TY - JOUR AU - Windfuhr, J. P. TI - Fehler und Gefahren: Tonsillektomie und andere Standard-Eingriffe TT - Faults and Failure of Tonsil Surgery and other Standard Procedures in Otorhinolaryngology SN - 0935-8943 SN - 1438-8685 PY - 2013 JO - Laryngorhinootologie JF - Laryngo-Rhino-Otologie LA - DE VL - 92 IS - S 01 SP - S33 EP - S72 DA - 2013/04/26 KW - Tonsillektomie KW - Tonsillotomie KW - Septumplastik KW - Halslymphknoten KW - Fehler KW - Gefahren KW - Behandlungsfehler KW - Nachblutung KW - Komplikationen KW - Septumdefekt KW - Accessoriusläsion KW - Chylusfistel AB - Die Standardeingriffe Septumplastik, Tonsillektomie, Adenotonsillektomie und Halslymphknotenentfernung zählen zu den 50 häufigsten stationär durchgeführten Operationen in deutschen Krankenhäusern. Zunehmend häufig werden Tonsillotomien vorgenommen. Insgesamt handelt es sich um etwa 380 000 Eingriffe im Jahr. Diese Abhandlung soll sich mit Fehlern und Gefahren von Tonsillektomie (TE), Adenotomie (AT), Tonsillotomie (TT), Septumplastik (SP) und Halslymphknotenentfernung (LK) auseinandersetzen.Es wurden sämtliche Gutachterkommissionen, Medizinische Dienste der Krankenkassen und Institute für Rechtsmedizin in Deutschland um anonymisierte Datenübermittlung zu Fällen nach TE, TT, AT, LK und SP per Anschreiben gebeten. Die Resultate sollten vor dem Hintergrund der aktuellen medizinischen Literatur und publizierten Gerichtsurteilen im Zusammenhang mit diesen Operationen diskutiert werden.Die Antwortrate auf unsere Umfrage lag insgesamt bei 55,9%. Insgesamt wurden 9 Fälle aus der Rechtsmedizin (Sektionsprotokolle), 49 von den Gutachterkommissionen und kein Fall vom MDK genannt. In allen 9 Fällen der rechtsmedizinischen Institute handelte es sich um tödlich verlaufene Blutungskomplikationen nach TE. Hierunter befanden sich 2 Kinder im Alter von 5 und 8 Jahren sowie 7 Erwachsene im Alter zwischen 20 und 69 Jahren. Die zum Tode führenden Blutungsereignisse hatten sich durchschnittlich nach 8,7 Tagen ereignet, in 4 Fällen zuhause (5., 8., 9., 17. Tag). In 6 Fällen war den Blutungen mindestens eine revisionsbedürftige Blutungskomplikation vorausgegangen. Die von den Gutachterkommissionen bearbeiteten 49 Behandlungsfehlervorwürfe betrafen TT (1), AT (4), LK (3), SP (16) und TE (25). Letale Verläufe befanden sich nicht darunter, nur in 3 Fällen wurden überhaupt Behandlunsgfehler bejaht (6,1%). Hierbei handelte es sich um eine N.accessoriusläsion nach LK, eine falsche OP-Indikation und einen Zahnschaden nach TE. Die Recherche in den juristischen Suchmaschinen ergab 71 publizierte Urteile. Hierunter fanden sich 29 nach AT und TE, 28 nach LK und 14 nach SP. Von den 71 Verfahren führten 37 zu Verurteilungen wegen Behandlungsfehlern nach LK (16; 57%), TE (11; 41%), SP (8; 57%) und AT (2; 100%). Unter den 27 TE-Verfahren finden sich 16 wegen Blutungskomplikationen, nur 2 davon hatten sich am OP-Tag ereignet. Wegen der Blutungskomplikationen verstarben 5 Patienten, 5 behielten ein apallisches Syndrom zurück. Die Klagegründe nach SP waren sehr heterogen, am häufigsten wurden Aufklärungsmängel (6), Riechstörungen (4), Septumdefekte (2), Schädelbasisverletzung (2) und Austrocknung der Nase (2) vorgeworfen. Die 28 Verfahren nach LK befassten sich ausschließlich mit Accessoriusschäden, Aufklärungsmängel wurden in 19 Verfahren vorgeworfen. Zu Schmerzensgeldzahlungen wurden die beklagten in 7 von 29 AT/TE-Verfahren, 9 von 28 LK-Verfahren und 6 von 14 SP-Verfahren verurteilt. In keinem Fall nach AT/TE führten Aufklärungsmängel zur Verurteilung, wohl aber in 11 Verfahren nach LK und 2 SP-Verfahren.In Deutschland ist eine zufriedenstellende Übersicht zur Komplikationsdichte und Häufigkeit juristischer Auseinandersetzungen der genannten Standardeingriffe nicht erhältlich. Es muss davon ausgegangen werden, dass nicht jede Auseinandersetzung oder jede Komplikation in medizinischen oder juristischen Publikationsorganen veröffentlicht wird. Ein Behandlungsfehlervorwurf ist bei den untersuchten Standardeingriffen außergerichtlich in weniger als 6%, gerichtlich in etwa der Hälfte der Fälle begründet. Medizinische Beratung, Indikationsstellung, Aufklärungsgespräch, Operationsausführung und Nachsorge müssen lückenlos dokumentiert werden, um als Operateur bei juristischen Auseinandersetzungen bestehen zu können. Vor allem bei der TE muss für ein adäquates Komplikationsmanagement Sorge getragen werden. Dies beinhaltet auch Verhaltensmaßnahmen der Patienten(eltern) im Fall der Nachblutung, transparente Anweisungen für die Abläufe in der Abteilung, Bereithalten von Instrumentarium und Airway-Management. Die stationäre Behandlungsdauer darf individualisiert werden. Operative Techniken beeinflussen die Charakteristik der Nachblutungen, die jährlich einer Analyse unterzogen werden sollten. Das Fehlen von definierten medizinischen Standards zur Schonung des N.accessorius führt gelegentlich zu widersprüchlichen Einschätzungen der Gutachter, denen die Gerichte in den Urteilverkündungen in der Regel folgen. PB - © Georg Thieme Verlag KG DO - 10.1055/s-0032-1333253 UR - http://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0032-1333253 ER -