ergopraxis 2016; 9(01): 8-9
DOI: 10.1055/s-0041-109973
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Publication Date:
08 January 2016 (online)

» Der Beruf Ergotherapie muss attraktiv bleiben! «

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Professor Dr. Axel Ekkernkamp ist Klinikdirektor am Unfallkrankenhaus Berlin und politisch sehr aktiv, etwa als Mitglied des CDU-Bundesfachausschusses Gesundheit und Pflege. Er ist häufig bei den Therapieberufen Gast in Diskussionsrunden – vor allem wenn es um Kooperation, Aufgabenneuverteilung und Akademisierung geht. Zuletzt am 2. November 2015 in Berlin. Auf dem Symposium der Hochschule Fresenius und Robert Bosch Stiftung tauschten sich Akteure aus Wissenschaft, Politik und Gesundheitspraxis über die Evaluationsergebnisse der Modellstudiengänge aus. Anlass dafür ist die anstehende Entscheidung des Bundes, wie es mit den grundständigen Modellstudiengängen für Therapieund Pflegeberufe in Deutschland weitergehen wird.
Abb.: ukb

Herr Prof. Ekkernkamp, braucht es Ihrer Meinung nach für die optimale Patientenversorgung der Zukunft akademisierte Physiound Ergotherapeuten?
Ich glaube ja. Erstens müssen die Berufe Physiotherapie und Ergotherapie attraktiv bleiben. Attraktivität ergibt sich für mich aus Migrationsfähigkeit bzw. Internationalität. Wenn also die ganze Welt Physio- und Ergotherapie studiert, ist es sinnvoll, dass man diese beiden Berufe auch bei uns in Deutschland studieren kann.

Zweitens bedarf es der Akademisierung aus Qualitätsgründen. Denn der Hauptkritikpunkt an Ergo- und Physiotherapie ist, dass es sich bei den Therapien um Erfahrungswissen handelt, sie bislang nicht vernünftig akademisch begleitet werden und keine richtige Forschung haben. Evidenz herstellen, an Evidenz denken und normierte Dinge nicht nur abspulen, sondern sie auch durchdenken – das kann man besser, wenn man studiert hat. Zu Ende gedacht ergibt sich daraus auch eine bessere Qualität der Patientenversorgung.

Würden Sie für eine flächendeckende Vollakademisierung oder eher für eine Teilakademisierung der Physio- und Ergotherapie sprechen?
Ich plädiere dafür, den Weg in eine Vollakademisierung zu gehen. In Teilschritten und so, dass die Berufsfachschulen – die segensreiche Arbeit geleistet haben – keinen Schaden nehmen. Die Richtung muss sein, dass beispielsweise auf einer Station bei der Visite anwesend sind: der Arzt, ein studierter Sozialarbeiter, was inzwischen ja auch schon gegeben ist, ein studierter Orthopädiemechaniker, die brauchen aber noch ein bisschen, sowie ein Ergotherapeut mit Bachelor und ein Physiotherapeut mit Master; vielleicht ist einer von beiden promoviert und der Arzt nicht. Dann hätten wir eine Situation in Deutschland, die man so nicht kannte. Wäre das schlimm?

Nein. Sie glauben also daran, dass es irgendwann eine interprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe geben wird?
Ja. Das muss auch so sein. Man muss aus der Wettbewerbsdiskussion heraus und dahinkommen, dass der Patient von verschiedenen Seiten gut betreut werden möchte. Das Gesamtangebot bestimmt nachher den Heilerfolg. Jetzt würden meine ärztlichen Kollegen sagen, wir haben doch den Arztvorbehalt. Okay, der Arzt muss die Federführung haben, weil die weitreichendsten Konsequenzen sich aus seiner Fehlentscheidung ergeben würden. Aber bis vor ein paar Jahren hatten die Ärzte auch die absolute Hoheit über die Medikamente. Jetzt ist es vollkommen klar, dass wir Apotheker brauchen, die hier mitbetreuen. Medikamentenschränke auf Station werden heute von Apothekern bestückt. Zudem brauchen wir Medikamentenmanagementsysteme. Ich akzeptiere als Arzt den Apotheker, die studierte Therapeutin und den studierten Sozialarbeiter und so weiter. So hat man ein vernünftiges Team, das sich um den Patienten kümmert, und jeder hat seine Rolle. Ich finde nicht, dass der Arzt dabei verliert.

Das Gespräch führte Elke Oldenburg.