NOTARZT 2008; 24(2): 61-63
DOI: 10.1055/s-2007-986390
Berufspolitik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Finanzielle Entlastungswirkungen ehrenamtlicher Tätigkeit im Rettungsdienst

Wem spendet der ehrenamtliche Mitarbeiter seine Arbeitskraft?Financial Benefits of Voluntary Work in Non Profit Rescue OrganizationsTo Whom Do Volunteers Donate their Manpower?H.  Allinger1
  • 1Cologne Business School und INWISO - Institut für empirische Wirtschafts- und Sozialforschung, Passau/Köln
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Publication Date:
28 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Die im Rettungsdienst tätigen Hilfsorganisationen haben auf Grundlage der Rettungsdienstgesetze der Länder einen Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten durch die Krankenkassen. Je mehr Mitarbeiter bei den Hilfsorganisationen ehrenamtlich tätig sind, desto geringer sind die Kosten, die im Rettungsdienst entstehen. Damit sinkt auch der Erstattungsanspruch an die Kassen entsprechend. Ökonomisch ist die unentgeltlich überlassene Arbeitskraft des ehrenamtlichen Helfers als Naturalspende an die Hilfsorganisation zu sehen. Durch die übliche Praxis der Istkostenerstattung kommt die finanzielle Entlastungswirkung jedoch nicht den Hilfsorganisationen, sondern den Krankenkassen zugute. Der Beitrag wirft begründete Zweifel an der Zweckdienlichkeit dieser Vorgehensweise auf.

Abstract

When doing voluntary work for a non profit rescue organisation, volunteers usually intend to support the organisation they work for. However, reality is sometimes different: Instead of supporting non-profit rescue organisations by working without payment, volunteers actually help health insurances to cut their costs. By substituting paid staff with volunteers, total rescue costs of non-profit rescue organisations diminish. In consequence they are entitled only to less compensation by the insurances, too. Health insurances therefore transfer less money to rescue organisations than they would have to if rescue organisations had only made use of paid rescue staff. Thus, „donating” work to a non-profit rescue organisation leeds to significantly different results than donating the amount of money which would have had to be paid for non-voluntary work. In fact „donating” manpower to a non-profit rescue organisation amounts to donating money to health insurance.

Literatur

  • 1 König M. Die gesamtwirtschaftliche Effizienz der Wehrpflicht. Eine Untersuchung am Beispiel der Bundeswehr. Göttingen; 2000
  • 2 Schütte C. Ökonomische Aspekte der Wehrpflicht.  Zeitschrift für Wirtschaftspolitik. 1991;  71, Nr. 1 88-92

1 Vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayRDG

2 Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayRDG

3 Vgl. etwa Schütte (1991) oder König (2000)

4 § 71 Abs. 1 SGB V

5 Bayerischer Oberster Rechnungshof; Jahresbericht 2001 vom 24.10.2001, Ziffer 47.2.2; http://www.orh.bayern.de

Stellungnahme des Bayerischen Roten Kreuzes

In seinem vorgenannten Artikel nähert sich Allinger - soweit ersichtlich erstmals in der deutschen Fachliteratur - der Frage des Einsatzes ehrenamtlicher und zivildienstleistender Mitarbeiter im Rettungsdienst aus einem ökonomischen Blickwinkel. Sein Ergebnis, dass es sich im ersten Fall (ehrenamtlicher Mitarbeiter) um eine Naturalspende an die jeweilige Hilfsorganisation und im zweiten Fall (Zivildienst) um eine Naturalsteuer des Staates handelt, ist ebenso nachvollziehbar wie die Tatsache, dass in beiden Fällen die Wirkung aufgrund der landesrechtlichen Kostenerstattungsregelungen derzeit nicht bei der jeweiligen Hilfsorganisation, sondern bei den Kostenträgern ankommt.

