B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2008; 24(2): 67-68
DOI: 10.1055/s-2008-1004720
PRAXIS

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Sporttraumatologie - Erfahrungsbericht aus der Praxis

H. Meier
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Publication Date:
09 April 2008 (online)

Am 26. Mai 2007 fand in Berlin das Endspiel um den DFB-Pokal statt. Nach langer Leidenszeit wegen einer Fußverletzung konnte Marek Mintal wieder schmerzfrei spielen. Die Nominierung zahlte sich bereits in der 27. Minute aus. Er schoss das 1 : 0 für den 1. FC Nürnberg. Die Freude währte allerdings nur kurze Zeit. In der 35. Minute wurde er durch ein Foul des Stuttgarters Fernando Meira vom Platz getreten. Die niederschmetternde Diagnose noch am Abend nach einer Kernspinuntersuchung: Innenbandteilruptur, Außenmeniskuseinriss, Innenmeniskusquetschung, „boine bruce” an der Patella am rechten Kniegelenk.

Nach einer optimalen Akutversorgung konnte bereits am Tag nach dem Spiel an einem nur sanft ödematisierten Kniegelenk mit der Therapie begonnen werden. Der Muskelstatus hatte sich bereits dahingehend verändert, dass die Muskeln an der lateralen Kette an der rechten unteren Extremität, v. a. der Tractus iliotibialis, sehr hyperton waren. Das Innenband zeigte sich als valgusstabil, nur der Außenrotationtest war schmerzhaft. Druckdolenzen waren sowohl im Bereich des Innenbands, auf Höhe des Gelenkspalts, als auch im Bereich des ventralen Tibiaplateaus. Die passive Streckung war möglich, die Überstreckung schmerzhaft. Ebenso die Flexion ab 100 Grad.

Neben entödematisierenden Maßnahmen wie manuelle Lymphdrainage und Salben- bzw. Retterspitzverbänden sollte v. a. die Schmerzsituation deutlich verbessert werden. Dazu wurden manuelle Gelenktechniken, im Besonderen Techniken aus der myofaszialen Integration, angewendet. Bereits am 2. Tag posttraumatisch war das therapeutische Ziel, die laterale Kette zu detonisieren. Hierzu wurden myofasziale Striche vom lateralen Malleolus bis zum Trochanter major über das gesamte Bein gezogen. Diese durchaus schmerzhafte Behandlung sollte sichtbar die Stoffwechsellage verbessern. Ebenso wurde medial der Verlauf des Innenbandes „nachgezogen”. Hier begann der Strich am Innenknöchel, führte über die mediale Schienbeinkante bis hin zum Pes anserinus und dann weiter über den M. adductor longus hin zum Os pubis. Um die gewollte Steigerung des Metabolismus zu erhalten, wurden beide Regionen mit jeweils 6 Min. Tiefenwärme mit dem Skanlab bodywave behandelt (Abb. [1]). Marek Mintal wurde 6 Tage mit einer Mecron-Schiene in EXT 0 - 20 - 20 versorgt und nur zu den zweimal täglichen Behandlungen bewegt.

Abb. 1 Tiefenwärmebehandlung Marek Mintal und Hape Meier.

Schon nach der ersten Therapiesitzung waren sowohl die Beweglichkeit verbessert als auch die Schmerzhaftigkeit bei Palpation und Bewegung deutlich reduziert. Dennoch wollten wir in der akuten Entzündungsphase dem Körper und der Verletzung die gebotene Ruhe gönnen. Bereits am 4. Tag posttraumatisch wurde diese Behandlung mit aktiven sensomotorischen Übungen mit dem Sling Trainer ergänzt. Ziel dieser Aktivierung war der Erhalt der Innervation der stabilisierenden Muskulatur. Gerade die Pes-anserinus-Muskulatur sollte als medialer Stabilisator aktiviert werden. Ebenso die gesamte mediale Kette mit Adduktoren und v. a. der Vastus medialis des M. quadrizeps. Somit wurden spezielle Übungen in Rückenlage, Bauchlage und Seitenlage ausgeführt. Die Dosierung war je 8-mal 20 Sek. pro Ausgangsstellung (Abb. [2] [3] [4]).

