Laryngorhinootologie 2000; 79(11): 684-687
DOI: 10.1055/s-2000-8284
HAUPTVORTRAG
Rubrik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die kleine plastische Gesichtschirurgie in der Praxis

H. Weerda
  • Lübeck
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Für Operationen im Gesicht sind einige Grundlagen wichtig, so die Kenntnis der Spannungslinien, der so genannten „Relaxed Skin Tension Lines”, die „ästhetischen Einheiten” und Kenntnisse über Schnitttechniken und Naht.

Wir verwenden in der Regel nur monofile, 6- 0 Fäden, im Lid- und Lippenbereich 7- 0 Fäden. Wo möglich werden subkutan Fäden angewendet.

Narbenkorrekturen sollten sofort durchgeführt werden, wenn es der Zustand des Patienten erlaubt oder man wartet eine gewisse „Reifung” der Narben ab und fängt frühestens nach einem halben Jahr oder später mit der Narbenkorrektur an. Lange, auffällige Narben werden umschnitten und durch W-Plastiken, durch die „broken-line technique” oder Z-Plastiken in die RSTL gelegt.

Bei Tumorexzisionen versucht man desgleichen, die Rekonstruktionen in diese Linien zu legen. Kleine Tumoren werden ovalär umschnitten, dabei liegt die Nahtlinie in den RSTL. Für die Rekonstruktion größerer Defekte wird versucht, einmal die Haut aus der Umgebung des Defektes zur Defektdeckung heranzuziehen, da die Farbe, Textur und auch die Dicke der Haut dem Defektgebiet entspricht und so die besten kosmetischen Ergebnisse erreicht werden können.

Für die Rekonstruktion solcher Defekte in den verschiedenen Regionen des Gesichtes verwendet man verschiedene Verschiebelappen, den Transpositionslappen, den Rotationslappen oder den etwas aufwendigeren „bi-lobed flap”, den rhomboidförmigen Lappen, Insellappen oder den Gleitlappen mit Stiel seitlich oder unterhalb des Lappens.

Mit einer „modifizierten mikroskopisch kontrollierten Tumorexzision” konnte die Rezidivhäufigkeit von 5 auf unter 1 % gesenkt werden. Dabei finden wir etwa 90 % aller Hauttumoren im Gesichtsbereich, etwa 60 % sind Basaliome, 25 % Carcinome. Einen Zusammenhang mit Rasse und Lichtexposition ist wahrscheinlich (Müller u. Petres 1984, Weerda 1999).

Die „modifizierte” mikroskopisch kontrollierte Tumorexzision heißt, dass die Tumoren mit einem Sicherheitsabstand exzidiert, mit Fäden markiert und dem Pathologen vorgelegt werden. Weiterhin werden dann im Uhrzeigersinn multiple kleine Hautexzisionen entnommen, desgleichen Exzisionen aus dem Tumorgrund. Wenn möglich, wird von uns eine „verzögerte Deckung” nach Kenntnis der Histologie, auch der Randproben, durchgeführt. In Ausnahmefällen wird auch die Schnellschnittdiagnostik mit sofortiger Rekonstruktion eingesetzt. Bei der Tumorexstirpation hat die Radikalität Vorrang vor der ästhetischen Wiederherstellung und der Wiederherstellung von Form und Funktion.

Ich möchte kurz auf die Deckung von Defekten in den verschiedenen Regionen des Gesichtes mit lokalen Lappen eingehen.

Nasendefekte im Bereich des Nasenrückens werden mit an der Arteria supratrochlearis gestielten medianen Stirnlappen oder mit Rotationslappen mit V-Y-Verschiebung gedeckt. Im Nasenabhang, vor allem im Lidwinkelbereich ist der Gleitlappen, von oben oder von unten verschoben ein eleganter Lappen für kleinere Defekte. Desgleichen setzen wir gerne in diesem Bereich und im Bereich des Nasenrückens so genannte zweizipflige Lappen (bi-lobed flap) ein, die erstmals 1918 von Esser beschrieben wurden. Dieser Lappen kann desgleichen im Bereich der Nasenspitze verwendet werden. Bei größeren Defekten in diesem Bereich wird der an der supratrochlearen Arterie gestielte mediane Stirnlappen verwendet. Er soll nicht breiter als 3 cm sein, da sonst der Sekundärdefekt nicht so gut primär verschlossen werden kann. Der Lappenfuß wird nach 21 Tagen zurückverlagert, dabei sollte er zwischen den Augenbrauen in ganzer Breite eingenäht werden, um die Augenbrauen nicht zu verziehen.