Aus der Sicht einer Hilfsorganisation mag man es hinnehmen, dass der Staat durch den Einsatz von Zivildienstleistenden nicht nur grundsätzliche Ziele des Gemeinschaftswesens verfolgt, wie die Gleichbehandlung von Wehrdienstleistenden und Wehrdienstverweigerern, sondern auch den daraus resultierenden gesamtwirtschaftlichen Vorteil, der durch das Vorhandensein billiger Arbeitskraft entsteht, den Sozialversicherern zukommen lassen will. Dies ist zumindest sozialpolitisch aus dem staatlicherseits vorgegebenen Grundsatz der Beitragssatzstabilität[4] nicht völlig undenkbar.

Anders verhält es sich mit der mehr oder weniger zwangsweise erfolgenden Naturalspende der Mitglieder von Hilfsorganisationen an die - öffentlich-rechtlichen oder privaten - Krankenkassen. Ehrenamtliche Tätigkeit erfolgt hier nicht zwangsweise in Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten, sondern freiwillig aufgrund einer eigenen, jederzeit widerrufbaren Entscheidung zur Dienstleistung für das Gemeinwohl. Dabei steht für den Einzelnen naturgemäß die Entscheidung für eine bestimmte Organisation im Vordergrund, der er sich aufgrund ideologischer, weltanschaulicher oder religiöser Gründe besonders verbunden fühlt und für die er deshalb tätig werden will. In keinem Fall wird der Beweggrund für das ehrenamtliche Engagement darin liegen, die Beitragssatzstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten oder eine bestimmte Krankenkasse besonders unterstützen zu wollen. Die Richtigkeit dieser These kann leicht überprüft werden: eine gesetzliche Krankenkasse mag nur einmal versuchen, selbst Ehrenamtliche für diese Ziele zu gewinnen. Sie wird erleben, dass sich eine nennenswerte Anzahl von Freiwilligen nicht zur Verfügung stellen wird.

In der Konsequenz dieser Erkenntnis stellt sich jedoch die Frage, ob die derzeitige Praxis der Kostenerstattung gesetzes- und sinnkonform ist. Allinger bezieht sich zur bayerischen Rechtslage zu Recht auf Art. 24 BayRDG, der die Erstattung der nach „betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten …, die einer wirtschaftlichen und sparsamen Betriebsführung und einer leistungsfähigen Organisation entsprechen” regelt. Die derzeitige Kostenerstattungspraxis geht davon aus, dass beim Einsatz ehrenamtlicher Tätigkeit für die insoweit ersparten Personalkosten auch kein Kostenerstattungsanspruch besteht. Diese Praxis ist jedoch deutlich infrage zu stellen. Folgt man der These Allingers, wonach die ehrenamtliche Tätigkeit eine Naturalspende an die Hilfsorganisation und nicht an die Sozialversicherungsträger ist, so kann diese Spende eben nicht direkt den Krankenkassen zugutekommen. Vielmehr ist von diesen - unabhängig von der ehrenamtlichen Leistung - das eingesparte hauptamtliche Stellenäquivalent zu erstatten. Selbst in diesem Fall ergibt sich für die Sozialversicherungsträger immer noch ein finanzieller Vorteil durch den Einsatz ehrenamtlicher Kräfte, da hinsichtlich der hauptamtlichen Stellenäquivalente von Durchschnittskosten ausgegangen werden kann und damit die Krankenkassen um das Risiko von überdurchschnittlichen Krankheitstagen, Familien- und Alterszuschlägen, Fortbildungskosten u. Ä. entlastet würden.

