CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2024; 84(04): 357-369
DOI: 10.1055/a-2265-3578
GebFra Science
Original Article

Histologische Befunde nach 2 Jahren Co-Testung Zytologie und HPV in Deutschland

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Arjola Xhaja
1   CytoMol, MVZ für Zytologie und Molekularbiologie, Frankfurt, Germany
,
André Ahr
1   CytoMol, MVZ für Zytologie und Molekularbiologie, Frankfurt, Germany
2   Universitätsfrauenklinik Frankfurt, Frankfurt, Germany
,
Ilona Zeiser
1   CytoMol, MVZ für Zytologie und Molekularbiologie, Frankfurt, Germany
,
Hans Ikenberg
1   CytoMol, MVZ für Zytologie und Molekularbiologie, Frankfurt, Germany
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Einleitung

Seit dem 01.01.2020 wird bei Auffälligkeiten im Rahmen der Co-Testung Zytologie/HPV bei der Zervixkarzinomvorsorge der GKV ab 35 Jahren nach vorgegebenen Algorithmen abgeklärt. Bereits bei grenzwertigen/geringgradigen zytologischen Veränderungen und/oder HPV-Persistenz ist eine Kolposkopie vorgesehen. In dieser Arbeit vergleichen wir die histologischen Befunde nach Untersuchungen in der primären Prävention 2020/21 mit 2018/19 und damit auch die Ergebnisse zweier unterschiedlicher Screeningansätze.

Patientinnen und Methoden

Alle zytologischen, HPV- und histologischen Ergebnisse aus allen primären und den daraus resultierenden Abklärungs- und kurativen Fällen, die bis 30.06.2023 in Erfahrung gebracht werden konnten, wurden analysiert. Aus den Jahren 2018/19 waren dies 650600 zytologische und 1804 histologische Befunde, 2020/21 491450 zytologische und 7156 histologische Befunde. Die absoluten Zahlen der histologischen Befunde und die prozentualen Verhältnisse dieser zu allen zytologischen Diagnosen werden mit Vergleichsfaktoren dargestellt.

Ergebnisse

2020/21 gab es bezogen auf alle vorhergehenden Zytologien 5,2-mal mehr histologische Befunde als 2018/19, 10,6-mal mehr Biopsien, 3,8-mal mehr Konisationen und 1,2-mal mehr Hysterektomien. Besonders stark nahm die Abklärung grenzwertiger/niedriggradiger oder nur HPV-positiver Befunde zu. Mit der Co-Testung wurden 12,7-mal mehr CIN1, 6,4-mal mehr CIN2 und 3,5-mal mehr CIN3 diagnostiziert. Der Anteil der Biopsien ohne Dysplasie war 7,6-mal höher als die Jahre zuvor. Zervixkarzinome wurden 1,8-mal mehr und Endometriumkarzinome 0,7-mal weniger diagnostiziert.

Schlussfolgerung

Mit der Co-Testung wurden mehr CIN gefunden, aber die Zunahme der histologischen Befunde niederen Grades oder ohne Dysplasie war weit stärker als jene der CIN3. Nicht therapiepflichtige Läsionen machten 2020/21 zusammen 94,4% der Biopsieergebnisse aus. Der Einsatz von LBC mit Computerassistenz und Progressionsmarkern könnte diese reduzieren.


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Einleitung

Anmerkungen

Die zytologischen Befunde wurden nach der in Deutschland verbindlichen Münchner Nomenklatur III erhoben. Sie wurden jeweils in das Bethesda-System (TBS) übertragen und die entsprechenden Diagnosen in Klammern angegeben, HPV meint im Text immer High-Risk (HR)-HPV.

Seit 2020 ist im Programm der deutschen Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) zur Prävention des Zervixkarzinoms bei Frauen ab dem 35. Lebensjahr anstelle jährlicher konventioneller Zytologie eine Co-Testung mit Zytologie und HPV alle 3 Jahre der neue Standard. Zur Zytologie sind nun auch flüssigkeitsbasierte Verfahren (LBC) und Computerassistenz (CAS) zugelassen, werden aber nicht zusätzlich vergütet [1]. Die von der Regulationsinstanz G-BA festgelegten obligatorischen Algorithmen zur Abklärung auffälliger Befunde fordern eine Expertenkolposkopie und – soweit möglich – Biopsie bereits bei geringfügigen Abweichungen von der Norm [1]. So etwa bei 2-maliger HPV-Positivität (auch ohne HPV-16- oder -18-Nachweis) und bei grenzwertigem zytologischem Befund (Münchner Nomenklatur: Pap II-p/g; TBS: ASC-US/AGC-NOS) mit HPV-Positivität oder 2-malig Pap III D1 (TBS: LSIL) ohne HPV-Positivität. Dies steht im Gegensatz zur S3-Leitlinie „Prävention des Zervixkarzinoms“, die in diesen Fällen zunächst eine erneute Kontrolle, auch mit dem Biomarker p16/Ki-67, empfiehlt [2].

Die hier vorgestellten Daten wurden in einem zytologischen und molekularbiologischen Routinelabor erhoben, das auf Untersuchungen zur Prävention des Zervixkarzinoms spezialisiert ist (MVZ CytoMol, Frankfurt am Main, Deutschland). Hier wurde seit Beginn der Co-Testung 2020 LBC (ThinPrep, Hologic, Wiesbaden, Deutschland) mit Computerassistenz (Imager, Hologic, Wiesbaden, Deutschland) zusammen mit HPV-DNA-Testung (cobas, Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland) als Standard bei der Co-Testung angeboten. Dieses Angebot wurde von über 99% der Berechtigten angenommen. Bereits im Jahr 2022 wurden die unter diesen Bedingungen erhobenen Daten zu den zytologischen Diagnosen in den Jahren 2020 und 2021 im Vergleich mit denen der konventionellen Zytologie ohne routinemäßige HPV-Testung in den Jahren 2018 und 2019 in diesem Journal veröffentlicht [3]. Mittlerweile liegen auch die histologischen Befunde vor, die in der Folge von Co-Testungen (2020/21) bzw. bei zytologischen Untersuchungen in der Primärprävention (2018/19) erhoben wurden, soweit sie zu erhalten waren. In dieser Publikation werden sie mit den vorhergehenden zytologischen Befunden korreliert und die Ergebnisse der Zeiträume vor und nach Einführung der Co-Testung miteinander verglichen. Aufgrund der hohen Fallzahlen, die in diesem Labor zum einen mit der Co-Testung untersucht wurden, und der großen Zahl an histologischen Befunden, die in der Folge dokumentiert werden konnten, ist hier eine gute Basis für eine erste kritische Bewertung des neuen Präventionsalgorithmus gegeben.


