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DMW - Deutsche Medizinische Wochenschrift
Kasuistiken Jahrgang 125 (Heft 49/2000), Seiten 1492-1496

Hyperkalzämie durch generalisierte Sarkoidose

T. Hierl1, M. Libicher2, P. Nawroth1, R.  Ziegler1, C. Kasperk1

1Abteilung Innere Medizin I (Direktor: Prof. Dr. R. Ziegler), Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik
2Abteilung Radiodiagnostik der Radiologischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. G. Kauffmann) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Anamnese und klinischer Befund: Ein 70jähriger Patient mit einer seit 23 Jahren rezidivierenden Nephrolithiasis wurde zur Abklärung einer Hyperkalzämie von maximal 3,24 mmol/l stationär aufgenommen. Bei der ansonsten unauffälligen körperlichen Untersuchung fand sich eine sensible Neuropathie im Bereich des rechten Fußes.

Untersuchungen: Der Röntgen-Thoraxbefund, eine anschließend durchgeführte transbronchiale Lungengewebsbiopsie, eine Galliumszintigraphie sowie eine Magnetresonanztomographie der Wirbelsäule führten zur Diagnose einer generalisierten Sarkoidose mit überwiegendem Befall des Mediastinums, der Lendenwirbelsäule sowie der Nerven der distalen Extremitäten. Bei supprimiertem Parathormonspiegel lagen die Vitamin D-Metaboliten-Spiegel im Normbereich.

Therapie und Verlauf: Eine Glukokortikoidbehandlung normalisierte den Serumkalziumspiegel innerhalb von 2 Wochen.

Folgerung: Eine Hyperkalzämie im Rahmen einer Sarkoidose kann sich auch ohne Nachweis eindeutig erhöhter 1,25-Dihydroxyvitamin D3-Spiegel manifestieren. Als Ursache der seit mindestens einem Jahr vor der stationären Aufnahme gesicherten Hyperkalzämie ist auch eine lympho-/makrophagozytäre Infiltration des Knochenmarks mehrerer Wirbelkörper in Betracht zu ziehen, die mit konventionellen Röntgenverfahren nicht erkennbar war und sich im hier vorgestellten Fall erst in der Magnetresonanztomographie der Wirbelsäule darstellen ließ. In der Pathogenese der Hyperkalzämie des vorgestellen Patienten spielen neben dem hochnormalen 1,25-Dihydroxyvitamin D3-Spiegel, der angesichts der Niereninsuffizienz nur durch eine extrarenale Bildung bedingt sein kann, möglicherweise auch von Makrophagen vermehrt sezernierte Cytokine eine wichtige Rolle, wobei einige der von aktivierten Makrophagen sezernierten Cytokine (z. B. Interleukin-1 β und Tumor-Nekrose-Faktor α) zu den potentesten Stimulatoren der Knochenresorption zählen.

Hypercalcaemia caused by generalized sarcoidosis

History and admission findings: A 70-year-old man with a 23-year history of reccurrent nephrolithiasis was admitted for evaluation of hypercalcaemia (maximal calcium concentration 3.24 mmol/l). Physical examination on admission was unremarkable except for sensory neuropathy in the right foot.

Investigations: Chest radiogram, subsequent transbronchial lung biopsy, gallium scintigraphy and magnetic resonance imaging (MRI) of the vertebrae indicated generalized sarcoidosis, predominantly affecting the mediastinum, lumbar vertebrae and nerves of the distal limbs. Parathormone level was reduced, while the levels of vitamin D metabolites were normal.

Treatment and course: Serum calcium level became normal within 2 weeks of starting glucocorticoid treatment.

