Endo-Praxis 2006; 1(4): 5
DOI: 10.1055/s-2007-982018
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

DGVS Tagung Hannover 2006 - Neuigkeiten oder Bewährtes?

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Publication Date:
25 May 2007 (online)

Die in diesem Jahr in Hannover stattfindende Tagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) war mit über 3500 Teilnehmern eine Veranstaltung, die neben inhaltlichen Neuerungen in der Gastroenterologie erneut vor dem Hintergrund einer sich immer mehr entwickelnden Viszeralmedizin, zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie (DGVC) ausgerichtet wurde.

Entstehende „Bauchzentren” als ein zentraler Teil der praktizierten Viszeralmedizin bedingen Veränderungen der Krankenhausstruktur. Dies betrifft auch Endoskopieabteilungen, die diesem Strukturwandel mit abgestimmten Untersuchungsabläufen Rechnung tragen und sowohl kooperative Aspekte der Gastroenterologie und Chirurgie bei der Untersuchungsdurchführung unter höchsten qualitativen Gesichtspunkten als auch Weiterbildungs- und Fortbildungsaspekte berücksichtigen müssen. Bisher wurden solche Zentren häufig auf Eigeninitiative beruhend gegründet, werden aber in Zukunft immer mehr generell notwendig sein, wenn der Druck der ökonomischen Rahmenbedingungen weiter zunimmt und zur vermehrten Kooperation und Zentrumsbildung führt.

Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Bereich war die Schnittstelle zwischen interventioneller Endoskopie und chirurgischen Verfahren. Hier fanden Diskussionen zu Entwicklungen wie dem endoskopischen Zugang zu transgastralen chirurgischen Resektionen statt. Abschliessende Bewertungen können in Ermangelung ausreichend validierter Studien und Langzeiterfahrungen nicht gemacht werden.

Wenig Neuigkeiten gab es von der Front der Endoskoptechnik zu berichten. Die Thematik Indikation der Doppel-Ballonenteroskopie und Kapselendoskopie wurde mehrfach auf dem Kongress erörtert. Deutsche Zentren sind hier mit führend, sodass entsprechende Daten aus Studien und Registern schnell Eingang in die tägliche Endoskopiepraxis finden können.

Neuentwicklungen wie computergesteuerte Koloskope wurden in kleinen Studien präsentiert, erlauben aber lediglich Aussagen über experimentelle Anwendung bei kleinen Patientengruppen. Die Zukunft muss hier zwischen einer hochentwickelten traditionellen Endoskopietechnik, kompletten Geräteneuentwicklungen oder der virtuellen Koloskopie entscheiden.

Auch Daten zur Endomikroskopie, Endozytoskopie und Autofluoreszenzendoskopie wurden erneut vorgestellt. Die entsprechenden Methoden sind noch experimentell und bleiben bisher (noch) bestimmten Zentren vorbehalten. Aufgrund der Diskrepanz zwischen finanziellem Aufwand und der resultierenden verbesserten Versorgungsqualität sind die Verfahren in ihrer zukünftigen breiten Anwendung noch nicht zu bewerten.

Die Chromoendoskopie war als Verfahren bisher durch einen häufig hohen zeitlichen Aufwand belastet, sodass sie für den Alltag in der Klinik oder Praxis selten Bedeutung hatte. Die neuen elektronisch modifizierten Techniken wie NBI und FICE werden gegenwärtig bezüglich ihrer Aussagefähigkeit und Vergleichbarkeit gegenüber den bisherigen Verfahren überprüft. Das NBI Verfahren zum Nachweis veränderter Schleimhautbereiche wurde untersucht und sowohl für den oberen als auch unteren Gastrointestinaltrakt vorgestellt. Die Methode ist schnell, einfach durchzuführen und zeigt nach den ersten Studien eine erhöhte Trefferrate an Polypen, flachen Adenomen und Barrettmukosaanteilen.

Beeindruckende Zahlen zur Langzeitbeobachtung von Patienten mit Barrettmukosa und Neoplasien nach einer durchgeführten Mukosektomie wurden vorgestellt und belegen eindeutig die Sicherheit der Methode in der Eradikation entsprechend maligner Befunde im ösophago-kardialen Übergang. Es ist jedoch nur sinnvoll, solche Methoden in der Routine einer einzelnen Endoskopieabteilung zu etablieren, wenn die kritische Untersuchungszahl überschritten wird.

Im Gegensatz zur Mukosektomie sind in der interventionellen endoskopischen Refluxtherapie nach anfänglicher Euphorie mittlerweile alle endoskopischen Refluxverfahren auf dem Rückzug, neue wesentliche Aspekte bzw. eine weitere Verbreitung bestehen aktuell nicht. Wieder einmal ein Modetrend, der nach massiver anfänglicher Begeisterung im Sande verläuft.

Daten zur ERCP Durchführung wurden ebenfalls vorgestellt und belegen eine klare Abhängigkeit der postinterventionellen Komplikationen von der Komplexität der ERCP. Da in Zukunft diagnostische ERCPs keine wesentliche Rolle mehr spielen, ist das postinterventionelle Management der Patienten von zunehmender Bedeutung und wird zu einem entscheidenden Kriterium für ein endoskopisch interventionelles Zentrum.

Zum Thema Sedierung wurden einige wichtige Studien präsentiert, die sich insbesondere der Propofolmedikation widmeten. Die beiden bekannten Kontrahenten Midazolam und Propofol wurden vergleichend vor allem bei Notfällen und hinsichtlich der Untersuchungsqualität beurteilt. Die endoskopische Darstellungsqualität bei Untersuchungen mit Propofol war höher, die postinterventionelle psychomotorische Rekompensation der Patienten schnell vorhanden (Überdenken der Fahrtuntauglichkeit nach Propofolsedierung), eine erhöhte Vorsicht bei Propofol in Notfällen und bei hoher Dosierung ist jedoch notwendig. Das Thema wird uns weiter beschäftigen und neben der Sicherheit auch Aspekte wie paradoxe Patientenreaktionen unter Midazolam sowie die Notwendigkeit eines in der Intensivmedizin erfahrenen Kollegen bei Propofolsedierung berücksichtigen müssen.

Insgesamt kann die DGVS Tagung immer noch als die bedeutende Tagung für alle Belange der Gastroenterologie, Hepatologie und mittlerweile auch der chirurgischen Schnittstelle in der Viszeralmedizin angesehen werden und bleibt der Standardkongress für die endoskopischen Verfahren. Auch wenn in diesem Jahr die grossen Veränderungen nicht sichtbar waren, ist eine deutliche Aufbruchstimmung zu mehr Kooperation und Interventionalität sichtbar.

Prof. Dr. med. S. Rossol M. Sc.

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