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Patientinnen und Methoden

Patientinnen und Abklärungsprozedere

In Deutschland werden kolposkopische Untersuchungen und Biopsien, aber auch therapeutische Eingriffe, wie Konisationen, dezentral in zahlreichen Praxen und Institutionen durchgeführt. Zum 31.12.2021 (letzte verfügbaren Zahlen) hatten 39 Dysplasieeinheiten und 247 Dysplasiesprechstunden eine entsprechende Zertifizierung erhalten [4]. Nach Schätzungen wird aber ein Teil der Untersuchungen und Eingriffe außerhalb von so zertifizierten Einrichtungen durchgeführt. Vor allem aber ist eine Erfassung von Fällen, die in nicht über die GKV-Codes der gesetzlichen Präventionsuntersuchung abrechnenden Einrichtungen (wie Universitätskliniken oder eben nicht zertifizierten Praxen) behandelt wurden, im Rahmen der Auswertung der Ergebnisse der Co-Testung weder vorgesehen noch möglich. Daher versuchen wir bei CytoMol systematisch, von unseren Einsendern die entsprechenden Befunde zu erhalten. Dies ist auch nach der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V (Qualitätssicherungsvereinbarung Zervix-Zytologie) vorgeschrieben. Zunächst wird bei jedem auffälligen zytologischen Befund oder Befund von HPV-Persistenz, der von uns herausgegeben wird, um die Übersendung der Ergebnisse von eventuellen Abklärungsuntersuchungen oder Therapien gebeten. Treffen diese innerhalb von 1 Jahr nicht bei uns ein, so werden die Praxen über eine sogenannte Recall-Liste gebeten, uns die entsprechenden Befunde zu übersenden. Wenn bei einer neuen zytologischen Untersuchung, die bei uns in Auftrag gegeben wurde, die Zytologie auf eine stattgefundene Intervention hindeutet, wird telefonisch und/oder per Fax nach solchen histologischen Befunden gefragt.

Wenn die Befundberichte bei CytoMol eintreffen, werden sie zur elektronischen Speicherung gescannt und die Kerndiagnosen nach Prüfung der Befundberichte durch Sekretärinnen und Ärztinnen in unser Laborsystem eingetragen. Diese Aktivitäten nehmen auf das Jahr gerechnet mindestens 1 volle Arbeitskraft in Anspruch. Im Laufe des 1. Jahres nach histologischer Diagnose wurden so über 70% dieser Daten erhalten und gespeichert. Bei Pap IVa-p im Jahr 2021 (GKV) hatten wir nach 1 Jahr 75,42% der Histologien erhalten. Nach einem weiteren halben Jahr kommen noch maximal weitere 10% Befunde dazu. Um die ersten 2 Jahre der Co-Testung möglichst komplett zu erfassen, wurde daher der 30.06.2023 als Stichtag für den Eingang der letzten dokumentierten histologischen Befunde gewählt.

Im Folgenden vergleichen wir die bis zu diesem Zeitpunkt erhaltenen histologischen Befunde von Frauen, bei denen in den Jahren 2020 und 2021 im Rahmen der Co-Testung auffällige zytologische Befunde und persistierende HPV-Positivität (Pap II-a) erhoben wurden, mit den histologischen Befunden von Frauen, bei denen in den 2 vorhergehenden Jahren 2018 und 2019 im Rahmen der zu dieser Zeit jährlichen konventionellen Zytologie ohne routinemäßige HPV-Testung bei der primären Vorsorgeuntersuchung zytologische Auffälligkeiten diagnostiziert wurden. Auch hier wurden alle histologischen Befunde, die bis zum 30.06.2023 erhalten wurden, in die Auswertung mit einbezogen. Es gingen ausschließlich Fälle nach primärer Vorsorge sowie die kurativen und Abklärungsfälle, die daraus folgten, in die Auswertung ein. Diese sind durch sogenannte Abrechnungsziffern eindeutig definiert. Es ist möglich, dass eine Patientin mehrfach erfasst wurde, zum Beispiel zunächst als Biopsie nach der primären Zytologie, dann als Konisat nach der kurativen oder Abklärungszytologie. Dieser Bias galt für beide Berichtsperioden. Falls mehrere Biopsate gleichzeitig beurteilt wurden, wurde nur der höchstgradige Befund erfasst. Insgesamt gingen aus den Jahren 2018/19 650600 zytologische und 1804 histologische Befunde, aus den Jahren 2020/21 491450 zytologische und 7156 histologische Befunde in die Auswertung ein.

Details zu den gynäkologischen Praxen, in denen die Frauen, deren Befunde die Grundlage dieser Arbeit sind, untersucht wurden, zur Population und den Verfahren zur zytologischen und HPV-Testung sind in der Publikation der zytologischen und HPV-Ergebnisse der ersten 2 Jahre der Co-Testung beschrieben [3].


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Methoden

Die histologische Aufarbeitung der bei Biopsie oder Therapie erhaltenen Gewebe erfolgte entsprechend dem medizinischen Standard in über 100 Pathologieinstituten aus dem ganzen Bundesgebiet.


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Datenerfassung und Statistik

Die so erhaltenen Daten wurden in einem spezialisierten Computersystem verarbeitet und gespeichert (nexus Zytologie, nexus, Donaueschingen, Deutschland). Im gleichen System waren bereits die Daten zur Zytologie und zum HPV-Nachweis aus den Jahren 2020/21 und 2018/19 gespeichert.

Die Datensätze wurden deskriptiv aufbereitet und das Verhältnis der Häufigkeiten der histologischen Befunde in den Zeiträumen 2018/19 vs. 2020/21 retrospektiv verglichen und auch als Faktor dargestellt.


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Ergebnisse

Fallzahlen und Methoden zur Abklärung

2020 und 2021 wurden 395759 primäre Zytologie-HPV-Co-Tests durchgeführt, von denen die daraus folgenden histologischen Ergebnisse hier berichtet werden. Zusätzlich gingen in die Auswertung die histologischen Ergebnisse nach 11020 sogenannten Abklärungszytologien und 84671 sogenannten kurativen Zytologien in der Folge auffälliger Co-Tests ein.

Von 12264 (3,09%) auffälligen zytologischen Befunden aus der primären Prävention (n = 395759) wurden bis zum 30.06.2023 2851 (0,72%) histologische Befunde erhalten. Nach 11020 Abklärungszytologien ergaben sich bei 3064 (27,80%) auffälligen Pap-Befunden 1673 (15,18%) histologische Befunde und nach 84671 kurativen Zytologien mit 9760 (11,52%) auffälligen Ergebnissen 2632 (3,1%) histologische Befunde. Insgesamt wurden so nach 491450 Pap-Tests 2020/21 mit 25088 (5,1%) auffälligen Befunden 7156 (1,45%) histologische Befunde erhalten (Details [Tab. 1]).

Tab. 1 Verteilung der Zytologiebefunde, der histologischen Ergebnisse und der Eingriffe bei Frauen > 35 in den Jahren 2018/19 und 2020/21. Prozentuale Vergleichsfaktoren 2020/21 zu 2018/19 bezogen auf alle vorhergehenden zytologischen Untersuchungen.