Conclusion: Hypercalcaemia can occur in the course of sarcoidosis even in the absence of a elderly increased level of 1,25-dihydroxyvitamin D3. In this case the cause of the hypercalcaemia of a year’s duration may have been due to lympho-macrophagocytic infiltration of the bone of several vertebrae as demonstrated by MRI of the vertebral colums but not by conventional radiography. In this case an increase in cytokine secretion by macrophages may have played an important role in addition to the level of 1,25-dihydroxyvitamin D3 at the upper limit of normal that, in view of the renal failure, could only have been caused by extrarenal production. Cytokines (e. g. interleukin-1β and tumour necrosis factor α) secreted by activated macrophages are among the most powerful stimulators of bone reabsorption.

Bei der differentialdiagnostischen Abklärung einer Hyperkalzämie sind auch chronisch-granulomatöse Erkrankungen (z. B. Sarkoidose, Tuberkulose, Lymphome) zu erwägen [6][9][13]. Die Genese einer im Rahmen dieser Erkrankungen auftretenden Hyperkalzämie wird auf eine vermehrte 1,25-Dihydroxycholecalciferol(Vitamin D3)-Produktion in den makrophago- und lymphozytären Granulomen dieser Krankheiten und konsekutiv auf eine gesteigerte enterale Kalziumabsorption zurückgeführt. Alle chronisch-granulomatösen Erkrankungen können auch direkt das Knochengewebe osteolytisch befallen, was ebenfalls eine Hyperkalzämie zur Folge haben kann, ohne daß sich erhöhte 1,25-Vitamin D3-Spiegel feststellen lassen. Dabei ist es nicht erforderlich, daß sich röntgenologisch dar

Kasuistik

Anamnese

Der 70jährige Patient wurde vom Hausarzt zur Untersuchung einer Hyperkalzämie überwiesen. Im Vordergrund der aktuellen Beschwerden standen Müdigkeit, Leistungsschwäche sowie Schmerzen im rechten Fuß, gelegentlich in den Händen und in der Lendenwirbelsäule (LWS). Zudem berichtete der Patient über seit 23 Jahren wiederholt aufgetretene Nierenkoliken mit spontanen Steinabgängen von zuletzt bis zu 30 Steinen pro Woche (Durchmesser 1-6 mm). 3 Monate vor der stationären Aufnahme wurde noch eine extrakorporale Stoßwellenlithotryp

Abb. 1 Die Röntgen Aufnahme des Thorax (anterior-posterior) zeigt eine bihiläre Lymphadenopathie ohne pulmonale Veränderungen (Stadium I der Sarkoidose).

Abb. 2 LWS-Aufnahmen seitlich: Bis auf degenerative Veränderungen erscheinen die Knochenstruktur und der Mineralsalzgehalt weitgehend normal. Insbesondere ergibt sich kein Hinweis auf das Vorliegen von Osteolysen. Die Aufnahmen zeigen die LWS im Abstand von 8 Monaten (links Ausgangsbefund) unter Glukokortikoidtherapie ohne eine auffällige Befundänderung.

Abb. 3 Röntgenaufnahme von Digitus 2-4: Periartikuläre Weichteilverkalkungen an den proximalen Interphalangealgelenken (PIP) 2-4. Auffällig ist die strähnige Auflockerung der Kortikalis der Grundphalangen sowie eine grobsträhnige Spongiosastruktur. Der Befund ist vereinbar mit Sarkoidose-Arthropathien der PIP.

Klinischer Aufnahmebefund

Der Patient (194 cm, 102 kg) befand sich in einem guten Allgemein- und Kräftezustand. Der Palpationsbefund des Abdomens und der Lymphknotenstatus waren unauffällig, wie auch der Auskultationsbefund von Cor und Pulmo. Der Blutdruck war erhöht, die Pulsfrequenz normal (RR 160/80 mmHg; Herzfrequenz 72/min). Die axillär gemessene Körpertemperatur war mit 36,6oC normal. Eine Klopfempfindlichkeit der Nierenlager oder der Wirbelsäule bestand nicht. Die grobe Kraft und die Sensibilität waren seitengleich. Ein Sensibilitätsausfall bestand am gelegentlich nachts schmerzenden, rechten Fuß.

