Laryngorhinootologie 2024; 103(03): 170-171
DOI: 10.1055/a-2164-8378
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Morbus Menière: Okklusion des Bogengangs und Labyrinthektomie im Vergleich“

Rezensent(en):
Ercole F.N. Di Martino

*** Die orale medikamentöse Behandlung des M. Menière erweist sich häufig als wenig erfolgreich. Neben den intratympanalen Applikationen mit Kortison oder Gentamycin wurde eine Reihe operativer Verfahren in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt und mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt. Die Autoren der vorliegenden Studie übersehen eines der größten Kollektive, welches mit einem Triple Semicircular Canal Plugging (TSCP) versorgt wurde. Insofern ist der Vergleich mit anderen Methoden, wie in diesem Fall der Labyrinthektomie (LRE), in der Behandlung des einseitigen M. Menière interessant.

Der gewählte Nachbeobachtungszeitraum von 2 Jahren sowie die eingesetzten audiologischen und otoneurologischen Untersuchungsmethoden lassen zusammen mit den erhobenen subjektiven Beschwerdeskalierungen belastbare Aussagen zur Effizienz der Verfahren zu. Allerdings sind die gewählten Gruppengrößen der verglichenen operativen Verfahren TSCP (n=90) und LRE (n=23) sehr unterschiedlich. Die im präoperativen Behandlungsverlauf verabreichten Dosen Betahistin waren mit 12 mg/Tag niedrig.

Bei dem Vergleich der beiden hier gewählten Operationsverfahren war das Ergebnis nicht unerwartet. Dies betrifft sowohl einzelne Parameter als auch das Gesamtergebnis. Die TSCP erwies sich als das statistisch signifikant schonendere Verfahren in Bezug auf Hörerhalt, postoperative Beschwerdedauer und vor allem Erhalt der Otolithenfunktion. Die LRE hingegen war in Bezug auf postoperative komplette Schwindelfreiheit signifikant effizienter, allerdings auf Kosten eines kompletten Hörverlusts und einer längeren Rekonvaleszenz. Da auch eine weitgehende Beschwerdefreiheit in das Ergebnis einbezogen wurde, werten die Autoren beide Verfahren in Bezug auf Kontrolle des Vertigo als gleich erfolgreich. Der im Fall einer TSCP häufig erhaltenen Otolithenfunktion kommt dabei laut Li et al. eine wichtige Rolle für die signifikant schnellere postoperative Erholung bei diesem Verfahren zu. Auch für den Fall eines späteren Auftretens des M. Menière auf der Gegenseite besteht daher gegenüber der LRE ein Vorteil. Allerdings schwächt das retrospektive Design die Aussagekraft der Ergebnisse.

Unter Berücksichtigung aller Faktoren halten die Autoren die TSCP für das optimale chirurgische Verfahren bei therapierefraktärem einseitigem M. Menière. Sie setzen sich in einigen Punkten durchaus kritisch insbesondere mit der TSCP auseinander und räumen u.a. ein, dass z.B. ein weiterer Hörverlust trotz Kontrolle der Schwindelsymptome auftreten und die Grunderkrankung weiterbestehen kann. Gleiches gilt für Tumarkin-Krisen, die ebenfalls weiter auftreten können. Li et al. berichten auch den positiven Effekt sowohl von intra- als auch postoperativer Gabe von Kortison für das postoperative Outcome, ohne dies näher zu spezifizieren oder Anwendungsempfehlungen zu geben. Eine kritische Diskussion zur präoperativen medikamentösen Therapie fehlt.

Um das Bild für den Leser abzurunden, wäre der Vergleich von TSCP und LRE mit der wesentlich weniger invasiven und im klinischen Alltag häufiger durchgeführten intratympanalen Gentamycin- und/oder Kortisontherapie hilfreich gewesen. Die Kontrolle der Schwindelsymptome liegt bei Gentamycin nur wenig unter der Rate bei TSCP. Die mitgeteilten Raten des Hörverlusts von etwa 20% entsprechen in etwa denen, die die Autoren beim Einsatz der TSCP fanden (23,3%). Dies wird leider nicht diskutiert.

Fazit

In dieser retrospektiven Studie zeigen Li et al. deutlich, dass die TSCP ein hocheffizientes operatives Verfahren zur Behandlung eines medikamentös therapierefraktären, einseitigen M. Menière ist. Für die Einordnung der klinischen Relevanz im klinischen Alltag wäre gleichwohl ein direkter Vergleich mit der intratympanalen Gentamycin- und/oder Kortisonherapie hilfreich.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
04. März 2024

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