Im Bereich des Nasenflügels sind vielfältige Lappen wie Z-Plastiken, der Transpositionslappen aus der Nasolabialfalte (Nelatonlappen) oder der „bi-loped flap” einzusetzen. Auch bei Verlust der Columella verwenden wir gerne den Nasolabiallappen. Der Lappen muss eine gute Länge haben, bei Männern sollte auf die Barthaare geachtet werden.

Im Bereich der Oberlippe lässt sich der Gleitlappen aus der Nasolabialregion in verschiedenen Größen gut zur Deckung einsetzen.

Die Verkürzung der Oberlippe kann durch Mobilisation im Seitenbereich und zweischichtiger, halbmondförmiger Exzision im Bereich der Nasenflügelfurche relativ einfach beseitigt werden.

Auch an der Ohrmuschel können bei Tumorexzisionen aus dem Bereich des Cavum conchae Haut und Knorpel entfernt und der Defekt mit einem Vollhauttransplantat aus der retroaurikulären Region gedeckt werden. Desgleichen können hier gestielte Lappen oder Insellappen eingesetzt werden.

Bei kleineren Defekten im Bereich der Helix kann durch einen oben oder unten gestielten Transpositionslappen der Defekt rekonstruiert werden. Eine kleine Knorpelstütze verhindert das Schrumpfen dieser Lappen und erlaubt deswegen bessere ästhetische Resultate. Bei kleinen Helixtumoren kann die von Gersuny bereits 1903 angegebenen Verschiebung der Helix als Gleitlappen verwendet werden. Es gibt zahlreiche Modifikationen dieses interessanten Lappens.

Größere Defekte im oberen, mittleren und unteren Bereich der Ohrmuschel werden mit Rippenknorpel und Haut der Umgebung in mehrzeitigen Operationen rekonstruiert.

Zum Schluss möchte ich die Möglichkeit der Rekonstruktion mit verschiedenen Lappen bei einem Oberlippen-Nasendefekt zeigen (Abb. [1 a]).

Abb. 1aDefekt der Oberlippe, des Lippenrots, der Wange und des rechten Nasenflügels sowie Verlust der Columella. Die Wangenrotation und die Entnahme von Burowschen Dreiecken sind eingezeichnet.

Zunächst wurden die ästhetischen Einheiten der Lippe und der Wange rechts rekonstruiert (Abb. [1 a] u. [1 b]). Danach erfolgte die Rekonstruktion der Nasenflügel und der Columella mit zwei Nelatonlappen (Abb. [1 c] u. [1 d]). Nach kleineren Korrekturen, Ausdünnung und Ausarbeitung einer neuen Nasenflügelfurche konnte ein recht ansprechendes Ergebnis erreicht werden (Abb. [1 e] u. [1 f]).

Abb. 1bDeckung der ästhetischen Einheiten der Oberlippe und der Wange mit Rekonstruktion des Lippenrots durch eine Schleimhautverschiebung aus dem Vestibulum oris.

Abb. 1cRekonstruktion des Nasenflügels und der Columella mit beidseitigem Nelatonlappen. Zu dünne mittlere Oberlippe: Aufpolstern der Oberlippe mit Temporalisfaszie (↑↑).

Abb. 1dZustand nach drei Rekonstruktionsschritten. Fehlen der Nasenflügelfurche und Naseneingangsstenose rechts.

Abb. 1eKonturieren der Nasenflügelfurche, Z-Plastik zur Beseitigung der Naseneingangsstenose, V-Y-Plastik zum Auskrempeln der Mundspaltenschleimhaut.

Abb. 1fErgebnis vier Jahre nach Tumorexstirpation.

Literatur

  • 1 Müller R, Petres J. Semimaligne und maligne Tumoren der Haut im Kopf-Hals-Bereich. . In: Müller R, H Friederich, J Petres (Hrsg.) Operative Dermatologie im Kopf-Hals-Bereich. Berlin, Heidelberg; Springer Verlag 1984
  • 2 Weerda H. Plastisch-rekonstruktive Chirurgie im Gesichtsbereich (Ein Kompendium für Problemlösungen). Stuttgart, New York; Thieme Verlag 1999

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. H. Weerda

Universitätsklinikum Lübeck Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck

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