Klinisch-chemische Befunde

Erhöht waren der Serumkalziumspiegel (2,75-3,24 mmol/l bei Norm 2,2-2,65), das Kreatinin (3,1 mg/dl), der ACE(Angiotensin Converting Enzyme)-Spiegel (40 U/l bei Norm bis 22), der Lysozym-Spiegel (76,5 mg/l bei Norm bis 9) und die 24 Stundenausscheidung von Kalzium (12 mmol/d bei Norm bis 5) und von Hydroxyprolin (300 µmol/24h/m2 bei Norm bis 168). Der Parathormonspiegel war der Hyperkalzämie entsprechend supprimiert (2,0 pg/ml bei Norm 10-65). Die übrigen klinisch-chemischen Befunde, das Differentialblutbild, der HBA1c-Spiegel (5,9 %), die Konzentration des Parathormon-ähnlichen Peptids (PTHrP) (12,5 pmol/l bei Norm bis 21), der 25(OH)Vitamin D-Spiegel (105 nmol/l bei Norm 50-300) und der 1,25-Dihydroxyvitamin D3-Spiegel (67,3 ng/l bei Norm 35-80) sowie sämtliche Tumormarker waren im Normbereich. Hinweise für eine monoklonale Gammopathie oder eine tuberkulöse Infektion fanden sich nicht. Die Stoffwechsellage war euthyreot.

Ergänzende Untersuchungen

Eine Röntgenuntersuchung des Thorax ergab den Verdacht auf mediastinale Lymphome [Abb. 1]. Die radiologische Untersuchung der LWS [Abb. 2] ergab keine altersuntypischen Auffälligkeiten. Die Osteodensitometrie zeigte eine unterhalb der Altersnorm liegende Knochenmasse im Bereich der LWS (Z-Wert-1) bei normalem Mineralsalzgehalt am Calcaneus. Eine Schildrüsensonographie und -szintigraphie zeigte einen Normalbefund. Zur Abklärung des Thoraxbefundes wurde eine Computertomographie (CT) durchgeführt, die den Verdacht auf mediastinale Lymphknotenvergrößerungen bestätigte. Intrapulmonale Rundherde lagen nicht vor. Eine Galliumszintigraphie ergab den Verdacht auf einen Sarkoidosebefall der Lungenhili, des Mediastinums und der Weichgewebe (Cutis und Muskulatur) der distalen Extremitäten. Der röntgenologische Befund der Phalangen zeigte Sarkoidose-Arthropathien an allen proximalen Interphalangealgelenken [Abb. 3]. Eine Lungenfunktionsuntersuchung gab keinen Hinweis auf eine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung, zeigte aber eine diskrete Einschränkung der Diffusionskapazität. Eine Magnetresonanztomographie (MRT) der Wirbelsäule wegen zunehmender Rükkenschmerzen ohne röntgenologisch erkennbare Veränderungen und zunehmender, peripher distaler Sensibilitätsstörungen zeigte multiple Herde in allen Lendenwirbelkörpern [Abb. 4]. Intraspinale Herde wurden nicht nachgewiesen. Eine Ganzkörper-Knochenszintigraphie zeigte eine Nuklidmehrbelegung der Brust- und insbesondere der Lendenwirbelkörper [Abb. 5]. Röntgenmorphologische Korrelate in den magnetresonanztomographisch und knochenszintigraphisch auffälligen Skelettarealen fanden sich nicht.

Eine transbronchiale Lungengewebebiopsie im Rahmen einer Bronchoskopie zeigte tumorzellfreie Biopsate mit mehreren zentral nicht nekrotisierenden, epitheloidzelligen Granulomen mit perifokaler Fibrose, wodurch sich die Diagnose Sarkoidose sichern ließ. In einer Beckenkammbiopsie und in Knochenbiopsien durch zweimalige CT-gesteuerte Punktionen der in der MRT am meisten beherdeten LWK 2 und 3 konnten Sarkoidose Granulome nicht sicher nachgewiesen werden. Eine zur Abklärung der neurologischen Symptomatik durchgeführte Liquoruntersuchung ergab keinen pathologischen Befund. Die überwiegend sensible Polyneuropathie mit leichter proximaler Myopathie sprach für einen Sarkoidosebefall peripherer Nerven.