Abb. 2 Marek Mintal im Sling Training, dorsale Kette.

Abb. 3 Sensomotorische Stabilisation der ventralen Kette.

Abb. 4 Innervation der medialen Kette, M. vastus medialis mit kurzem Hebel.

Zur allgemeinen Stoffwechselverbesserung wurden 20 Min. Oberarmergometer absolviert.

Erst ab dem 7. Behandlungstag wurde der Konditionserhalt auf dem Stepper durchgeführt. Zu Beginn war das Pensum zweimal 12 Min., nach 10 Tagen und einem reiz- und schmerzfreien Knie zweimal 35 Min.

Neben den myofaszialen Strichen an täglich wechselnden Ketten und Triggerpunktbehandlungen bei aktivierten Herden war das Skanlab bodywave unser ständiger Begleiter. Es hat sich als sehr positiv gezeigt, nach einer myofaszialen Behandlung oder einer Triggerpunktbehandlung den Therapieerfolg mit Tiefenwärme zu verlängern. Ungünstig ist, die Tiefenwärme vor diesen manuellen Behandlungen anzuwenden. Durch die Wirkung der Tiefenwärme ist das Gewebe deutlich verändert und die manuelle Behandlung wird schwieriger, die Plastizität des Gewebes ist verändert und man findet dadurch als Behandler schlecht zu seinem „Griff”. Gerade auch zur Vorbereitung auf aktive sensomotorische Übungen hat sich die stoffwechselsteigernde und schmerzlindernde Wirkung der Tiefenwärme als äußerst hilfreich erwiesen.

Neben der lateralen und medialen Kette an der unteren Extremität konnten auch noch deutliche Veränderungen im Gewebe im Bereich der LWS und des Beckens mitbehandelt werden. Das gesamte Konzept wurde ab dem 13. posttraumatischen Tag durch Laufeinheiten ergänzt. Anfänglich mit therapeutischem Laufen von einer Dauer von 10 Min. bis hin zu Ausdauereinheiten von 50 Min. im GLA I Bereich. Je nach Belastungsverträglichkeit wurden Kraft- und Ausdauereinheiten kombiniert mit sensomotorischem Training und koordinativen Einheiten.

Am 21. Tag war ein erster Belastungstest mit sportartspezifischen Inhalten wie Sprint, Sprung und Schuss sehr positiv ausgefallen, sodass Marek Mintal noch eine Woche „trainingsfrei” bekam und zumindest das Rehazentrum Valznerweiher, seit Monaten seine zweite Heimat, nicht betreten musste.

Es hat sich als sehr hilfreich erwiesen, zuerst die verspannte, hypertone Muskulatur zu detonisieren, die Nozizeption zu hemmen und die Schmerzen zu lindern. Danach konnten die lokalen Stabilisatoren der Gelenke innerviert und statische Muskulatur aktiviert werden. Das Sling Training bietet hierfür eine gute Möglichkeit und eine sinnvolle Ergänzung der therapeutischen Palette. Erst wenn diese beiden Schritte erfolgreich durchlaufen werden, macht es Sinn, an ein Training der globalen Bewegungsmuskulatur zu denken. Gerade nach Verletzungen oder Operationen ist es enorm wichtig, die Schmerzen zu minimieren. Denn Schmerz hemmt die Aktivierung der lokalen Gelenkstabilisatoren. Erst wenn diese Muskeln arbeiten, ist ein „Training” in der MTT oder im Sport angezeigt.

Korrespondenzadresse

H. Meier

REHA Valznerweiher

90480 Nürnberg

URL: http://www.rehavalznerweiher.de

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