Sportverletz Sportschaden 2009; 23(3): 133-137
DOI: 10.1055/s-0029-1241971
Sportphysiotherapie aktuell

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Vergleich des freien Gehens mit dem Gehen auf dem Laufband – eine EMG-Studie

Christoph Mickel, Dietmar Schmidtbleicher
  • Institut für Sportwissenschaften, Johann-Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main
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Publication Date:
19 October 2009 (online)

 

Einleitung

Die Anwendung von Laufbändern im Training und/oder der Rehabilitation hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Die Vorteile sind offensichtlich [1]: "Die Belastungsvorgaben sind in hohem Maße standardisierbar, und die wichtigsten Belastungsparameter (Laufzeit, Geschwindigkeitsprofil, Leistungsabgabe, Intervallmuster, bei geeigneten Laufbändern auch das Geländeprofil) lassen sich gut steuern." Für Messungen ergeben sich durch den stationären Charakter der Laufbänder optimale Voraussetzungen. Dies gilt auch für physiologische Parameter (Gasstoffwechsel, EKG, Blutwerte, etc.) ebenso wie für die Erhebung von kinematischen Parametern (Videoanalyse, etc.).

Neben diesen Vorteilen darf aber nicht vergessen werden, dass das Laufen oder Gehen auf dem Laufband dem Laufen oder Gehen im Gelände nicht vollständig entspricht. Nicht umsonst existieren Untersuchungen, die sich mit der Gewöhnung an Laufen oder Gehen auf dem Laufband beschäftigen [2], [3], [4]. Außerdem wird wiederholt beschrieben, dass erfahrene Läufer von einem anderen, unsicheren Gefühl beim Laufen auf dem Laufband berichten [1]. Dies ist auch nicht sonderlich überraschend, da der Läufer ein unnatürliches Verhältnis zur Umwelt eingeht. Bereits 1972 stellten Nelson/Dillman/Lagasse/Bickett [5] die Behauptung auf, dass die konstante Geschwindigkeit des Laufbandes für geringere Beschleunigungs-/Verlangsamungsbewegungen des Körpers sorgt.

Die Ergebnisse aus Studien kinematischer Parameter beim freien Gehen und dem Gehen auf dem Laufband lassen sich wie folgt zusammenfassen: Bei gleicher Geschwindigkeit sind die Schrittlängen auf dem Laufband verringert bei gleichzeitiger Erhöhung der Schrittfrequenz [6], [7], [8], [9], [10], [11]. Die Standphase wird zugunsten der Schwungphase auf dem Laufband verlängert [6], [9], [11]. Des Weiteren herrscht Uneinigkeit in Bezug auf Sprung-, Knie- und Hüftgelenkswinkel, die teilweise als unverändert, jedoch auch mit signifikanten Unterschieden beschrieben werden [6], [10], [11]. Nennenswert sind außerdem die Ergebnisse, dass sowohl Fußrotationswinkel ebenso wie die Schrittbreite als vergrößert dargestellt werden [9], was auf das Bemühen hinweist, ein höheres Sicherheitsgefühl auf dem Laufband zu erzielen. Zusätzlich ergibt sich das Resultat einer abnehmenden Variabilität der kinematischen Parameter auf dem Laufband [12].

In Bezug auf kinetische Parameter ist der Unterschied eher gering. So werden zwar Unterschiede der Bodenreaktionskräfte während der mittleren Standphase und beim Ballenabstoß [13] sowie insgesamt kleinere Bodenreaktionskräfte auf dem Laufband beschrieben [14], allerdings liegt dieser Unterschied innerhalb der normalen Variabilität [15]: "All differences found in locomotion patterns must therefore originate from other than mechanical forces."

Auch bei den wenigen elektromyografischen Untersuchungen ist die Datenlage nicht eindeutig. So berichten einige Autoren, dass die EMG-Amplituden auf dem Laufband im Allgemeinen höher seien als beim normalen Gehen [8], [16] und diese Differenz bei höheren Ganggeschwindigkeiten zunimmt [17]. Diese Autoren eint jedoch das Ergebnis von nahezu unveränderten Aktivitätsphasen und gleich bleibender Aktivitätsdauer. Einzige Ausnahme bildet dabei der M. biceps femoris, der bei der Untersuchung von Arsenault et al. 1986 [16] auf dem Laufband andere Aktivitätszeiten aufweist als beim freien Gehen.

Andere Autoren finden auch für andere Muskeln Unterschiede bei den Aktivierungszeiten sowie der -dauer [18], [19]. Bei Untersuchungen des Sauerstoffverbrauchs beim Gehen auf dem Laufband und einer freien Gehstrecke wurde ein signifikant geringerer Energieverbrauch auf dem Laufband festgestellt [20].

Literatur

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  • 24 Bortz J. . Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler (6. Auflage).  Heidelberg: Springer Medizin Verlag. 2005; 
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