Therapie und Verlauf

Die Hyperkalzämie in Folge einer Sarkoidose war durch eine Glukokortikoidtherapie behandelbar. Im Rahmen der Glukokortikoidtherapie wurde zunächst überprüft, ob die Hyperkalzämie durch hohe Prednisolongaben (100 mg/d) korrigierbar war. [Abb. 6] zeigt, daß sich der Serumkalzium-und ACE-Spiegel etwa zwei Wochen nach Beginn der Glukokortikoidtherapie im Normbereich befanden. Der Serumkreatinin- und Serumphosphatspiegel wurden durch die Prednisolongabe ebenfalls gesenkt. Der Serumkalzium- und ACE-Spiegel ließ sich unter fortgeführter Glukokortikoidtherapie im Normbereich halten, entsprechend war der PTH-Spiegel im Verlauf ansteigend. Der bis dahin regelmäßige Nierensteinabgang wurde unter einer Prednisolonerhaltungsdosis von 7,5 mg/d in den nächsten Wochen seltener und sistierte schließlich vollständig. Die Schmerzsymptomatik an den Füßen infolge der sensiblen Polyneuropathie besserte sich innerhalb der ersten Wochen nach Therapieaufnahme unwesentlich, weshalb eine medikamentöse Therapie mit 600 mg/d Carbamazepin begonnen wurde.

Abb. 4 Magnetresonanztomographie: In der gesamten Wirbelsäule finden sich multiple Herde im Knochenmark der Wirbelkörper. Die Herde sind in der T1-Wichtung (oben) signalarm, in der T2-Wichtung (unten) dagegen signalreich.

Diskussion

Eine Hyperkalzämie im Rahmen einer Sarkoidoseerkrankung ist im fortgeschrittenen Stadium ein seltener, aber kein ungewöhnlicher Befund. Die Ätiopathologie dieses Befundes wird erklärt durch eine erhöhte extrarenale Aktivität der 1α-Hydroxylase in den aktivierten Makrophagen der Sarkoidose-Granulome und folglich einer erhöhten 1,25-Dihydroxyvitamin D3-Konzentration im Serum [1][2][3]. Über den physiologischen Bereich erhöhte 1,25-Dihydroxycholecalciferol-Spiegel im Serum bewirken eine gesteigerte enterale Kalziumaufnahme, eine gesteigerte Knochenresorption [15] und erhöhen somit den Serumkalziumspiegel über den Normbereich, was eine Hyperkalziurie erklärt und die Entstehung von renalen Kalziumphosphatsteinen ermöglicht. Im oberen Normbereich befindliche bzw. leicht über den Normbereich erhöhte Serumkalziumspiegel wurden bei dem beschriebenen Patienten mit einer seit 23 Jahren rezidivierenden Nephrolithiasis erst seit einem Jahr vor der stationären Aufnahme zur Hyperkalzämieabklärung sicher beobachtet, so daß sich die Hyperkalzämie möglicherweise auf dem Boden einer bestehenden idiopathischen Nephrolithiasis entwickelte.

Abb. 5 Die Knochenszintigraphie zeigt eine diffuse Nuklidmehrbelegung der Brust- und insbesondere der Lendenwirbelkörper.