Zyto/Histo/Eingriff/n

Jahr

präventive Zytologie

kurative Zytologie

Abklärungszytologie

gesamt

Faktor 20/21 vs. 18/19

% aller Eingriffe

n

% aller präventiven

n

% aller kurativen

n

% aller Abklärung

n

% aller Zytos

Zyto-Diagnose

alle

2018/19

588192

62408

650600

0,75

2020/21

395759

84671

11020

491450

auffällige Zytologie

2018/19

14551

2,47%

7335

11,75%

21886

3,36%

1,52

2020/21

12264

3,09%

9760

11,52%

3064

27,8%

25088

5,10%

Histologie

2018/19

713

0,12%

1091

1,74%

1804

0,28%

5,17

2020/21

2851

0,72%

2632

3,1%

1673

15,18%

7156

1,45%

Biopsie

2018/19

29%

275

255

530

0,08%

10,63

2020/21

59%

1555

1399

1236

4190

0,85%

Konisation

2018/19

52%

258

679

937

0,14%

3,78

2020/21

36%

1107

1111

408

2626

0,53%

Hysterektomie

2018/19

19%

180

157

337

0,05%

1,2

2020/21

5%

189

122

29

340

0,06%

2018 und 2019 gab es bei annähernd gleicher Zahl an Patientinnen wegen der in diesem Zeitraum jährlichen – nur zytologischen – Vorsorgeuntersuchung 588192 zytologische Befunde in der Primärprävention. Aus diesem Zeitraum wurden bis zum 30.06.2023 nach primärer Prävention 14551 (2,47%) auffällige zytologische Befunde generiert. Hieraus resultierten 713 (0,12%) histologische Befunde. Nach 62408 kurativen Zytologien, davon 7335 (11,75%) mit auffälligen Befunden, wurden 1091 (1,74%) histologische Befunde erhalten. Insgesamt wurden so nach 650600 Pap-Tests mit 21886 (3,36%) auffälligen zytologischen Befunden 1804 (0,28%) histologische Befunde erhalten.

Während – bedingt durch das längere Intervall der Vorsorgeabstriche – die Zahl der Pap-Abstriche 2020/21 vs. 2018/19 um den Faktor 0,75 zurückging, stieg der Prozentsatz auffälliger Abstriche von 3,36% auf 5,1%, also um den Faktor 1,52. Die histologische Abklärungsquote von 0,28% nahm auf 1,45% zu. Dies ist ein Anstieg um den Faktor 5,17 (Details [Tab. 1]).

Von den Abklärungen 2018/19 waren 713 (40%) nach primärer und 1091 von 1804 Fällen (60%) nach kurativer Zytologie. 2020/21 waren dies von 7156 Fällen ebenfalls 40% (2851) nach primärer Zytologie (Co-Testung), 23% (1673) nach Abklärungszytologie und 37% (2632) nach kurativer Zytologie.

Während 2018/19 29% der histologischen Befunde das Ergebnis einer Biopsie oder Kürettage waren, stieg dieser Prozentsatz in den Jahren 2020/21 auf 59% an. 52% der Befunde wurden 2018/19 durch eine Konisation erzielt, 2020/21 waren es 36%. Der Prozentsatz der histologischen Befunde nach einer Hysterektomie betrug 2018/19 19%. Er nahm 2020/21 auf 5% ab ([Tab. 1]).

Die absolute Zahl der Biopsien nahm von 530 auf 4190 zu. Ihr prozentualer Anteil bezogen auf alle vorhergehenden Zytologien bei und in der Folge der Primärprävention stieg um einen Faktor von 10,63 (0,08% >>> 0,85%). Die Zahl der Konisationen stieg von 937 auf 2626. Dies war ein Anstieg des Anteils bezogen auf alle Zytologien um den Faktor 3,78 (0,14% >>> 0,53%). Die Zahl der Hysterektomien ebenso wie ihr Prozentsatz bezogen auf die Zytologien blieb fast gleich (337 = 0,05% und 340 = 0,06%; Faktor 1,2) ([Tab. 1]).


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Histologische Ergebnisse

Die absolute Zahl aller histologischen Diagnosen stieg von 2018/19 auf 2020/21 mit Ausnahme der Endometriumkarzinome und sehr seltener anderer Neoplasien – zum Teil stark – an. So bei CIN 1 von 153 auf 1444, was einer Zunahme um den Faktor (bezogen auf alle zytologischen Untersuchungen der beiden Jahre) von 12,7 entspricht. CIN 2 nahmen von 227 auf 1092 zu (Faktor 6,5). Bei CIN 3 und Adenocarcinomata in situ (AIS) stieg die Zahl von 775 auf 1901, ein Faktor von 3,2. Geringer war der Anstieg bei invasiven Karzinomen der Zervix (von 102 auf 135, Faktor 1,8). Nur die absolute Zahl an Endometriumkarzinomen und sehr seltenen anderen Neoplasien verringerte sich von 104 auf 51 (Faktor 0,7). Sehr hoch war auch der Anstieg an Fällen ohne Nachweis von histologischen Auffälligkeiten (CIN 0). 2018/19 waren dies 443, 2020/21 hingegen 2533, damit ein Anstieg um einen Faktor von 7,6 ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Histologische Ergebnisse der Co-Testung Zytologie + HPV > 35 Jahre 2020/21 vs. nur zytologischem Screening 2018/19.

Der Anteil von CIN 1 nahm von 8,5% 2018/19 auf 20,2% 2020/21 und der von CIN 2 von 12,6% auf 15,3% zu, dagegen sank die Rate an CIN 3 und AIS von 43% 2018/19 auf 27% 2020/21 sowie die Rate der invasiven Zervixkarzinome von 6% auf 2%. Endometriumkarzinome und sehr seltene andere Neoplasien fanden sich in 0,7% 2020/21 statt in 6% 2018/19. Die histologische Untersuchung ergab keine Auffälligkeit (CIN 0) 2020/21 in 35,4%, hingegen 2018/19 in 24,6%. Somit nahm die Rate an histologischer Auffälligkeit bei der Abklärungsuntersuchung oder Therapie 2020/21 im Vergleich zu 2018/19 von 75,4% auf 65,6% ab ([Abb. 2] a,b).

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Abb. 2 a Anteil der Eingriffsarten bei verschiedenen histologischen Befunden 2020/21 n = 7156. b Anteil der Eingriffsarten bei verschiedenen histologischen Befunden 2018/19 n = 1804.

Der Prozentsatz der histologischen Befunde, der mit den verschiedenen diagnostischen und therapeutischen Eingriffen erzielt wurde, war 2020/21 gegenüber 2018/19 für die Biopsien bei CIN 0 und CIN 2 ähnlich (CIN 0: 53,5% vs. 55,3%; CIN 2: 12,6% vs. 10,6%). Er unterschied sich jedoch deutlich bei CIN 1 (28,3% vs. 13,2%) und bei CIN 3 (4,1% vs. 9,6%). Bei den Konisationen waren die Unterschiede für alle CIN-Gruppen geringer (Details s. [Abb. 3] a,b). Allerdings stiegen die absoluten Fallzahlen (s. o.) – zum Teil sehr stark – an.