Demgegenüber entstünde bei den Hilfsorganisationen auch ein deutlicher Mehrwert, der wiederum dem Gesamtgefüge und damit der Gesellschaft zugute käme und den Staat deutlich entlastet: Durch entsprechende Mittel für den Einsatz ehrenamtlicher Kräfte könnte diese (noch) besser aus- und fortgebildet und ausgestattet werden. Außerhalb ihrer Tätigkeit für den Rettungsdienst stehen die ehrenamtlichen Helfer der Hilfsorganisationen nämlich im Wesentlichen für Aufgaben des Katastrophenschutzes zur Verfügung. Dabei geht es um die Bewältigung von Massenanfällen von Verletzten und großflächige bzw. lang anhaltende Katastrophen. Der Staat selbst, dem diese Aufgabe originär zufällt, ist nicht annähernd in der Lage, sie ohne die freiwilligen Helferinnen und Helfer der Hilfsorganisationen zu bewältigen. Dies wird uns in entsprechenden Reden der verantwortlichen Politiker regelmäßig bestätigt.

Letztlich entstünde so eine win-win-Situation. Im Unterschied zu heute würde sich lediglich der Vorteil bei den Krankenkassen etwas verringern und auf der staatlichen Seite erhöhen. Dies entspricht jedoch nicht nur der Intention des Gesetzgebers, der den Hilfsorganisationen im Rettungsdienst eine Vorrangstellung eingeräumt hat, die gerade mit deren Tätigkeit im Katastrophenschutz begründet wird, es verhilft auch dem Willen des „Naturalspenders” zur Geltung. Und hierbei geht es nicht um die berühmten peanuts: Immerhin erspart allein das Bayerische Rote Kreuz nach Berechnungen des Bayerischen Obersten Rechnungshofes den Kassen durch den Einsatz ehrenamtlicher Helfer ca. 25 Millionen Euro.[5]

Klemens Reindl
Bereichsleiter Rettungsdienst

Stellungnahme der VdAK (Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V.) und der AEV (Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V.)

Ehrenamtliche Mitarbeiter werden seit Jahren im Rettungsdienst eingesetzt. Der Anteil von Ehrenamtlichen im Rettungsdienst ist dabei in Abhängigkeit von der Tradition und den personellen Möglichkeiten in den verschiedenen Rettungsdienstbereichen sehr unterschiedlich. Die Bandbreite reicht von null bis zu mehreren tausend Stunden, die Ehrenamtliche pro Jahr im Rettungsdienst leisten.

Voraussetzung für den Einsatz von Ehrenamtlichen im Rettungsdienst ist eine entsprechende Qualifikation. Den Kostenträgern in Niedersachsen liegen in diesem Zusammenhang keine verifizierbaren Aussagen vor, wonach der Einsatz von Ehrenamtlichen zu Qualitätsverlusten im Rettungsdienst führt. Grundsätzlich gehen die Krankenkassen davon aus, dass gerade ehrenamtliche Mitarbeiter eine hohe Motivation mitbringen und das die Qualität der Leistung von Ehrenamtlichen im Rettungsdienst insgesamt gesichert ist.

Die unbestritten kostendämpfende Wirkung des Einsatzes von Ehrenamtlichen ist im Gesamtzusammenhang ein für die Beitragszahler positiver Nebeneffekt. Die vereinzelt geäußerten Unterstellungen, Kostenträger würden den Einsatz von Ehrenamtlichen und Zivildienstleistenden quasi als Jobkiller durchzusetzen versuchen, ist falsch. Seit Jahren ist festzustellen, dass der Stundenanteil von Zivildienstleistenden und Ehrenamtlichen im Rettungsdienst zurückgeht.

Sofern Angebote gemacht werden, den Einsatz von Ehrenamtlichen im Rettungsdienst bei den Beauftragten oder Trägern des Rettungsdienstes angemessen zu honorieren, kann dies allenfalls als eine Maßnahme verstanden werden, um den Rettungsdienst gegenüber anderen Leistungsbereichen nicht weiter zu benachteiligen.

i. A. Bodo Rotter

Prof. Dr. Hanjo Allinger

INWISO - Institut für empirische Wirtschafts- und Sozialforschung

Im Park 20

50996 Köln

Email: allinger@inwiso.de

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