physiopraxis 2021; 19(09): 16-20
DOI: 10.1055/a-1540-1122
Wissenschaft

Internationale Studienergebnisse

VKB-Ruptur – Videoanalyse kann keine Verletzung vorhersagen

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Abb. A Zustand nach Ruptur des vorderen Kreuzbandes, rechtes Knie in Beugestellung von vorne© Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Illustrationen von K. Wesker und M. Voll. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018 Abb. B Typischer Verletzungsmechanismus bei plötzlichem Richtungswechsel im Lauf: Kniegelenk in Flexions-, Valgus und Außenrotationsstellung

Verletzungen des vorderen Kreuzbandes (VKB) führen zu schweren Beeinträchtigungen bei betroffenen Sportler*innen und schränken deren Leistungsfähigkeit meist über Monate ein [1]. Die langfristigen Folgen wie eine früh einsetzende Arthrose, verminderte Funktionsfähigkeit oder Schmerz [2] sind meist sogar noch schlimmer. Diese Studie untersuchte, ob ein in Videoaufnahmen sichtbarer exzessiver Knievalgus mit einer VKB-Verletzung in Verbindung steht [3], [4] und ob man ein Risiko so früher erkennen könnte.

In ihre Studie schlossen die Forschenden 429 Handballerinnen und 451 Fußballerinnen ein (Alter: 21,5 ± 4,0 Jahre). Diese filmten sie sagittal bei der Durchführung einer einbeinigen Kniebeuge und einer Drop-Jump-Landung. Mithilfe der Videoaufnahme maßen sie die Ausprägung des Valgus, die seitliche Beckenneigung sowie die Kniebewegung. Die Versuchsleitenden wurden speziell für diese Aufgaben geschult. Das Forschungsteam verfolgte über 8 Jahren hinweg mögliche Verletzungen am VKB der Athletinnen.

Insgesamt gab es 74 neue kontaktfreie VKB-Verletzungen. Keine der gemessenen Variablen aus beiden Testaufzeichnungen konnte zwischen Athletinnen mit Verletzung und ohne Verletzung unterscheiden. Es gab zudem keine Asymmetrien im Seitenvergleich, weshalb auch hier keine Unterscheidung möglich war. Die Interrater-Reliabilität fiel mit Werten für ICC (Intraclass Correlation Coefficient) zwischen 0,6 und 0,95 gut bis sehr gut aus. Mehrere Variablen erreichten fast signifikante Werte. Die zugehörigen Effektstärken (d < 0,3) fielen jedoch gering aus.

Kommentiert von Physio Meets Science

Fazit für die Praxis

Diese Untersuchung zeigt, dass eine Videoanalyse keine Vorhersage über das Verletzungsrisiko des VKB bei Athletinnen treffen kann. Weiterhin scheint ein größerer Valgus bei einer Landung oder einer einbeinigen Kniebeuge kein sensibler Risikofaktor für eine solche Verletzung zu sein. Bei der Beurteilung des Verletzungsrisikos sollte man daher auf andere Tests zurückgreifen.

PMS

Sports Biomech 2021; doi:10.1080/14763141.2021.1903541


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Publication History

Article published online:
15 September 2021

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