Bemerkenswerterweise wurde in dem hier diskutierten Fall als Ursache für die Hyperkalzämie jedoch kein erhöhter 1,25-Dihydroxycholecalciferol-Spiegel gemessen, obwohl das ebenfalls von aktivierten Makrophagen sezernierte ACE einen für die Sarkoidose gesteigerten Serumspiegel aufwies. Der trotz Niereninsuffizienz normale 1,25-Dihydroxycholecalciferol-Spiegel wurde dabei möglicherweise durch die extrarenale 1α-Hydroxylase-Aktivität der Sarkoidose-Granulome aufrechterhalten. Die erhöhte Hydroxyprolinausscheidung im 24-h-Urin weist auf eine erhöhte Knochenumbauaktivität hin, da die Höhe der Hydroxyprolinausscheidung mit der Geschwindigkeit und dem Ausmaß resorptiver Knochenprozesse korreliert. Die bei dem chronisch niereninsuffizienten Patienten beobachtete erhöhte Hydroxyprolinausscheidung im Urin spricht insbesonders auch deshalb für einen ausgedehnten resorptiven Knochenprozess, weil es bei chronischer Niereninsuffizienz in der Regel zu einer verminderten Hydroxyprolinausscheidung kommt [10]. Die Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule gaben in dem hier vorgestellten Fall keinen Hinweis auf osteolytische Prozesse, wobei osteodensitometrisch eine mäßige Verminderung der Knochenmasse an der LWS gefunden wurde. Erste Hinweise für die Erklärung der Hyperkalzämie und Hyperkalziurie des hier vorgestellten Patienten lieferte die Röntgenaufnahme des Thorax und der Hände sowie der zur Abklärung einer neurologischen Symptomatik (peripher distale Sensibilitätsstörungen) durchgeführte magnetresonanztomographische Untersuchungsbefund. Die bihiläre Lymphadenopathie zusammen mit der transbronchialen Biopsie erlaubte die Diagnosestellung Sarkoidose [14], wohingegen die MRT zunächst den Verdacht auf osteolytische Destruktionen mehrerer Wirbelkörper lenkte. Eine hämatologische Erkrankung oder eine ossäre Metastasierung ließ sich weder klinisch-chemisch noch durch mehrere Knochenbiopsien bestätigen (Beckenkammbiopsie, 2-malige CT-gesteuerte Punktion des 2. und 3. LWK). Allerdings war auch eine pathohistologische Sicherung einer Infiltration des Knochenmarks durch Sarkoidose-Granulome mit charakteristischen Zellelementen nicht möglich; alle Knochenbiopsien zeigten ein unauffälliges Knochenmarkgewebe. Dieser angesichts der ausgedehnten MRT-Wirbelsäulenveränderungen verblüffende Befund kann dadurch erklärt werden, daß es trotz der wiederholten Durchführung der CT-gesteuerten Knochenbiopsien aus den Lendenwirbelkörpern nicht gelungen ist, die nur in der MRT nachweisbaren Herde gezielt zu biopsieren. Somit könnte es sich bei den in der MRT darstellbaren Herden dennoch um lymphozytäre Sarkoidosemanifestationen handeln, die (noch) zu keiner röntgenologisch auffälligen Knochendestruktion geführt haben. Diese Erklärung ist auf Grund folgender Überlegungen plausibel:

Abb. 6 Verlauf der Serumkalzium-, Phosphat-, Kreatinin-, ACE- und PTH-Spiegel unter Glukokortikoidtherapie. Initial erfolgte die Gabe von Prednisolon 100 mg/d, binnen 3 Wochen wurde die Prednisolontherapie kontinuierlich auf eine Erhaltungsdosis von 7,5 mg/d reduziert.

  • Wirbelkörperläsionen, die sich nur in der MRT darstellen lassen, sind einer CT-gesteuerten Punktion kaum zugänglich, da eine intraläsionale Biopsie im Wirbelkörper nicht sicher möglich ist. Möglicherweise bietet eine MRT-gesteuerte Biopsie hier einen erfolgversprechenden diagnostischen Ansatz.

