Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(39): 2024
DOI: 10.1055/s-2007-985636
Pro & Contra | Commentary

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Die stabile Angina pectoris lässt sich rein medikamentös behandeln - pro

Stable angina pectoris can be treated successfully by drugs alone - proC. A. Schneider1 , E. Erdmann 1
  • 1Klinik III für Innere Medizin der Universität zu Köln
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19 September 2007 (online)

„Sag mal, glaubst Du, dass man in 10 Jahren noch interventionelle Kardiologen brauchen wird?” Ich war baff! Hier hatte der Kollege am Mittagstisch die Chuzpe, die Daseinsberechtigung der interventionellen Kardiologie ganz grundsätzlich und nebenbei in Frage zu stellen. Wie er denn darauf käme, fragte ich ihn, und die Gespräche am Tisch verstummten. „Ja, die Courage-Studie” - dies bedeute im Übrigen Beherztheit, meinte er - „zeigt doch, dass Medikamente genauso gut seien wie Interventionen [1]?”

Beschwerdefreiheit und prognostische Verbesserung sind Therapieziele bei Patienten mit stabiler Angina pectoris. Diese können durch medikamentöse Therapie gut erreicht werden. Die Behandlung mit Nitraten, Calcium-Antagonisten oder Beta-Blockern vermindert die Symptomhäufigkeit, Statine, ACE-Hemmer und Acetylsalicylsäure senken die Mortalität durch eine Stabilisierung der ubiquitär vorhandenen Koronarplaques. Aber wozu braucht man dann noch Koronarinterventionen? Eine Reihe von aktuellen Studien hilft uns, besser zu verstehen, wo der Platz der konservativen oder interventionellen Therapie der stabilen Angina pectoris ist.

Die Courage-Studie [1] ist in der Tat bemerkenswert: 2287 Patienten, symptomatisch und mit dokumentiertem Ischämienachweis, wurden randomisiert konservativ oder interventionell behandelt. Darunter auch Patienten mit Hochrisiko-Faktoren (proximale LAD-Stenose, ausgedehnte Ischämie). Nach 4,6 Jahren zeigte sich kein Vorteil einer interventionellen Therapie für die harten Endpunkte Tod und Myokardinfarkt. Lediglich im Endpunkt Angina pectoris-Beschwerdefreiheit schnitten die interventionell behandelten Patienten für einige Monate besser ab.

PTCA also doch nur eine aufwendiges Analgetikum? Auch andere aktuelle Studien belegen, dass wir mit der modernen konservativen Therapie die meisten Patienten mit stabiler Angina pectoris effizient behandeln können. Die Decrease-V-Studie [2] lässt zum Beispiel einen solchen Schluss zu. In dieser Studie wurden 101 Patienten eingeschlossen, die sich einer nicht kardialen Gefäß-OP unterziehen mussten. Bei allen Patienten waren eine stabile Angina pectoris und eine Myokardischämie bekannt. Auch hier zeigte sich eine Gleichwertigkeit von konservativer und interventioneller Therapie bezüglich der Inzidenz harter Endpunkte. Schließlich scheint auch im subakuten Stadium des Myokardinfarktes eine konservative Therapie einer interventionellen Therapie ebenbürtig, wie die OAT-Studie zeigte [3]. In dieser Studie wurden Patienten mit subakutem Koronarverschluss randomisiert interventionell oder konservativ behandelt. Auch hier war die interventionelle Therapie der konservativen nicht überlegen.

Eine kardiologische Kollegin sagte mir neulich, als wir diese Daten diskutierten, dass sie die Aufregung gar nicht verstünde, das alles wisse man doch schon lange. In der Tat gibt es eine Meta-Analyse von Studien aus den letzten Jahren des letzten Jahrhunderts, die dies bereits zeigte [4]. Aber natürlich brauchen solche Erkenntnisse lange, bis sie nicht nur Eingang in Leitlinien finden, sondern auch im Berufsalltag umgesetzt werden. Das aktuelle ökonomische Anreizsystem (z. B. DRG-Abrechnung) unterstützt die Entscheidung für eine konservative Therapie jedoch sicher nicht.

Was also sollen wir unseren Patienten raten? Eins ist ganz sicher: die interventionelle Therapie ist der konservativen Therapie bezüglich Infarktschutz nicht überlegen. Patienten mit Angina pectoris auf niedriger Belastungsstufe trotz Medikation profitieren sicher symptomatisch von einer Intervention und stellen - neben Patienten, bei denen die Intervention auf eigenen Wunsch erfolgt - die Hauptgruppe derjenigen dar, die frühzeitig interventionell behandelt werden sollten. Die meisten Patienten mit stabiler Angina pectoris lassen sich aber sicher medikamentös befriedigend über Jahre behandeln. Ein schwer fassbares Argument sollte jedoch auch kritisch gewichtet werden: Was täte ich selbst mit stabiler Angina pectoris und einer proximalen LAD-Stenose?

All dies im Kopf, habe ich im Übrigen dem Kollegen geantwortet, dass auch in 10 Jahren die interventionelle Therapie noch gebraucht wird, aber vielleicht seltener und spezifischer

Literatur

  • 1 Boden W E. et al . Optimal medical therapy with or without PCI for stable coronary disease.  N Engl J Med. 2007;  356 1-14
  • 2 Poldermans D. et al . A clinical randomized trial to evaluate the safety of a noninvasive approach in high-risk patients undergoing major vascular surgery: The DECREASE-V Pilot Study.  J Am Coll Cardio. 2007;  49 1763-1769
  • 3 Hochman J S. et al . Coronary intervention for persistent occlusion after myocardial infarction.  N Engl J Med. 2006;  355 2395-2407
  • 4 Bucher H C. et al . Percutaneous transluminal coronary angioplasty versus medical treatment for non-acute coronary heart disease: meta-analysis of randomised controlled trials.  Brit Med J. 2000;  321 73-77

Priv.-Doz. Dr. med. C. A. Schneider

Klinik III für Innere Medizin, Universität zu Köln

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