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Abb. 3 a Histologische Befunde bei verschiedenen Eingriffsarten 2020/21 n = 7156. b Histologische Befunde bei verschiedenen Eingriffsarten 2018/19 n = 1804.

2020/21 fanden sich 88,5% der 2533 Fälle ohne auffälligen histologischen Befund (CIN 0) unter den Biopsien, ebenso 82,2% der 1444 CIN 1. Dagegen waren es 48,2% der CIN 2, 9,0% der CIN 3 und 31% der Zervixkarzinome. Bei den Konisationen waren die Zahlen gegenläufig: 9,2% der CIN 0, 16,4% der CIN 1, 49,3% der CIN 2, 83,7% der CIN 3 und 18% der Zervixkarzinome. Die entsprechenden Zahlen zu 2018/19 finden sich in den [Abb. 2] und [Abb. 3]. Zusammen machten diese nicht therapiepflichtigen Läsionen 94,4% der Biopsieergebnisse aus (n = 3956). 2018/19 lag dieser Prozentsatz und vor allem die absolute Zahl mit 79,0% (n = 419) deutlich niedriger.


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Korrelation Histologie nach Zytologie (Co-Test) mit dem HPV-Status

Eine Korrelation von histologischen Befunden und HPV-Status bei der vorhergehenden Untersuchung (Details hierzu unter [3]) ließ sich aufgrund der Limitation des Routinelaborsystems nur für die Fälle herstellen, in denen die Histologie direkt nach der primären Zytologie (also direkt nach der Co-Testung und somit fast immer aus der ersten Abklärungskolposkopie-Biopsie) gewonnen wurde. Von 2851 Fällen waren hier 93,8% (n = 2673) HPV-positiv, 6,2% (n = 178) waren HPV-negativ. Von den CIN 1 (n = 537) waren 98,1%, von den CIN 2 (n = 386) 98,4% und von den CIN 3 (n = 896) 97,0% HPV-positiv. 94,8% der 77 invasiven Plattenepithelkarzinome, 93,3% der 15 AIS, 83,3% der 24 Adenokarzinome der Zervix, und 0% der 39 Endometriumkarzinome waren HPV-positiv. Die 8 in dieser Gruppe subsumierten Vulvakarzinome und das 1 Vaginalkarzinom waren HPV-positiv ([Tab. 2]).

Tab. 2 Histologische Befunde (n = 2851) und HPV-Status bezogen auf die verschiedenen Zyto-Gruppen (n = 395759) in der primären Vorsorge (Co-Test) 2020/21.

primäre Zytologie 2020/21

CIN 0

CIN 1

CIN 2

CIN 3

AIS

PE-CC

Ad-CC

Em-Ca

alle

HPV Ergebnisse

Pap/HPV

neg

pos

neg

pos

neg

pos

neg

pos

neg

pos

neg

pos

neg

pos

neg

pos

n

neg%

pos%

I

34

5

1

2

1

6

49

98%

2%

II-a

5

43

5

4

8

4

4

73

12,3%

87,7%

II-p

2

148

56

20

19

1

1

247

0,8%

99,2%

II-g

6

47

1

12

1

9

7

1

84

10,7%

89,3%

II-e

11

1

1

3

16

100%

0

III D1

5

291

283

118

1

119

2

1

2

822

0,7%

99,3%

III D2

9

109

3

98

3

132

4

169

1

2

3

533

3,6%

96,4%

III-p

8

85

41

46

3

139

1

5

2

1

1

332

3,6%

96,4%

III-g

6

28

12

10

3

21

1

6

1

3

1

3

2

97

14,4%

85,6%

III-e

8

6

14

100%

0

III-x

2

1

1

4

75%

25%

IVa-p

27

18

1

34

9

338

23

1

451

2,2%

97,8%

IVa-g

2

2

1

13

3

5

26

3,8%

96,2%

IVb-p

1

1

1

3

3

27

1

13

1

51

9,8%

90,2%

IVb-g

2

5

1

8

0

100%

V-p

1

1

1

8

1

20

1

1

34

8,8%

91,2%

V-g

1

2

1

2

6

50%

50%

V-e

1

1

2

100%

0

V-x

2

2

100%

0

alle

96

10,9%

781

89,1%

10

1,9%

527

98,1%

6

1,6%

380

98,4%

27

3,0%

869

97,0%

1

6,7%

14

93,3%

4

5,2%

73

94,8%

4

16,7%

20

83,3%

30

76,9%

9

23,1%

2851

100%

178

6,2%

2673

93,8%

Die ganz große Mehrzahl der histologisch abgeklärten zytologischen Auffälligkeiten war HPV-positiv. So etwa 245 der 247 Pap II-p-Fälle (99,2%) und 816 von 822 Pap III D1-Diagnosen (99,3%). Etwas geringer war die Rate der HPV-Positivität bei drüsigen Atypien (75 der 84 Pap II-g [89,3%]; 83 der 97 Pap III-g [85,6%]) und bei den Pap V-p (3 von 34 [91,2%] und V-g (3 von 6 [50%]). Alle Pap III-e, V-e und V-x waren HPV-negativ (Details [Tab. 2]).


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Histologische Befunde in den verschiedenen Pap-Gruppen

Die Bewertung der Zytologie erfolgte nach der seit 2014 in Deutschland gültigen Münchner Nomenklatur III [5]. Die Befunde wurden in das international übliche Bethesda-System (TBS) [6] übertragen.

Details der Auswertung sind beschrieben in der vorhergehenden Arbeit zur Zytologie in den ersten beiden Jahren der Co-Testung [3]. Bei der diagnostischen oder therapeutischen Abklärung auffälliger zytologischer Befunde zeigte sich 2020/21 gegenüber 2018/19 in allen Pap-Gruppen (bis auf V-g) eine höhere Rate an Abklärungen. Der Anstieg war am höchsten bei den grenzwertigen und niedriggradigen zytologischen Befunden und nahm mit deren Schweregrad ab. So war der Vergleichsfaktor der Abklärungsraten – auf die Gesamtzahl aller zytologischen Untersuchungen bezogen – bei Pap II-p (ASC-US) und Pap III D1 (LSIL) 13, bei Pap III D2 (HSIL) 7,3, bei Pap III-p (ASC-H) 4,3, bei Pap IVa-p (HSIL) 2,2, bei IVb-p 1,5 und bei V-p 1,3 (Carcinoma) (Details s. [Tab. 3]).

Tab. 3 Histologische Befunde in verschiedenen Pap-Gruppen bezogen auf die Gesamtzahl aller zytologischen Untersuchungen bei Frauen > 35 Jahren 2018/19 vs. 2020/21 und der entsprechende Faktor.

