Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1993; 28(5): 269-278
DOI: 10.1055/s-2007-998924
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stellenwert der gemischtvenösen Sauerstoffsättigung für die perioperative Überwachung und Therapie - Eine kritische Bestandsaufnahme

Perioperative Monitioring of Mixed Venous Oxygen Saturation: A Critical Review R. Wiesemes, J. Peters
  • Institut für Klinische Anästhesiologje, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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Publication Date:
22 January 2008 (online)

Zusammenfassung

Als Variable, die von O2-Angebot und -Verbrauch abhängig ist, soll die gemischtvenöse O2-Sättigung (SvO2) als Maß für die Gewebeoxygenierung kritisch kranker Patienten geeignet sein. Wegen der erst in der Pulmonalarterie weitgehend vollständigen Blutdurchmischung sollten Blutproben zur In-vitro-Messung der SvO2 der peripheren Lungenstrombahn entnommen werden. Bei In-vivo-Meßtechniken wird die SvO2 aus dem Verhältnis von in die pulmonale Strombahn ausgesendetem zu reflektiertem Licht definierter Wellenlängen bestimmt. Mit drei Wellenlängen arbeitende Geräte messen hierbei erheblich genauer als die älteren Zwei-Wellenlängen-Geräte. Bei der Interpretation der SvO2 sind u.a. die Konzentration von Hämoglobin und seinen Derivaten, Verschiebungen der O2-Bindungskurve, intrakardiale sowie periphere arteriovenö-se Shunts zu berücksichtigen. Störungen der Mikro- oder Makrozirkulation schränken den diagnostischen Wert der SvO2 ebenfalls ein. Die kritische Grenze der SvO2 scheint von der Grunderkrankung abzuhängen. Während die Letalität von Patienten mit akuter Hypoxämie bei SvO2-Werten unter 50 % stark ansteigt, können Patienten mit chronischen Störungen des O2-Transports SvO2-Werte von 30 % Über Monate Überleben. Es ist allerdings z.Z. unklar, ob dies durch die unterschiedlichen Prognosen der jeweiligen Grunderkrankung bedingt oder tatsächlich spezifische Folge der Gewebshypoxie ist. Die zentralvenöse O2-Sättigung ist lediglich zur Erkennung von Änderungen, nicht aber zur Abschätzung des Absolutwertes der SvO2 geeignet. Bei Patienten mit Sepsis ist die zentralvenöse O2-Sättigung besonders wenig aussagekräftig. Darüber hinaus konnte bisher nicht belegt werden, daß die kontinuierliche SvO2-Messung die Prognose kritisch kranker Patienten verbessert oder deren Behandlungskosten verringert. Die Messung der gemischtvenösen O2-Sättigung kann in Einzelfällen zur Überwachung kritisch kranker Patienten hilfreich sein, wird aber nicht dem Anspruch gerecht, verläßlich anzuzeigen, ob das O2-Angebot an die Gewebe deren O2-Bedarf deckt oder nicht.

Summary

Since mixed venous oxygen saturation (SvO2) depends on O2-supply and O2-consumption, its measurement is said to indicate tissue O2-balance and to be suitable for ensuring tissue oxygenation in critically ill patients. Blood for SvO2 determinations should be drawn exclusively from the pulmonary artery, because mixing of systemic venous blood is incomplete in the right atrium and ventricle. SvO2 can be determined in vitro and in vivo. Current in vivo techniques determine oxygen saturation from the relation between light emitted into the blood stream and that reflected from blood cells, the use of 3 instead of 2 wavelengths greatly improving the accuracy of the method. For reasonable interpretation of SvO2 it is necessary to consider the concentration of haemoglobin and its derivatives, shifts of the O2-dissociation curve, intracardiac left-to-right shunts, and systemic arteriovenous shunts. Disturbances of macrocirculation (e.g. vascular surgery) and microcirculation (e.g. sepsis) also impair the diagnostic value of SvO2 determinations. The critical value of SvO2 appears to depend on the prevailing disease. Patients with chronically impaired O2 transport appear to tolerate very low SvO2 values better than acutely ill patients, presumably due to adaptive changes in the former group. Central venous oxygen saturation may indicate directional changes of the SvO2, but does not estimate the real SvO2-value. The hypothesis that continuous SvO2 measurements improve prognosis or lower treatment costs has not yet been confirmed. Measurements of mixed venous oxygen saturation may improve monitoring and treatment of critically ill patients in selected cases; however, these measurements are not suitable to indicate reliably the status of tissue oxygenation under all conditions.

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