Laryngorhinootologie 2013; 92(06): 406-408
DOI: 10.1055/s-0032-1333249
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Plötzliche Dyspnoe: Kasuistik einer wichtigen Differenzialdiagnose in der operativen HNO-Heilkunde“

„Sudden Dyspnea: Case Report of a important Differenzial Diagnosis in ENT-surgery”
D. F. Di Dio
,
C. Grabner
,
A. Walther
,
C. Sittel
Further Information

Publication History

Publication Date:
30 January 2013 (online)

Einleitung

Eine gefürchtete wenn auch seltene Notfallsituation im perioperativen Management von HNO-Eingriffen stellt das postobstruktive Lungenödem (negative-pressure pulmonary edema [NPPE]) dar. Eine von Alb et al. (Alb M et al. Anästhe­siol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2006; 41: 64–78) durchgeführte Literaturrecherche konnte zeigen, dass das Postobstruktionslungenödem mit 34,1% der im Zeitraum von 1973–2005 beschriebenen Fälle bei HNO-Eingriffen vorkam.

Das Postobstruktionslungenödem kann in 2 verschiedene Typen klassifiziert werden ([Abb. 1]) (Guffin TN et al., Otolaryng Head Neck 1995; 112: 235±237). Typ I zeichnet sich vor allem durch die innerhalb weniger Sekunden bis Minuten nach akut aufgetretener Atemwegsobstruktion eintretenden Symptomatik aus. Es wird zumeist durch einen Laryngospasmus oder durch einen Biss des Patienten auf den Tubus in Spontanatmung ausgelöst. Es kommt zur forcierten Inspirationsanstrengung gegen ein Hindernis mit ex­trem negativen intrathorakalen Drücken bis zu  − 140 cm H₂O (Timby J et al., Chest 1990; 98: 973±979). Diese bedingen eine Sogwirkung, welche bewirkt, dass der venöse Rückstrom des Blutes zur rechten Kammer ansteigt und sekundär der pulmonal-kapilläre hydrostatische Druck drastisch erhöht wird und somit ein in­traalveoläres Ödem generiert wird (Timby J et al., Chest 1990; 98: 973±979). Die gleichzeitig entstehende hypoxisch pulmonale Vasokonstriktion verstärkt diesen Pathomechanismus und erleichtert den Flüssigkeitstransport ins Intestitium (Popat M. et al., Anaesthesia 2012; 67: 318–340).

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Abb. 1 Pathomechanismus des Postobs­truktionslungenödems Typ I und Typ II.

Typ II zeichnet sich durch sein Auftreten nach Beseitigung oder Entlastung einer chronisch bestehenden Atemwegsobs­truktion aus, wie zum Beispiel nach Tonsillotomie, Adenotomie und bei Karzinomen im Larynxbereich oder nach Beseitigung von laryngo-trachealen Stenosen. Hierbei spielt die Veränderung der Lungenphysiologie über einen längeren Zeitraum aufgrund der chronisch bestehenden Obstruktion die entscheidende Rolle. Durch den hierdurch bedingten chronisch erhöhten intrathorakalen Druck kommt es zu einer Abnahme des venösen Rückstroms zur rechten Kammer. Die plötzliche durch den operativen Eingriff beseitigte Obstruktion führt nach Extubation durch die Abnahme des intrathorakalen Druckes zu einer Erhöhung des venösen Rückstroms. Durch die Steigerung des intrathorakalen Blutvolumens kommt es zu einer Exsudation und somit zur Generierung eines intraalveolären Ödems (Guffin TN et al., Otolaryng Head Neck 1995; 112: 235±237).

Typische Symptome sind Hypoxie, Dyspnoe und Tachypnoe. Rötlich-schaumiges Trachealsekret sowie Stridor und Agita­tion können gegebenenfalls hinzukommen (Alb M et al. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2006; 41: 64–78). In der Mehrzahl der Fälle ist das Postobs­truktionslungenödem durch ein frühzeitiges (in den ersten 5 min nach Extubation) Auftreten von Symptomen gekennzeichnet, kann aber auch insbesondere beim Typ II zu einem späteren Zeitpunkt auftreten.

In der zugrunde liegenden Literatur wird insbesondere darauf hingewiesen, dass sich das Postobstruktionslungenödem vor allem bei jungen, sportlichen Patienten ausbildet. Diesen ist es durch ihre körperliche Konstitution möglich, besonders negative intrathorakale Drücke zu generieren (Guffin TN et al., Otolaryng Head Neck 1995; 112: 235±237).