Zytologie

Jahr

n Histologien

CIN 0

CIN 1

CIN 2

CIN 3/AIS

Cx-Ca

Em-Ca

Faktor

I

2018/19

80

50

62,50%

2

2,50%

0

0%

2

2,50%

2

2,50%

24

30,00%

1,4

2020/21

84

62

73,8%

11

13,10%

1

1,19%

3

3,57%

1

1,19%

6

7,14%

II-a

2018/19

42

19

45,24%

5

11,90%

4

9,52%

6

14,29%

1

2,38%

7

16,66%

18,7

2020/21

605

410

67,77%

103

17,02%

39

6,45%

44

7,27%

0

0%

9

1,49%

II-p

2018/19

67

45

67,16%

5

7,46%

6

8,96%

2

2,99%

2

2,98%

7

10,44%

13

2020/21

650

399

61,38%

143

22,00%

57

8,77%

49

7,54%

1

0,15%

1

0,15%

II-g

2018/19

57

44

77,19%

2

3,51%

2

3,51%

2

3,51%

0

0%

7

12,28%

4,5

2020/21

181

116

64,09%

21

11,60%

27

14,92%

15

8,29%

1

0,55%

1

0,55%

IIID 1

2018/19

216

76

35,19%

56

25,93%

41

18,98%

39

18,06%

1

0,46%

3

1,39%

13

2020/21

2120

800

37,74%

706

33,30%

318

15,00%

289

13,63%

4

0,19%

3

0,14%

IIID 2

2018/19

274

47

17,15%

36

13,14%

88

32,12%

103

37,59%

0

0%

0

0%

7,3

2020/21

1523

367

24,10%

282

18,52%

414

27,18%

451

29,61%

9

0,59%

0

0%

III-p

2018/19

211

48

22,74%

18

8,53%

35

16,59%

97

45,97%

10

4,73%

3

1,42%

4,3

2020/21

691

197

28,50%

103

14,91%

113

16,35%

267

38,64%

9

1,30%

2

0,29%

III-g

2018/19

100

46

46,00%

3

3,00%

8

8,00%

26

26,00%

6

6,00%

11

11,00%

2,6

2020/21

199

79

39,70%

27

13,57%

26

13,07%

56

28,14%

7

3,51%

4

2,01%

IVa-p

2018/19

534

34

6,36%

19

3,56%

39

7,30%

421

78,84%

20

3,74%

1

0,19%

2,2

2020/21

867

65

7,50%

41

4,73%

86

9,92%

639

73,70%

34

3,92%

2

0,23%

IVa-g

2018/19

40

5

12,50%

4

10,00%

3

7,50%

25

62,50%

3

7,50%

0

0%

1,9

2020/21

57

7

12,28%

4

7,01%

3

5,26%

34

59,65%

9

15,79%

0

0%

IVb-p

2018/19

62

2

3,22%

1

1,61%

1

1,61%

42

67,74%

16

25,81%

0

0%

1,5

2020/21

69

1

1,45%

1

1,45%

6

8,70%

37

53,62%

24

34,78%

0

0%

IVb-g

2018/19

11

0

0%

1

9,09%

0

0%

4

36,36%

5

45,45%

1

9,09%

1,2

2020/21

10

0

0%

0

0%

0

0%

2

20,00%

7

70,00%

1

10,00%

V-p

2018/19

38

1

2,63%

0

0%

0

0%

4

10,53%

27

71,05%

6

15,79%

1,3

2020/21

38

0

0%

1

2,63%

2

5,26%

12

31,58%

21

55,26%

2

5,26%

V-g

2018/19

15

0

0%

0

0%

0

0%

1

6,67%

8

53,33%

6

40,00%

0,6

2020/21

7

0

0%

0

0%

0

0%

1

14,29%

4

57,14%

2

28,57%

Anzumerken ist, dass die Pap-Gruppe II-a (NILM) (Faktor 18,7) nicht vergleichbar zwischen beiden Perioden ist, da 2018/19 hier überwiegend anamnestische Auffälligkeiten, welche nicht durch einen positiven HPV-Befund bedingt waren, dominierten, während 2020/21 diese Diagnose ganz überwiegend nach einem positiven HPV-Befund vergeben wurde. (In unserem Labor wurde, um solchen Fällen Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, bei jeder Art von HPV-Positivität ohne zytologische Auffälligkeit ein Pap II-a vergeben.) 2020/21 waren so von den Fällen der primären Zytologie (Co-Testung) 94,3% der Pap II-a HPV-positiv [3].

Auch die absoluten Zahlen der histologischen Befunde nach auffälliger Zytologie stiegen mit Ausnahme von Pap V (Carcinoma) – meist stark – an. So bei Pap II-p (ASC-US) von 67 auf 650, bei Pap III D1 (LSIL) von 216 auf 2120, bei Pap III D2 (HSIL) von 274 auf 1523, bei Pap III-p (ASC-H) von 211 auf 691 und bei Pap IVa-p (HSIL) von 534 auf 867. Bei den Gruppen IV-b,p,g 73 vs. 79 und V-p 38 vs. 38 blieb die Zahl fast unverändert. Bei der Pap Gruppe V-g hat die absolute Zahl 2020/21 vs. 2018/19 sogar abgenommen von 15 auf 7 (Details s. [Abb. 1] und [Tab. 3]).

Die Zahl an diagnostischen und therapeutischen Eingriffen, bei denen die histologische Untersuchung keinen auffälligen Befund ergab (CIN 0), stieg – meist sehr stark – an (s. [Tab. 3]).

Dies war besonders ausgeprägt bei grenzwertigen und niedriggradigen Befunden. So bei Pap II-a (NILM) von 19 auf 410, bei II-p (ASC-US) von 45 auf 399, bei Pap III D1 (LSIL) von 76 auf 800 und Pap III-p (ASC-H) von 48 auf 197. Geringer bzw. nicht gegeben war der Anstieg bei Pap II-g (AGC-NOS) von 44 auf 116, Pap III-g (AGC-FN) von 46 auf 79, bei Pap IVa-p (HSIL) 34 auf 65 und Pap IVa-g (AIS) 5 auf 7. Bei Pap IVb-p (HSIL) und Pap V (Carcinoma) gab es 2020/21 keine CIN-0-Befunde.

