Psycho(patho)logie der Angst

Anthropologische Antinomien

Fritz Riemann (1993) setzt bei Antinomien an, die er für allgemein-menschliche Probleme hält. Er setzt die Angstthematik unterhalb des Klinischen an. In einer ersten Antinomie begegnen sich zwei Forderungen an den heranwachsenden Menschen: einerseits wird von ihm erwartet, ein Individuum zu werden. Die Lebensziele der Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit sollen ihn aus dem Allgemeinen, dem Typischen und dem gesellschaftlich Normierten herausheben und der Selbstbewahrung und Selbstverwirklichung entgegen führen. Dem steht das Postulat entgegen, sich der Welt, dem Leben und den Mitmenschen vertrauend zu öffnen. Hinter den Lebenszielen der Zugehörigkeit ist ein Versprechen auf Geborgenheit wirksam, das durch Selbsthingabe eingelöst werden kann. Gesundheit gehört nach Hans-Georg Gadamer in diese Ausrichtung, sofern sie nur in Selbstvergessenheit zu erhalten ist.

Literatur

• 1 Anderson A K, Christoff K, Panitz D et al. Neural correlates of the automatic processing of threat facial signals.  J Neurosci. 2003;  23 5627-5633
• 2 Balint M. Angstlust und Regression. Beitrag zur psychologischen Typenlehre. Reinbek, Rowohlt 1972
• 3 Riemann F. Grundformen der Angst: Eine tiefenpsychologische Studie. Basel, München: Ernst Reinhardt, GmbH & Co. Verlag 1993
• 4 Richter H-E. Umgang mit der Angst. Hamburg, Hoffmann und Campe 1992
• 5 Gadamer H-G. Über die Verborgenheit der Gesundheit. Frankfurt, Suhrkamp 1993
• 6 Ekman P. Gefühle lesen: Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren. Heidelberg, Spektrum Akademischer Verlag 2004
• 7 Sprengelmeyer R, Rausch M, Eysel U T et al. Neural structures associated with recognition of facial expressions of basic emotions.  Proc R Soc Lond B Biol Sci. 1998;  265 1927-1931