Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 669
DOI: 10.1055/s-0039-1694370
Kongresstag 1: 16.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Es wird viel geboten, man muss es aber auch nutzen.“ Ergebnisse einer qualitativen Befragung alter Menschen in multilokalen Mehrgenerationenfamilien

K Woock
1   Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg
,
S Busch
1   Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg
,
A Hofmeister
2   Leuphana Universität, Lüneburg
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 
 

    Einleitung:

    Immer mehr Familienmitglieder in Deutschland leben in einer geografischen Distanz zueinander, die es den erwachsenen Kindern erschwert, ihre alt gewordenen Eltern bei (beginnender) Hilfebedürftigkeit zu unterstützen. Das Interventionsprojekt „AniTa – Angehörige im Tausch“ der HAW Hamburg widmet sich den Bedarfen dieser Angehörigen und erprobt eine überregionale Vernetzung der Betroffenen mit dem Ziel, niedrigschwellige Unterstützung zu „tauschen“. Im Rahmen einer Masterarbeit an der Leuphana-Universität in Lüneburg im Studiengang „Gesundheitsförderung und Prävention/Public Health“ wurde die Perspektive der Eltern-Generation erfragt, um zu erfahren, ob die Teilnahme an „AniTa“ von den Betroffenen als eine Möglichkeit gesehen wird, möglicher Alterseinsamkeit und steigender Unterstützungsbedürftigkeit zu begegnen.

    Methode:

    Im Zeitraum von November 2018 bis Februar 2019 wurden 7 Interviews anhand eines teilstandardisierten Leitfadens geführt und anschließend mittels strukturgebender Kategorisierung in einem gemischt deduktiv-induktiven Verfahren nach Kuckartz ausgewertet.

    Ergebnisse:

    Alte Menschen in multilokalen Familien sehen sich in verstärktem Maße darauf angewiesen, lokale Netzwerke aufzubauen. Die Beziehungsqualität zu den erwachsenen Kindern ist unabhängig von der geografischen Distanz. Der Wunsch nach Unabhängigkeit und Autonomie ist stark ausgeprägt. Ob die Betreffenden sich eine Vernetzung ihrer Kinder im Sinne von AniTa vorstellen können, hängt stark von der jeweiligen Lebenssituation ab.

    Diskussion:

    Die Interviews zeigen, dass alte Menschen in multilokalen Familien über jahrzehntelang gewachsene Strategien verfügen, den Mangel an unmittelbarer familialer Zuwendung auszugleichen. Nach Ansicht der Betroffenen kann auch „AniTa“ präventiv gegen Alterseinsamkeit wirken, dafür müssen aber gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Im Sinne der sozioemotionalen Selektivität nimmt der Wunsch nach neuen Kontakten in dem Maße ab, in dem die alten Menschen sich ihrem eigenen Ende nahe wähnen.


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