Klin Monbl Augenheilkd 2012; 229(6): 593
DOI: 10.1055/s-0032-1312919
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diagnostik und Therapie von Hornhautendothelerkrankungen – Gibt es noch einen „Goldstandard“?

Diagnostics and Therapy for Endothelial Diseases of the Cornea – Is There Still a Gold Standard? 
G. Geerling
,
G. Duncker
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. Juni 2012 (online)

In diesem Schwerpunktheft steht das Hornhautendothel im Fokus. Hierzu stellen Lisch et al. als Grundlage zunächst den aktuellen Stand der Diagnose und Therapie endothelialer Dystrophien dar, der klarmacht, dass neben der perforierenden Keratoplastik zunehmend weitere Optionen entwickelt werden. Kovtun et al. gehen in einer weiteren Übersicht auf den aktuellen Stand der Gentherapie ein. Während hier retinologische Arbeiten bereits über erste klinische Erfolge bei erblichen Netzhautdystrophien berichten konnten, warten die Korneologen mit Spannung noch auf die Realisierung der vielfältig denkbaren und aktuell grundlegend untersuchten Ansätze. So könnten z. B. eines Tages endotheliale Hornhautdystrophien auf diese „konservative“ Art behandelt werden oder durch Reduktion der Apoptose des Hornhautendothels unter Kulturbedingungen die Verwurfquote von Spendergewebe minimiert werden.

Heindl et al. stellen ein bereits heute praktizierbares Konzept gegen Spendermangel durch Verwendung einer Hornhaut für 2 Empfänger im Rahmen der sogenannten Split-Cornea-Transplantation dar. Bei diesem Verfahren wird die Desecemet-Membran isoliert im Rahmen der sogenannten Descemet-Membran-Endothelkeratoplastik (DMEK) für einen Patienten mit Endothelerkrankung und die verbleibende Stroma-Epithel-Lamelle für eine anteriore lamelläre Keratoplastik bei z. B. Keratektasie verwendet. In einer Reihe von Arbeiten stellt die Tübinger Arbeitsgruppe ihre eigenen klinischen Ergebnisse und auch anschauliche histologische Untersuchungen zu den Präparationsergebnissen der DMEK dar.

In Deutschland etabliert sich dieses Verfahren heute zunehmend als primäre OP-Technik bei Endothelversagen. Vorteilhaft ist dabei, wenn die transplantierende Klinik über eine eigene Hornhautbank ggf. für eine OP-zeitnahe Präparation – einschließlich Ersatzgewebe im Falle einer schadhaften Spenderlamelle – verfügt. Yoeruek et al. konnten zeigen, dass eine isolierte Aufbewahrung der Descemet-Membran mit Endothelzellschicht ohne Stroma unter Kulturbedingungen mit einem moderaten Zellverlust verbunden ist. Damit ist prinzipiell die Option gegeben, DMEK-Transplantate vorpräpariert herstellen und ggf. an Operateure ohne Hornhautbank abgeben zu können.

Letztendlich müssen alle neuen Techniken jedoch zunächst einer längeren wissenschaftlichen Evaluation unterzogen werden, bevor ein endgültiges Urteil bezüglich ihrer Vor- und Nachteile für unsere Patienten gefällt wird. Hierzu sind multizentrische Studien unerlässlich, deren Daten zur Beurteilung des Endothelbefunds sinnvollerweise mittels eines automatisierten Bildanalyseprogramms bewertet werden sollten, wie Böhringer et al. zeigen konnten.

Abschließend berichten Ruhe et al. über den Fall eines Patienten mit großer zentraler Descemetolyse, der zeigt, dass das Endothel über ein besseres Regenerationspotenzial verfügt, als gemeinhin bislang vermutet wurde. Für den Bereich der Hornhautendothelerkrankungen zeichnen sich somit von der Pathophysiologie bis hin zu therapeutischen Überlegungen aktuell und auch in absehbarer Zukunft Paradigmenwechsel ab, die alte Goldstandards weiter infrage stellen bzw. ersetzen werden.

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G. Geerling
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G. I. W. Duncker