Auch die absoluten Zahlen an CIN 1 und CIN 2 nahmen 2020/21 – wiederum besonders nach grenzwertigen und niedriggradigen zytologischen Diagnosen – deutlich zu. Nach Pap II-a (NILM) CIN 1 von 5 auf 103, CIN 2 von 4 auf 39. Nach Pap II-p (ASC-US) CIN 1 von 5 auf 143, CIN 2 von 6 auf 57. Nach Pap III D1 (LSIL) CIN 1 von 56 auf 706, CIN 2 von 41 auf 318 und nach Pap III-p (ASC-H) CIN 1 von 18 auf 103, CIN 2 von 35 auf 113. Geringer war der Anstieg wiederum bei Pap II-g (AGC-NOS) CIN 1 und CIN 2 von jeweils 2 auf 21 bzw. 2 auf 27, bei Pap III-g (AGC-FN) CIN 1 von 3 auf 27, CIN 2 von 8 auf 26, bei Pap IVa-p (HSIL) CIN 1 von 19 auf 41, CIN 2 von 39 auf 86. Bei Pap IVa-g (AIS) waren die absoluten Zahlen unverändert und bei Pap V (Carcinoma) gab es 2020/21 nur 1 CIN-1- und 2 CIN-2-Befunde.

Die absoluten Zahlen an CIN 3/AIS haben ebenfalls zugenommen. Bei Pap II-a (NILM) von 6 auf 44. Nach Pap II-p (ASC-US) von 2 auf 49, nach Pap III D1 (LSIL) von 39 auf 289 und Pap III-p (ASC-H) von 97 auf 267. Geringer war der Anstieg bei Pap II-g (AGC-NOS) von 2 auf 15, Pap III-g (AGC-FN) von 26 auf 56, bei Pap IVa-p (HSIL) von 421 auf 639, Pap IVa-g (AIS) von 25 auf 34 und Pap V (Carcinoma) von 5 auf 13. Bei Pap IVb-p (HSIL) und Pap IVb-g gingen die Zahlen etwas zurück von 42 auf 37 bzw. 4 auf 2.

Die Rate an CIN 3, mittlerweile als entscheidende Zielläsion der Zervixkarzinomprävention angesehen, nahm in den Gruppen II-p (ASC-US) und II-g (AGC-NOS) somit von 3,0% auf 7,5 bzw. von 3,5% auf 8,3% zu. Bei Pap III D1 (LSIL) und Pap III D2 (HSIL) ging sie von 18,1% auf 13,6% bzw. von 37,6% auf 29,6% zurück. Bei Pap IVa-p (HSIL) war der Rückgang gering (78,8 vs. 73,7%). Bei Pap II-a (NILM) waren es 7,3%. Hier ist ein Vergleich mit 2018/19 nicht möglich (s. o.).

Details zu allen Pap-Gruppen und allen histologischen Befunden inklusive der prozentualen Anteile und deren Vergleichsfaktoren s. [Tab. 3].

Eine Erfassung der Zahl der Kolposkopien, bei denen es zu keiner Gewebeentnahme kam, ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Bei der Auswertung und im Follow-up der zytologischen Ergebnisse ist es zwar im Rahmen der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V Qualitätssicherungsvereinbarung Zervix-Zytologie notwendig und mit großem organisatorischem Aufwand (s. Material und Methoden) weitgehend möglich, die Ergebnisse histologischer Untersuchungen zu erhalten. Dies gilt jedoch nicht für diagnostische Kolposkopien, von deren Durchführung das zytologische Labor in vielen Fällen nicht einmal Kenntnis erhält, und vor allem fehlen meist die Berichte der durchgeführten Eingriffe in den Dysplasiesprechstunden/-Zentren von Krankenhäusern und Unikliniken.


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Diskussion

In den ersten beiden Jahren der Co-Testung Zytologie und HPV 2020/21 zeigte sich bei den Fällen eines großen Routinelabors ein Anstieg der Rate der auffälligen zytologischen Befunde um etwa 50% [3]. Dies ist wohl in erster Linie eine Folge der routinemäßigen parallelen HPV-Testung. Bei HPV-Positivität wurde offensichtlich mehr auf zytologische Auffälligkeiten geachtet und dann auch eher eine zytologische Auffälligkeit als Endbefund festgestellt. Möglicherweise spielte auch der nun neue regelmäßige Einsatz von LBC mit Computerassistenz eine Rolle. Darauf deuten Daten einer deutschen Studie hin [7]. Die Effekte beider neu eingesetzter Methoden lassen sich nicht trennen, da sie ja stets gemeinsam zum Einsatz kamen. Bemerkenswert ist vor allem aber eine Zunahme der Zahl der histologischen Befunde gegenüber den beiden vorhergehenden Jahren 2018/19, in denen die Präventionsuntersuchung für das Zervixkarzinom nur mit jährlicher konventioneller Zytologie durchgeführt wurde, um das Fünffache. Dies ist neben der höheren Zahl auffälliger zytologischer und nun auch HPV-Befunde auch dem neuen, in der Regel obligatorischen, Abklärungsalgorithmus zuzuschreiben, der sehr niedrige Schwellenwerte für den Einsatz einer Abklärungskolposkopie vorsieht. Die absolute Zahl aller histologischen Diagnosen stieg so – zum Teil stark – an. Allerdings lag der Anstieg bei CIN 3 – teils deutlich – unter der Zunahme der CIN-1- und CIN-2-Fälle. Prozentual nahmen die Raten der CIN 2 und CIN 3 nach Pap III D1 (LSIL), Pap III D2 (HSIL), Pap III-p (ASC-H) 2020/21 gegenüber 2018/19 sogar ab. Dies war für CIN 3 auch der Fall bei Pap IVa-p/g (HSIL/AIS).

Die Anzahl der CIN 1 bezogen auf die Gesamtzahl aller vorhergehenden zytologischen Untersuchungen war 2020/21 12,7-mal höher als 2018/19 und jene der CIN 2 um 6,5-mal höher. In einem 2-Jahres-Zeitraum, wie in unserer Analyse, sollte man mindestens einen Anstieg der dysplastischen Läsionen auf das Doppelte sehen, um die gleiche Effizienz wie bei jährlicher Untersuchung zu erreichen. Dies ist der Fall in der CIN-3/AIS-Gruppe mit einem Faktor von 3,2. In der Karzinomgruppe finden wir lediglich einen Anstieg auf das 1,8-Fache. Somit werden bei einer Intervallverlängerung offensichtlich weniger Zervixkarzinome pro Zeiteinheit gefunden. Bei Endometriumkarzinomen und anderen sehr seltenen Neoplasien war die Entdeckungsrate noch deutlich niedriger (Faktor 0,7). Eine mögliche Ursache dafür könnte eine verminderte Aufmerksamkeit gegenüber HPV-negativen zytologischen Veränderungen, insbesondere glandulärer Art, sein. Zudem ist bei jährlicher Zytologie die Wahrscheinlichkeit für die Erkennung nicht HPV-assoziierter Läsionen höher.

Ausgeprägt war, vor allem in absoluten Zahlen, die Zunahme von Abklärungsfällen ohne auffälliges histologisches Ergebnis (CIN 0). Besonders fiel auf, dass diese Zahlen bei Abklärung von Pap II-a (NILM) und II-p/g (ASC-US/AGC-NOS) und noch mehr nach Pap III D1 (LSIL) stark anstiegen.

