Laryngorhinootologie 2008; 87(12): 848-849
DOI: 10.1055/s-0028-1105848
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Taubheit nach Meningitis - Bester Zeitpunkt für eine Kochlea-Implantation?

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Publikationsdatum:
22. Dezember 2008 (online)

 

Der sensoneurale Hörverlust als Komplikation der bakteriellen Meningitis führt bei 10 % der betroffenen Kinder zur Ertaubung. Dass der Erfolg einer anschließenden Kochlea-Implantation abhängig ist von ihrem Zeitpunkt, postulierten Durisin et al. von der Universitätsklinik Hannover. Eur Arch Otorhinolaryngol 2008; 265: 381–388

In ihrer retrospektiven Studie untersuchten die Ärzte den audiologischen Befund nach Kochlea-Implantation bei 60 Kleinkindern in Korrelation zum Abstand zwischen dem Hörverlust und der Operation. 35 Jungen und 25 Mädchen bildeten 2 Gruppen mit einem Operationsintervall von < 6 und > 6 Monaten. Der Abstand zwischen Taubheit und Eingriff betrug durchschnittlich in Gruppe 1 2,4 Monate und in der 2. Gruppe 3,8 Jahre. Eine bilaterale Kochlea-Implantation erfolgte bei 12 bzw. 3 Kindern aus Gruppe 1 bzw. 2. 25 bzw. 36 pädiatrische Patienten, die aus anderen Gründen ertaubt und operiert waren, bildeten Kontrollgruppen. Nach 3, 6, 12, 18, 24 und 36 Monaten erfolgten Nachuntersuchungen (MAIS-Test, MUSS-Test und offene Sprachtests).

Im MAIS-Test wiesen 18 % aus Gruppe 2 bereits vor dem Eingriff positive Ergebnisse auf. Von der Operation profitierten beide Gruppen gleichermaßen. Nach 3 Monaten zeigte sich bei 70 bzw. 77 % eine bedeutsame Verbesserung. 18 Monate postoperativ benutzten 90 % der Patienten in beiden Gruppen Sprache als Kommunikationsmittel. Der MUSS-Test fiel vor allem für die Kinder mit früher Operation mittelfristig günstiger aus. Nach 6 Monaten wiesen beide Gruppen eine verbesserte Stimmkontrolle auf (Gruppe 1: 70 %; Gruppe 2: 58 %). Einen verbesserten Sprachgebrauch hatten in Gruppe 1 nach 1 Jahr 62 % und in Gruppe 2 32 %, wobei sich diese Resultate im weiteren Verlauf anglichen. Früh implantierte Kinder hatten durchweg bessere Kommunikationsstrategien. Im offenen Test zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Nach 1 Jahr wiesen 59 % aus Gruppe 1 und 18 % aus Gruppe 2 verbesserte Ergebnisse bei einfachen Sätzen auf. Nach 3 Jahren betrugen die Resultate 43 bzw. 36 %.

Insgesamt waren die Ergebnisse für die Kinder nach früher Operation günstiger. Dies galt nicht nur für die beiden postmeningitischen Gruppen, sondern auch beim Vergleich mit den operierten Kindern der Kontrollgruppen, bei denen kein sensoneuraler Hörverlust vorlag. Die Autoren nennen verschiedene Gründe für die günstigeren Ergebnisse für Gruppe 1. Die postmeningitische Labyrinthitis ossificans sei oftmals bis zu 30 Jahre nach der Primärinfektion progredient. Ein fortgeschrittener Ossifikationsprozess verringere die Möglichkeiten einer ausreichenden Elektrodenplatzierung. Darüber hinaus gingen bei späterer Implantation möglicherweise früh erworbene Kommunikationsfähigkeiten verloren. Erwähnt werden müsse auch, dass 12 Kinder aus Gruppe 1 bilateral operiert worden waren. Die bilaterale Kochlea-Implantat-Versorgung nach Meningitis ist auch bei asymmetrischer Obliteration heute die Regel.

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