  • Die eindeutig erhöhte Hydroxyprolinausscheidung im 24h-Urin bei normalen 25-Hydroxy- und 1,25-Dihydroxyvitamin D3-Spiegeln weist auf einen resorptiven Knochenprozess mit einem gesteigerten Knochenstoffwechsel hin, ohne daß sich die Hyperkalzämie gleichzeitig durch eine gesteigerte 1,25-Dihydroxyvitamin D3-Produktion durch die aktivierten Makrophagen der Sarkoidose Ganulome erklären ließe.

  • Vor der Entstehung von nicht-verkäsenden, typischen Granulomen kommt es in der Pathogenese der Sarkoidose zunächst zu einer Auswanderung von monozytären und T-Zellen aus der Zirkulation in die Gewebe aufgrund noch unbekannter chemotaktischer Signale [16]. Das so entstehende Erkrankungsstadium wird im Lungengewebe als lymphozytäre Alveolitis bezeichnet [12], weshalb es sich bei den in den MRT-Aufnahmen erkennbaren Herden möglicherweise um Bereiche mit einer lymphozytären Zellkonzentration handelt.

  • Die im Rahmen der Sarkoidoseerkrankung aktivierten Makrophagen sezernieren eine Reihe von Interleukinen in das Mikromilieu des jeweils infiltrierten Gewebes unter anderen auch Interleukin-1β (IL-1β). IL-1β aktiviert T-Lymphozten, ist ein chemotaktisches Signal für weitere T-Lymphozyten und gleichzeitig auch einer der potentesten Stimulatoren der Knochenresorption [4][11]. Somit erscheint es möglich, daß erhöhten IL-1β Konzentrationen im Knochenkompartiment oder der systemischen Zirkulation eine pathogenetische Bedeutung für die Hyperkalzämie und Hyperkalziurie des vorgestellten Patienten zukommt. Die magnetresonanztomographisch nachgewiesenen Herde in den Wirbelkörpern könnten einem Stadium der vermehrten makrophago- und lymphozytären Infiltration noch vor der Entstehung von Granulomen entsprechen, die zu einer Verdrängung des physiologischerweise bei Patienten entsprechenden Alters vorliegenden Fettmarks führte. Wir halten daher den hier vorgestellten MRT-Befund für ein Frühstadium eines Sarkoidosebefalls des Knochenmarks (lymphozytäre Ostitits), der noch nicht zu einem röntgenologisch erkennbaren osteolytischen Herd mit Wirbelkörperdeformierungen geführt hat. Ein vergleichbares Erscheinungsbild der MRT-Veränderungen zusammen mit einer ähnlichen Diskrepanz zwischen einem unauffälligen röntgenologischen Befund und multiplen Wirbelkörperherden in der MRT wurde bei der vertebralen Sarkoidose bereits von Ginsberg et al. 1993 [7] beobachtet, ohne daß allerdings auch eine Hyperkalzämie vorlag. Ein ossärer Sarkoidosebefall kann auch als multifokal sklerosierende Veränderung in dem Röntgenübersichtsbild der betroffenen Skelettregion imponieren, die sich dann knochenszintigraphisch klar nachweisen lässt [8]. Allerdings können bei der Sarkoidose knochenszintigraphische Mehrspeicherungen auch ohne röntgenologische Korrelate auftreten, wie es auch der hier vorgestellte Fall dokumentiert [5].

    Bei einer Hyperkalzämie ohne röntgenologisch darstellbare Osteolysen und bei supprimiertem Parathormon ist differentialdiagnostisch das Vorliegen einer chronisch granulomatösen Erkrankung zu erwägen, ohne daß Veränderungen der Serumspiegel für Vitamin D-Metabolite vorliegen müssen. Die MRT des Knochens ist hochsensitiv beim Detektieren ossärer Zellinfiltrationen - insbesondere hinsichtlich Ausmaß und Lokalisation im Vergleich zu röntgenologischen Verfahren -, aber wenig spezifisch, so daß zur Diagnosefindung einer MR-tomographisch nachgewiesenen, ossären Veränderung stets eine histologische und laborchemische Überprüfung der Verdachtsdiagnose anzustreben ist.

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    Korrespondenz
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