Man könnte annehmen, dass in den nächsten Screeningrunden der Co-Testung die Zahl der auffälligen Befunde und damit der kolposkopischen Abklärungen zurückgehen wird. Die bisherige Erfahrung im hier berichtenden zytologischen Labor (Stand 2/2024) deutet jedoch nicht darauf hin. Im Gegenteil zeigt sich eine steigende Zahl insbesondere von 2., 3. und 4. Kolposkopien.

2020/21 ergab sich gegenüber 2018/19 eine deutliche Verschiebung der Häufigkeit der verschiedenen Eingriffe zur Abklärung auffälliger Befunde. Es wurde – entsprechend dem G-BA-Algorithmus – weit häufiger eine Biopsie vorgenommen, dadurch ist der Anteil der Konisationen und der Hysterektomien zurückgegangen. Die absolute Zahl der Biopsien nahm von 2018/19 zu 2020/21 um das 8-Fache zu, gemessen an der Zahl der vorhergehenden Zytologien war dies sogar mehr als das 10-Fache. Zugleich stieg die Zahl der Biopsien, in denen sich keine histologische Auffälligkeit oder nur eine CIN 1 und 2 fand, stark an. Zusammen waren dies 94,4% der Biopsien. Hier stellt sich die Frage, ob es gerechtfertigt ist, einen invasiven diagnostischen Eingriff durchzuführen, nach dem fast alle damit gefundenen Läsionen nicht therapiert werden.

Die Rate der HPV-Positivität bei der vorhergehenden Co-Testung war bei allen Fällen, in denen histologische Diagnosen, vor allem geringen Grades, erzielt wurden (mit Ausnahme des Endometriumkarzinoms), sehr hoch. Außer für invasive Karzinome war sie sogar etwas höher als die Rate bei allen zytologischen Co-Testungen zusammen [3]. Das war die Folge der HPV-basierten Algorithmen für die Abklärungskolposkopie bei grenzwertigen und niedriggradigen Dysplasien und persistierender HPV-Positivität. Im Routinescreening wurden die meisten grenzwertigen/niedriggradigen HPV-negativen Fälle als zytologisch unauffällig bewertet. Nur morphologisch höhergradig auffällige Abstriche wurden trotz HPV-Negativität weiter abgeklärt.

Die Abklärungsrate zytologischer Auffälligkeiten nahm 2020/21 gegenüber 2018/19 stark zu. Dieser Anstieg war am ausgeprägtesten bei den grenzwertigen und niedriggradigen Befunden. Der entsprechende Faktor bewegte sich zwischen 13 bei Pap II-p (ASC-US) und 2,2 bei Pap IVa-p (HSIL). Bei Pap II-a (NILM) erreichte er sogar 18,7. In der Folge nahmen auch die absoluten Zahlen bis zum 10-Fachen (Pap III D1/LSIL) zu.

Zwar nahmen die absoluten Zahlen und die Rate an CIN 3 zu. Wiederum etwas mehr bei grenzwertigen und niedriggradigen zytologischen Befunden als bei glandulären und höhergradigen Auffälligkeiten. Allerdings war dieser Anstieg mit einer weit stärkeren Zunahme von Biopsien ohne Nachweis einer Dysplasie und nicht therapiepflichtiger Läsionen verbunden (bis zu 30-mal mehr CIN 1 nach Pap II-p/ASC.US). Nach Pap II-p (ASC-US) und Pap II-g (AGC-NOS) lag die Rate an CIN 3 mit 7,5% bzw. 8,3% immer noch etwas unter und bei Pap III D1 (LSIL) mit 13,6% nur etwas über dem international (und auch in der S3-LL) angestrebten Wert von 10%.

In der einzigen anderen bisher veröffentlichten Auswertung histologischer Ergebnisse nach Auffälligkeiten – nur aus dem 1. Jahr – der Co-Testung in einem Routinelabor war die Rate geringgradiger oder fehlender histologischer Befunde bei Abklärung von Pap-II p/g (ASC-US/AGC-NOS) und Pap III D1 (LSIL) noch deutlich ausgeprägter [8]. Bei 979 Frauen fanden sich bei Pap-II-p (ASC-US) nur in 1,4% der Fälle CIN 3+, bei Pap III D1 (LSIL) in 7,3%. Bei einer kürzlich veröffentlichten Registerstudie (n = 4763) aus universitären bzw. hochspezialisierten Dysplasiesprechstunden bzw. -einheiten zu den Ergebnissen der kolposkopischen Abklärung auffälliger Befunde nach der Co-Testung fanden sich mit 10,8% (II-p/ASC-US), 23,4% (II-g/AGC-NOS) bzw. 11,7% (III D1) deutlich höhere Werte [9]. Eine Auswertung von 3118 Fällen von zytologischer Auffälligkeit mit HPV-Positivität aus einer universitären Dysplasieeinheit in den Jahren 2015 bis 2020, also überwiegend noch vor der Co-Testung, ergab bei Pap II-p/ASC-US und bei Pap III D1/LSIL, jeweils mit HPV-Positivität, 22,4% bzw. 14,1% CIN 3+ [10]. Ebenfalls vor der Co-Testung berichtet Schenck aus der KV-Jahresstatistik 2019 eine CIN-3-Rate bei Pap II-p/ASC-US von 7,7%, bei Pap II-g/AGC-NOS von 8,5% und bei Pap III D1/LSIL von14,2% [11].

Eine mögliche Erklärung für die höhere Finderate an CIN 3 nach grenzwertigen und niedriggradigen zytologischen Auffälligkeiten in dem in der vorliegenden Arbeit berichteten Kollektiv verglichen mit der bisher einzigen Auswertung nach Routine-Co-Test ist, neben einer streng qualitätskontrollierten Zytologie mit LBC und CAS, der fakultative Einsatz des Biomarkers p16/Ki-67 bei HPV-Positivität ohne bzw. mit grenzwertiger oder geringgradiger zytologischer Auffälligkeit. Dieser wurde als Ergänzung des Prozederes in der Abklärung bei solcher Konstellation in vielen Fällen bereits seit 2012 von CytoMol empfohlen. Diese intermediäre Diagnostik wurde in beiden Zeiträumen fakultativ bei HPV-Positivität ohne bzw. mit grenzwertigem oder geringgradigem zytologischen Befund eingesetzt. Eine exakte Quantifizierung ist wegen der Limitationen des Routinelaborsystems nicht möglich.

