Aktuelle Neurologie 2009; 36(1): 49
DOI: 10.1055/s-0028-1090155
Nachruf

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf Prof. Dr. med. Hans Schliack

*26.10.1919 †19.12.2008Obituary Prof. Dr. med. Hans Schliack*26.10.1919 †19.12.2008P.  Marx Berlin
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Publikationsdatum:
03. Februar 2009 (online)

Prof. Dr. med. Hans Schliack †

Prof. Dr. med. Hans Schliack, erster Inhaber eines Lehrstuhls für Neurologie in Berlin und ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, ist im Alter von 89 Jahren verstorben.

Als Sohn eines Arztes in Cottbus in der Niederlausitz geboren, absolvierte er seine Ausbildung zum Arzt für Neurologie und Psychiatrie bei Hans-Walter Gruhle in Bonn. Entscheidende wissenschaftliche und klinische Impulse erhielt er durch Karl Hansen in Lübeck, wo er zusätzlich den Facharzt für innere Medizin erwarb. 1957 wechselte er an die Neurologisch-Neurochirurgische Universitätsklinik der Freien Universität Berlin im Westend-Krankenhaus, wo er unter dem Neurochirurgen und Foerster-Schüler Arist Stender die Leitung der Poliklinik übernahm. Hier setzte er die in Lübeck begonnenen Forschungen über das System der Nervenwurzeln fort und habilitierte sich 1959 mit dem Thema: „Die klinischen Syndrome der Spinalnerven; ein Beitrag zum Metamerieproblem des Menschen.”

1969 gelang es ihm nach langen und schwierigen Loslösungskämpfen, im neu errichteten Universitätsklinikum Steglitz eine eigenständige, d. h. von Neurochirurgie und Psychiatrie unabhängige Abteilung für Neurologie einzurichten. 1972 wurde er der erste Ordinarius für Neurologie in Berlin und erreichte damit, was vielen berühmten Berliner Neurologen, erinnert sei an Moritz Heinrich Romberg (1795–1873) und Hermann Oppenheim (1858–1919), verwehrt blieb. 1977 wechselte er an die Medizinische Hochschule Hannover, wo er die Neurologie bis zu seiner Emeritierung 1985 vertrat. 1978 / 79 war er Präsident der deutschen Gesellschaft für Neurologie. 1989 wurde ihm für seine Verdienste um die deutsche Neurologie die Max-Nonne-Gedenkmünze verliehen.

Hans Schliacks Forschungsschwerpunkte lagen auf dem Gebiet des peripheren Nervensystems. Außer durch seine Untersuchungen über die radikuläre Innervation ist er vor allem durch das mit Marco Mumenthaler verfasste Lehrbuch „Läsionen peripherer Nerven”, das in 7 Auflagen erschien und auch heute noch ein Klassiker unter den neurologischen Fachbüchern ist, bekannt geworden. Untersuchungen zur Innervation der Schweißsekretion (zusammen mit R. Schiffter) haben das Interesse am vegetativen Nervensystem gefördert. Er war Gründungsherausgeber der Fachzeitschrift „Aktuelle Neurologie” sowie Mitherausgeber der Buchreihe „Neurologie in Klinik und Praxis”.

Klinisch zeichnete sich Hans Schliack durch eine herausragende Beobachtungsgabe, einen stets wachsamen und kritischen Verstand und das breite Wissen eines Arztes aus, der die Neurologie aus psychiatrisch-neurologischer, internistischer und neurochirurgischer Perspektive kannte. Als Diagnostiker war er subtil, präzise und umsichtig. Er hasste jeden unkritischen Einsatz technischer Untersuchungsmethoden und ein blindes Vertrauen auf ihre Ergebnisse. Zudem war er Arzt im umfassenden Sinn des Wortes: ihn interessierte nicht nur die Erkrankung und ihre Behandlung, sondern immer auch die Persönlichkeit seiner Patienten, von denen viele seine Freunde oder Schutzbefohlenen wurden.

Sein Wirken hat die Berliner und die deutsche Neurologie maßgeblich geprägt. Er hinterließ vor allem in Berlin eine ganze Generation von Schülern, die sein Werk fortsetzten, entweder als erfolgreiche niedergelassene Ärzte oder als Universitätsprofessoren und Chefärzte. Im Herbst 2000 ehrten ihn die Berliner Neurologen zu seinem 80. Geburtstag mit einem Symposium „Geschichte der Neurologie in Berlin”.

Jenseits des Berufes seien seine literarischen und ornithologischen Interessen erwähnt. Ein Spaziergang im Wald mit Beobachtung seiner Lieblinge war für ihn immer ein Grund der Freude und die beste Erholung.

Seine letzten Lebensjahre waren durch schwere Schicksalsschläge und Krankheit geprägt. Am 19. Dezember 2008 verstarb er in Hannover.

Seine Schüler verlieren einen akademischen Lehrer, der sie geprägt hat, die deutsche Gesellschaft für Neurologie einen ihrer herausragenden Repräsentanten.

Prof. Dr. Peter Marx

Terassenstr. 45

14129 Berlin

eMail: Peter.marx@charite.de

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