Gesundheitswesen 2018; 80(04): 410
DOI: 10.1055/s-0038-1639276
POSTERPRÄSENTATION
Umweltmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bedeutung und Aufgabe des Gesundheitsamtes im Spannungsfeld (vermuteter) Schadstoffe, (Risiko)-Kommunikation und medialer Öffentlichkeit – ein Fallbeispiel und seine Lehren

U Heudorf
1   Gesundheitsamt Frankfurt am Main, Infektiologie und Hygiene, Frankfurt am Main, Germany
,
K Steul
1   Gesundheitsamt Frankfurt am Main, Infektiologie und Hygiene, Frankfurt am Main, Germany
,
K Voigt
1   Gesundheitsamt Frankfurt am Main, Infektiologie und Hygiene, Frankfurt am Main, Germany
,
W Maraun
2   ARGUK-Umweltlabor GmbH, Labor Oberursel, Germany
,
H Heusser
3   Hochbauamt Bauen, Frankfurt am Main, Germany
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
11 April 2018 (online)

 
 

    Hintergrund:

    Im Februar 2017 wurde das Gesundheitsamt über gesundheitliche Beschwerden bei den Nutzern einer Passivhaus-Schule im Herbst 2016 und in den letzten Wochen informiert. Einige Eltern forderten ein umfassendes „baubiologisches Gutachten“ und beschrieben auffällige umweltmedizinische Befunde. Die Medien berichteten intensiv („Schule macht krank“).

    Methoden:

    Das Gesundheitsamt (GA) führte sofort orientierende Messungen durch, schlug ein gestaffeltes Untersuchungsprogramm auf CO2 und VOC vor und befragte die Schulnutzer und die Kinderärzte der Region nach Beschwerden. Auf Drängen von Eltern wurde seitens der Stadt auch das baubiologische Gutachten beauftragt (incl. Raumluft- und Hausstaubuntersuchungen auf Weichmacher, Holschutzmittel, Biozide PAK, PCB, etc.).

    Ergebnisse:

    Die Untersuchungen mehrerer Schulräume auf CO2 und VOC waren – sowohl im Wintermodus, d.h. bei laufender RLT-Anlage als auch im Sommermodus, d.h. bei abgeschalteter RLT-Anlage und Fensterlüftung ebenso wie in ungelüftetem Zustand unauffällig und sehr niedrig: im Wintermodus lagen 94% und im Sommermodus 87% der CO2-Werte unter 1000 ppm – bei Anwesenheit der Klassen im Raum. TVOC blieben – mit einer einmaligen Ausnahme von 325 µg/m3 – unter 150 µg/m3. Auch die weiteren Messungen wiesen keine gesundheitsrelevanten Ergebnisse auf.

    Diskussion:

    Die Nutzer dieser Passivhausschule waren – wie auch in anderen Passivhaus-Schulen zuvor – nicht ausreichend über die Ausschaltung der RLT-Anlage im Sommerbetrieb oder über den Ausfall der RLT-Anlage im Winter 2017 informiert. Bei nicht ausreichender Fensterlüftung kann es dann zu Beschwerden wie den geschilderten kommen. Obwohl die Lehrer und Eltern insgesamt und auch die Kinderärzte der Region keine Auffälligkeiten durch Besuch dieser Schule angaben, entstand durch die medienwirksamen Mitteilungen einiger Eltern die Vermutung einer krankmachenden Schule, die trotz umfangreicher Untersuchungen weiter bestehen blieb. Erst nach Zusammenstellung und umweltmedizinischer Bewertung und Kommunikation aller Daten durch das Gesundheitsamt (> 200 Seiten Bericht incl. aller Originalbefunde) konnte klargestellt werden, dass in der Schule keine Schadstoffproblematik vorliegt, wohl aber ein Verbesserungsbedarf im Hinblick auf die Kommunikation zur Lüftung in Passivhaus-Schulen besteht.


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