Gesundheitswesen 2019; 81(03): 282
DOI: 10.1055/s-0039-1679399
Poster
Fachausschuss Umweltmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Blei in Trinkwasserinstallationen: Management aus Sicht eines Gesundheitsamtes

A Mazick
1   Gesundheitsamt Cuxhaven, Infektionsschutz, Cuxhaven, Germany
,
C Wilhelm
2   Landkreis Cuxhaven, Gesundheitsamt, Cuxhaven
,
G Valente-Ferro
2   Landkreis Cuxhaven, Gesundheitsamt, Cuxhaven
,
D Evers
2   Landkreis Cuxhaven, Gesundheitsamt, Cuxhaven
,
K Dehne
2   Landkreis Cuxhaven, Gesundheitsamt, Cuxhaven
,
F Redeker
3   Landkreis Cuxhaven, Dezernent, Cuxhaven
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Publication History

Publication Date:
05 April 2019 (online)

 
 

    Im Herbst 2017 kontaktierte der Vater einer 10-jährigen Tochter mit Leistungsschwächen das Gesundheitsamt Cuxhaven, er wusste von Bleileitungen im Wohnhaus, ein Zusammenhang wurde vermutet. Wir begingen das Mehrfamilienhaus und alle baugleichen Gebäude in dem Stadtviertel, in allen war die Trinkwasserinstallation aus Blei. Unsere Wasserproben ergaben Bleiwerte von 12 – 86 µg/l, kein Wert lag unterhalb des Grenzwertes der TrinkwV (10 µg Blei/l). Betroffen waren 617 Menschen in 49 Gebäuden, davon waren 139 Kinder und rund 50% ausländische Mitbürger. Im Netz des Wasserversorgers wurde kein Blei nachgewiesen. Wir schildern das Vorgehen und die Maßnahmen des Gesundheitsamtes zum Schutz der Betroffenen um unsere Erfahrungen mit anderen Institutionen des ÖGD zu teilen. Ein Lageteam im Gesundheitsamt aus Mitarbeitern des Infektionsschutzes und der Verwaltung arbeitete mit fachlicher Beratung des Landesgesundheitsamtes (NLGA) in enger Absprache mit Amtsleitung und Dezernent. Gemeinsam mit weiteren Stakeholdern z.B. Vertretern der Stadt, der Ordnungsämter, des zuständigen Wasserversorgers, führten wir eine Risikobewertung mit Festlegung von Sofortmaßnahmen durch: Wir ordneten dem Eigentümer eine sofortige Nutzungseinschränkung des Wassers zum Trinken und zur Nahrungszubereitung an. Wir verfügten die Verlegung von „fliegenden Leitungen“, welche vom NLGA empfohlen wurden, vom Wasserzähler bis in das Treppenhaus jeder Etage. Wir arbeiteten proaktiv mit der Presse, etablierten ein Bürgertelefon und veranstalteten eine Informationsveranstaltung direkt im Stadtviertel mit Sprachmittlern zur zielgerichteten Risikokommunikation. Das NLGA bot den Betroffenen eine Messung ihres Blut-Bleigehaltes an. Wir hielten ein Krisentreffen mit dem Eigentümer ab und boten Zusammenarbeit bis zur Sanierung an. Über das Bürgertelefon wurden wir auch über weitere bleibelastete Gebäude informiert. Zurzeit sind uns in der Stadt Cuxhaven rund 160 betroffene Gebäude bekannt, welche nun sukzessive der Sanierung zugeführt werden. Hier arbeiten wir eng mit den Eigentümern zusammen, so dass keine weiteren Anordnungen unsererseits notwendig wurden. Trotz intensiver Informationskampagnen 2003 – 2013 der Behörden fanden sich in Cuxhaven bleibelastete Trinkwasserinstallationen in nicht gekanntem Ausmaß. Unser Vorgehen ermöglichte die sachgerechte Bearbeitung der Lage in der ressource-begrenzten Struktur eines kommunalen Gesundheitsamtes. Fliegende Leitungen wurden in Cuxhaven erstmals als Sofortmaßnahme getestet und erwiesen sich als logistisches und kostenmäßig effektives Provisorium zur Sicherstellung der Wasserversorgung bis zur Sanierung. Unsere Öffentlichkeitsarbeit und Risikokommunikation deckte einerseits den Beratungsbedarf von Bürgern und dient uns anderseits als Meldeportal weiterer Verdachtsfälle. Unsere Zusammenarbeit mit Eigentümern betroffener Gebäude sichert den Gesundheitsschutz von Mietern und scheint zielführend in unserem Bestreben, Cuxhavenern bleifreies Wasser zu garantieren.


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