Intensivstation oder im Krankenhaus, die Vermeidung von Organversagen, die Vermeidung der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen, die Vermeidung von nosokomialen Infektionen und eine Verbesserung der Überlebensrate werden in Zusammenhang mit der Verordnung von Antibiotika in der Intensivmedizin diskutiert. Die Anforderungen an eine Antibiotikatherapie in der Intensivmedizin lauten: die Therapie muss frühzeitig einsetzen, das verordnete Antibiotikum muss gegen den verantwortlichen Erreger wirksam sein, die Risikofaktoren der Patienten für Infektionen mit Problemerregern müssen berücksichtigt werden, die lokalen Resistenzen der Erreger müssen bekannt sein, die Dosis des Antibiotikums muss ausreichend hoch sein und die Dauer der Therapie muss den Risikofaktoren des Patienten und dem verantwortlichen Erreger entsprechend angepasst sein. Die Vielzahl der notwendigen Detailkenntnisse zur Festlegung einer frühzeitigen kalkulierten Therapie zu jeder Tageszeit erfordert stringente lokale Standards für die Therapie, die die Resistenzsituation der eigenen Klinik berücksichtigen und einer regelmäßigen Überprüfung unterliegen. Ziel des vorliegenden Artikels ist die Darstellung einer Auswahl von Voraussetzungen und Strategien für die Behandlung von Infektionen und die Verordnung von Antibiotika in der Intensivmedizin.

Summary

The treatment of infections is one of the central elements in post-operative intensive care and contributes significantly to outcome. Measures of quality of antibiotic therapy include survival, duration of ICU or in-atient stay and rates of organ failure, antibiotic resistance or nosocomial infection. The pre-requisites for antibiotic prescribing in the intensive care unit are as follows: the treatment has to be started early, the antibiotic must be effective against probable causative organisms, the patient's risk factors for infection with multi-drug resistant organisms must be taken into account, local patterns of resistance must be known, an effective dosage must be used and the duration of therapy should be adjusted to the patient's risk factors and probable causative organisms. The multiplicity of factors which must be taken into account when determining timely empirical therapy and the fact that this must be possible at any time of the day, make local standard operating procedures for antibiotic prescribing imperative. These standards should reflect local resistance patterns and should be regularly reviewed. The aim of this educational article is to portray a selection of the pre-requisites and strategies available in the treatment of infections with antibiotics in intensive care medicine.

Kernaussagen

  • Die Antibiotikatherapie sollte so früh wie möglich beginnen. Auch diagnostische Maßnahmen dürfen den Beginn der Therapie nicht verzögern.

  • Vor jeder Antibiotikaverordnung ist möglichst Untersuchungsmaterial für den Erregernachweis und die Resistenztestung zu gewinnen.

  • Die Notwendigkeit der möglichst frühen Therapie erfordert beim kritisch kranken Patienten zwingend die kalkulierte oder empirische Therapie.

  • Voraussetzung für eine erfolgreiche kalkulierte oder empirische Therapie ist die Kenntnis der klinisch relevanten Erreger und ihrer Resistenz auf der eigenen Intensivstation.

  • Das Antibiotikum für die kalkulierte Therapie wird anhand der Risikofaktoren des einzelnen Patienten für Infektionen mit speziellen Erregern ausgewählt.

  • Der Nachweis des Erregers und seine Resistenztestung ermöglichen es, ein Antibiotikum mit schmalerem Erregerspektrum und evtl. besserer Wirkung zu verordnen. Diese Deeskalationsstrategie ist wichtig, um die Resistenzentwicklung und Selektion von Erregern zu vermeiden und die Ressourcen besser zu nutzen.

  • Infektionen in der Intensivmedizin erfordern in der Regel weniger als 12 Tage Antibiotikabehandlung. Eine längere Therapiedauer ist nur bei speziellen Infektionen (Osteomyelitis), Patienten mit speziellen Risikofaktoren und bei Infektionen mit Problemerregern notwendig.

  • Wesentlicher Bestandteil eines kontrollierten Umgangs mit Antibiotika ist die regelmäßige Prüfung der Indikation für die Antibiotikatherapie.

  • Jede Klinik sollte Dosierungen/Applikationsdauer und Dosierungsintervalle für die dort gebräuchlichen Antibiotika festlegen.

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Dr. med. Maria Deja
Dr. med. Irit Nachtigall

Email: maria.deja@charite.de

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