RCTs haben gezeigt, dass damit bei HPV-Positivität ohne zytologische Auffälligkeit oder mit ASC-US- bzw. LSIL-Befunden bei einer p16/Ki-67-Positivitätsrate von 20–30% bzw. 50–60% die Identifizierung von bis zu 90% prävalenter CIN 2+ möglich ist [12] [13]. Aber auch mit dem fakultativen Einsatz von p16/Ki-67 wurde in den hier berichteten Daten bei Pap II-p/g (ASC-US/AGC-NOS) mit 8% die international übliche Mindestrate von 10% bei der kolposkopischen Abklärung nicht ganz erreicht. Es erscheint daher sinnvoll, in einer anstehenden Revision des Abklärungsalgorithmus Biomarker als obligaten intermediären Schritt einzufügen. Bisher erscheint dafür nur p16/Ki-67 ausreichend validiert. Methylierungsbasierte Marker erfassen zwar alle invasiven Karzinome, aber deutlich weniger CIN 3 als p16/Ki-67 [14]. Bereits die deutsche S3-Leitlinie zur Prävention des Zervixkarzinoms von 2018 hat den Einsatz dieses Markers bei grenzwertigen zytologischen Auffälligkeiten in der Co-Testung mit einer Kann-Empfehlung versehen [2]. Eine markerbasierte Diagnostik kann bei Einsatz der LBC direkt als Reflextest ohne nochmalige Einbestellung der Patientin durchgeführt werden. Die Abklärungskolposkopie bedeutet dagegen für die Patientin einen erheblichen zeitlichen Aufwand und ist zudem auch belastender.

Die noch höhere Rate an CIN 3+ nach grenzwertigen und niedriggradigen zytologischen Auffälligkeiten in den spezialisierten Zentren könnte wiederum durch eine Selektion der Patientinnen erklärbar sein.

Die CIN-3-Rate nach hochgradigen zytologischen Befunden (Pap IVa-p) war im hier berichteten Kollektiv mit 82,6% gleich hoch wie bei Stübs [10] mit 83,8% und in der KV-Jahresstatistik [11] mit 80,5% und deutlich höher als bei Henes [9] mit 67,3% in den spezialisierten Zentren.

Das Screening ist durch den neuen Algorithmus wesentlich komplexer geworden. Während bisher die Diagnose in bis zu 94% der Fälle von der CTA gestellt werden konnte, ist nun in bis zu 15% eine finale Bewertung durch einen Arzt oder eine Ärztin notwendig. Die Komplexität möglicher Empfehlungen, in begründeten Fällen auch außerhalb des Algorithmus, ist ein gravierendes Problem. Es häuften sich im 2. und 3. Jahr der Co-Testung Rückfragen von Praxen an das Labor und umgekehrt. Phasenweise waren bis zu 30% der Fälle davon betroffen. Dazu kamen Unklarheiten mit der Abrechnung insbesondere der Kontrolluntersuchungen. Viele davon sind bisher nicht zufriedenstellend geklärt.

Die Limitationen der vorliegenden Arbeit sind folgende: Es handelt sich um eine retrospektive Analyse von Daten aus der Routine eines kommerziellen Labors. Dies ist aber auch ein Vorteil, da so große Zahlen aus einem „Real Life Setting“ vorliegen. Eine geringe Varianz der Screeningkohorten beider Vergleichszeiträume kann nicht ausgeschlossen werden. Diese sollte aber aufgrund des engen zeitlichen Bezugs und der geringen Fluktuation der jeweils sehr umfangreichen Populationen keine wesentliche Auswirkung auf die Ergebnisse haben. Die histologische Aufarbeitung der Gewebe erfolgte in zahlreichen pathologischen Instituten. Eine zentrale Revision der Befunde war nicht möglich. Zu vielen grenzwertigen und geringgradigen zytologischen Befunden liegen keine histologischen Ergebnisse vor, da hier entweder keine Kolposkopie erfolgte oder diese nicht zu einer Biopsie führte.


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Schlussfolgerung

Aufgrund der Vorgaben des G-BA-Algorithmus wurden 2020/21 deutlich mehr Eingriffe zur Abklärung auffälliger Befunde in der Präventionsuntersuchung des Zervixkarzinoms durchgeführt, vor allem war dies bei Biopsien der Fall. Hier betrug die Steigerung bezogen auf alle vorhergehenden Zytologien das 10,6-Fache. Besonders stark nahm die Abklärung grenzwertiger/niedriggradiger oder nur HPV-positiver Befunde zu. Allerdings blieb die Finderate für CIN 3 hier meist unter 10%. Wir erhielten insgesamt die 5-fache Anzahl an Histologien im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Jahren. Es wurden dabei weit mehr präneoplastische Läsionen diagnostiziert. Allerdings war der Anstieg bei CIN 1 und 2 deutlich stärker als bei CIN 3. Auch nahm die Rate an dysplasiefreien Gewebeproben, vor allem nach Biopsie, extrem zu. 93,8% der histologisch abgeklärten zytologischen Auffälligkeiten war HPV-positiv. Durch den HPV-basierten Algorithmus werden offensichtlich HPV-positive grenzwertige und niedriggradige Läsionen überdiagnostiziert. Bei 4190 Biopsien fanden sich so nur 5,6% therapiepflichtige Läsionen.

Als Zwischenschritt zur Abklärung wäre der Einsatz von Biomarkern sinnvoll, um die Anzahl der unnötigen Kolposkopien zu reduzieren. Das Material für ihren Nachweis ist optimal bereits als Reflextest aus der LBC vorhanden.

Unsere Daten zeigen, dass das Screening mit der Co-Testung sensitiver als das Screening mit einem einzigen (zytologischen) Test ist. Dies geht jedoch auf Kosten der Spezifität. Zudem wurden bei jährlichem Screening pro Zeiteinheit mehr Karzinome sowohl der Zervix als auch des Endometriums diagnostiziert.


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Conflict of Interest

The authors are partner (HI) and employees (AX, AA, IZ) of a lab for cytology and molecular biology (CytoMol) mainly active on cervical cancer screening.


Correspondence

Priv.-Doz. Dr. med. Hans Ikenberg
CytoMol, MVZ für Zytologie und Molekularbiologie
Berner Straße 76
60437 Frankfurt
Germany   

Publikationsverlauf

Eingereicht: 29. November 2023

Angenommen nach Revision: 08. Februar 2024

Artikel online veröffentlicht:
10. April 2024

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Histology results from cytology + HPV co-testing > 35 years in 2020/21 vs. cytology screening only in 2018/19.
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Fig. 2 a Proportion of types of intervention for various histology findings in 2020/21, n = 7156. b Proportion of types of intervention for various histology findings in 2018/19, n = 1804.
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Fig. 3 a Histology findings from different types of intervention in 2020/21, n = 7156. b Histology findings from different types of intervention in 2018/19, n = 1804.
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Abb. 1 Histologische Ergebnisse der Co-Testung Zytologie + HPV > 35 Jahre 2020/21 vs. nur zytologischem Screening 2018/19.
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Abb. 2 a Anteil der Eingriffsarten bei verschiedenen histologischen Befunden 2020/21 n = 7156. b Anteil der Eingriffsarten bei verschiedenen histologischen Befunden 2018/19 n = 1804.
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Abb. 3 a Histologische Befunde bei verschiedenen Eingriffsarten 2020/21 n = 7156. b Histologische Befunde bei verschiedenen Eingriffsarten 2018/19 n = 1804.