Laryngorhinootologie 2023; 102(12): 902-903
DOI: 10.1055/a-2130-4614
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Mundhöhlenkarzinom: Sentinel-Node-Biopsie (SNB) als zusätzliches Staging-Tool?“

Contributor(s):
Dietmar Thurnher

**** Einer der wichtigsten prognostischen Faktoren bei Plattenepithelkarzinomen des Kopf- und Hals-Bereiches ist die lokoregionäre Metastasierung in die zervikalen Lymphknoten. Können klinisch und radiologisch keine Lymphknotenmetastasen nachgewiesen werden (N0), wird üblicherweise eine elektive Neck-Dissection durchgeführt, um okkulte Metastasen zu detektieren, wobei hier potenziell aber auch eine Übertherapie stattfindet.

Bei frühen Tumorstadien und ausgesuchten Tumorlokalisationen, wie z.B. der Mundhöhle, stellt die Sentinel-Node-Biopsie (SNB) eine Alternative zur Neck-Dissection dar. Dazu wird üblicherweise präoperativ ein Radiokolloid wie Tc-99m-Nanokolloid, manchmal kombiniert mit einem Farbstoff (Blue-Dye), in den Tumor injiziert. Eine alternative Methode stellt die Verwendung der Nahinfrarotbildgebung mit Indocyaningrün dar, die bereits gute Ergebnisse beim malignen Melanom, beim Mammakarzinom und auch bei gastrointestinalen Karzinomen gezeigt hat [1].

In der diskutierten Arbeit von Christensen et al. kombinieren die Autoren das Radiokolloid Tc-99m mit der optischen Nahinfrarotbildgebung mit Indocyaningrün für die SNB von anterioren Mundhöhlenkarzinomen, da für diese Lokalisation eine relativ hohe Falsch-Negativ-Rate aufgrund des sogenannten „Shine-through-effects“ des radioaktiven Tracers im Bereich des Tumors berichtet wird, d.h. das „starke“ radioaktive Signal des Primärtumors überdeckt potenziell das schwächere Signal naheliegender Lymphknotenmetastasen im anterioren Mundboden. In ihrer Arbeit konnten die Autor*innen zeigen, dass die Kombination beider Methoden bei allen untersuchten 50 Patient*innen einen positiven Nachweis von Sentinel Nodes oder Wächterlymphknoten erbrachte. Im Durchschnitt wurden 2,6 positive Wächterlymphknoten pro Fall nachgewiesen, insgesamt waren es 128 Wächterlymphknoten. In 24% der Patient*innen wurden die Wächterlymphknoten präoperativ nur durch die optische Nahinfrarotbildgebung entdeckt und nicht durch ein SPECT/CT, 26 der 128 Wächterlymphknoten wurden ausschließlich durch die optische Nahinfrarotbildgebung gefunden.

Fazit

Die hier diskutierte Arbeit zeigte mit einer limitierten Zahl an Patient*innen, dass durch die Kombination beider diagnostischer Methoden der Nachweis der Wächterlymphknoten in 100% gelang und dass durch die optische Nahinfrarotbildgebung insbesondere der „Shine-through-Effekt“ bei Tumoren im Bereich des vorderen Mundbodens keine Rolle spielte, da die Falsch-Negativ-Rate bei 0% lag. Diese vielversprechenden Daten lassen auf weitere sorgfältig durchgeführte Studien hoffen, da durch eine SNB mit so hoher Treffsicherheit zukünftig unseren Patient*innen vielleicht invasivere Verfahren wie eine Neck-Dissection erspart bleiben können.



Publication History

Article published online:
04 December 2023

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