Dialyse aktuell 2008; 12(1): 3
DOI: 10.1055/s-2008-1066531
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zwei-Klassen-Medizin bei der Organvergabe?

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Publication Date:
11 March 2008 (online)

Wenn man ganz ehrlich ist, genießen privat krankenversicherte Patienten in einigen Arztpraxen wahrscheinlich schon einen gewissen Sonderstatus. Da gibt es schon mal etwas schneller einen Termin oder die Wartezeiten sind ab und an etwas kürzer als bei gesetzlich Versicherten. Auch in anderen Bereichen wird eine Zwei-Klassen-Medizin inzwischen immer wieder kritisch aufs Tapet gebracht. So erhalten PKV-Patienten beispielsweise häufiger Bypässe oder Hüftgelenksprothesen, sagte PD Markus Lüngen, kommissarischer Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie (IGKE) in Köln in der Ärztezeitung vom 10. Januar.

Auch im Bereich der Transplantationsmedizin hat das Institut jetzt anscheinend eine ethisch unvertretbare Ungleichverteilung ausgemacht. Diesen Schluss erlauben zumindest die nackten Zahlen einer Mitte Dezember veröffentlichten Studie des Instituts, in der die Daten der 46 deutschen Transplantationszentren aus den Jahren 2004 und 2005 analysiert wurden. Demnach sind nur 10,25 % der deutschen Bevölkerung privat versichert, erhalten aber 14,96 % der gespendeten Organe. Auch im Bereich der Nierentransplantation findet sich eine Überrepräsentation der privat Versicherten mit einem Anteil von 13,09 % der durchgeführten Transplantationen. Als Grund dafür nannte die Studie eine überproportional häufige Einstufung der Privatpatienten mit hohem Dringlichkeitsstatus. Zudem seien sie verhältnismäßig selten nicht auf die Warteliste aufgenommen worden. Insgesamt, so Lauterbach, bekämen privat Versicherte 50 % mehr Organe als es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspreche, berichtete auch die Ärztliche Praxis am 08. Januar.

Diese Äußerungen schlugen natürlich hohe Wellen: So warf zum Beispiel die Deutsche Stiftung Organtransplantation Lauterbach vor, unverantwortlich und auf falscher Datenbasis zu operieren. Nach ihren eigenen Analysen habe der Anteil der privat Versicherten in den Jahren 2004-2007 zwischen 7,5 und 9,2 % und damit jeweils knapp unter dem Marktanteil der privaten Krankenversicherung gelegen, erläuterte ein Sprecher der Stiftung der Ärztlichen Praxis. In der Lauterbachschen Studie seien jedoch gesetzlich Versicherte mit privater Zusatzleistung sowie Rentner häufig den privat Versicherten zugeordnet worden. Auch das IGKE selbst hat nach der Veröffentlichung der heftig diskutierten Studie eingeräumt, dass ihre Ergebnisse auf fehlerhaften Datensätzen, die sie von den Zentren erhalten hätten, beruhen - weist damit aber gleichzeitig die „Schuld” an den falschen Daten von sich. Rund die Hälfte aller Datensätze, in denen jeweils die Angaben über ein Organsystem pro Jahr und Zentrum zusammengefasst sind, habe Fehler aufgewiesen, so die Kölner Forscher.

Ob damit der Verdacht auf eine unethische Bevorzugung der privat versicherten Transplantatempfänger vollkommen ausgeräumt ist, sei dahingestellt. Grundsätzlich kann und mag man sich jedoch kaum vorstellen, dass diese Art der Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland existiert. Leichter fällt einem dies schon, wenn es um die USA geht. Auch dort haben Nephrologen der John Hopkins University School of Medicine vor kurzem Zweifel an der gerechten Verteilung der Organe geäußert. Ihren Analysen zufolge, die das „Journal of the American Society of Nephrology” im Dezember online publizierte, haben in den USA Übergewichtige geringere Chancen auf ein Nierentransplantat als Normalgewichtige. Der Grund für dieses Ungleichgewicht sei dabei keineswegs rein medizinisch zu begründen, sondern durchaus auch wirtschaftlicher Natur. Denn Übergewichtige seien schwerer zu operieren, neigen häufiger zu Komplikationen und bleiben in der Regel länger in der Klinik. Dies wiederum ist in dem System der Fallpauschalen, das in den USA auch bei Transplantationen gilt, ein ökonomisches Risiko.

Stephanie Schikora

Stuttgart

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