Laryngorhinootologie 2022; 101(12): 1016-1019
DOI: 10.1055/a-1928-8673
OP-Techniken

Eingriffe bei malignen Tumoren von Zunge, Mundboden, Tonsillen und Rachenhinterwand

D. Simmen
,
N. Jones

Tumoren von Zungenspitze, Zungenrand und Mundboden

Transorales Vorgehen

OP-Prinzip

Resektion umschriebener Tumoren von Zungenspitze, Mundboden oder Zungenrand mit ausreichendem Sicherheitsabstand.

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Abb. 1 Zwerchsackranula. Zunächst Darstellen des Zystensacks über einen submentalen Zugang, nach Mobilisieren erfolgt die transorale Exstirpation.

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Indikation

  • inklusive Sicherheitsabstand onkochirurgisch sicher resektable Tumoren

  • zusätzliche Neck-Dissection je nach individueller Situation

T1-Tumoren, ausgewählte T2-Tumoren, diese aber in der Regel in Kombination mit einer Neck-Dissection (S. 277).


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Kontraindikation

  • fehlende Aussicht auf onkochirurgische Sicherheit

  • Speichelabflussstörung bei Resektion des Wharton-Gangs


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Spezielle Patientenaufklärung

  • Rezidivgefahr

  • je nach Tumorstadium zusätzliche Neck-Dissection und Radiatio

  • evtl. bleibende Sensibilitäts- oder Mobilitätsstörungen der Zunge, ggf. mit Sprech-, Kau- oder Schluckstörungen

  • Nachblutung, Hämatom- oder Ödembildung in der Zunge, deswegen evtl. Tracheotomie

  • Speichelstau im Wharton-Gang, deswegen evtl. sekundäre Submandibulektomie

  • Wundinfektion, Sekundärheilung, Narbenstrikturen, deswegen evtl. Nachoperation


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OP-Planung

Panendoskopie und vorherige histologische Sicherung durch Biopsie, CT-Hals/Thorax, ggf. MRT, zur Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung und zum Ausschluss von Fernmetastasen/Zweitmalignomen. Die MRT-Untersuchung kann im Einzelfall die Ausdehnung innerhalb der Binnenmuskulatur der Zunge besser als die CT zur Darstellung bringen.


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Spezielle Instrumente

  • konventionelle Technik mit Skalpell, Elektrochirurgie

  • alternativ CO2-Laser, Radiofrequenznadel

  • Mundsperrer

  • Operationsmikroskop


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Anästhesie

Der Eingriff kann in Lokalanästhesie oder, zwingend bei gleichzeitiger Ausräumung des Lymphabflusses, in Intubationsnarkose, am besten mit nasotrachealer Intubation, erfolgen. Bei Prämedikation für Lokalanästhesie auf ausreichende Atropin-Gabe achten, um Salivation zu reduzieren.


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OP-Technik

  • Exposition: Durch Vorziehen der Zunge mit Haltefäden, Spateleinsatz an Lippe und ggf. Zunge.

  • Markierung des Resektionsbereichs: Mit mehreren Haltefäden in mindestens 1 cm Abstand zum Tumorrand, mit denen das Operationsgebiet gestrafft und entfaltet wird ([Abb. 2a]).

  • Resektion: Unter Sicht und Palpation mit Skalpell und Schere oder CO2-Laser. Auch zur Tiefe sorgfältig ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten, kleine Gefäße bipolar koagulieren, größere umstechen.

  • Defekt wird bei Laserresektion in der Regel der sekundären Epithelisierung überlassen, ansonsten primärer Wundverschluss mit resorbierbarem Nahtmaterial ([Abb. 2b]).

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Abb. 2 Zungenrandtumorexzision. a Resektionsbereich mit Haltefäden armiert. b Wundverschluss.
Regeln, Tipps und Tricks
  • Die Entfaltung des Tumorpräparats ist für eine sichere Entfernung entscheidend wichtig. Die Haltefäden müssen dazu gestrafft werden.

  • Die Resektatränder zur zweifelsfreien histologischen Beurteilung eindeutig markieren.

Risiken und Komplikationen
  • Rezidivgefahr

  • Verletzung von N. lingualis, N. hypoglossus und Wharton-Gang

  • Nachblutung, Hämatom- oder Ödembildung in der Zunge, im Zungengrund und Larynxeingang

  • Stauung und Entzündung der Submandibulardrüse

  • Wundinfektion, Sekundärheilung

  • Narbenstrikturen mit Störung der Zungenmotilität


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Nachbehandlung

  • Bei ausgedehnteren Resektionen notfalls Sondenkost über nasogastrale Sonde, sonst weiche Kost.

  • Überwachung der postoperativen Phase wegen der Gefahr der Nachblutung, der Aspiration und der Dyspnoe.

  • Antibiotikatherapie.


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Laserchirurgische Resektion

Die laserchirurgische Resektion von malignen Tumoren der Mundhöhle und des Oropharynx nimmt gegenwärtig keinen vergleichbaren Stellenwert ein wie die Laserchirurgie von Kehlkopf und Hypopharynx. Kleine Tumoren des Mundbodens (ohne Erzeugung einer größeren korrespondierenden Wundfläche zur Zungenunterseite), des Zungenrandes, der Wangenschleimhaut, des weichen Gaumens und der Tonsille können laserchirurgisch reseziert werden, ohne dass der Defekt gedeckt werden muss.

Die Grenzen der Laserchirurgie ohne nachfolgende Defektdeckung sind beispielsweise dann erreicht, wenn korrespondierende Wundflächen im Bereich der Unterfläche der mobilen Zunge und des Mundbodens zu Narbensträngen mit resultierender Bewegungseinschränkung der Zunge führen. Auch nach ausgedehnteren Resektionen des weichen Gaumens tritt ohne adäquate Defektdeckung nicht nur ein offenes Näseln auf, sondern auch ein Verschlucken durch die Nase, welches nicht selten eine Defektdeckung mittels eines mikrovaskulär reanastomosierten freien Transplantats erforderlich machen kann.

Die operativen Schritte von klar umschriebenen Tumoren in einem frühen Stadium unterscheiden sich kaum von denen anderer Regionen der oberen Luft- und Speisewege. Die vom Tumor betroffenen Bereiche werden mithilfe von Haken und Mundsperrern exponiert. Instrumente werden eingesetzt, um den Zugang zum Operationsgebiet zu optimieren. Die Resektion erfolgt unter Verwendung des Operationsmikroskops.

OP-Prinzip

Kleine Karzinome der Zunge werden en bloc reseziert, aber auch mit einem Resektionssaum von 10 mm in allen 3 Dimensionen. Bei der Exzision des Tumors muss darauf geachtet werden, dass eine ausreichende Distanz vom Tumor auch in tieferen Muskelschichten gewahrt wird.

Wenn die oberflächliche Ausdehnung des Tumors zu groß erscheint oder der Hinweis auf eine tiefe Infiltration besteht, kann der Tumor laserchirurgisch auch in mehreren Fraktionen exzidiert werden, je nach Lokalisation und Ausmaß.

Bei laserchirurgischen Resektionen von Mundbodenmalignomen muss darauf geachtet werden, dass es nicht zu Verwachsungen mit der mobilen Zunge kommt. Anmerkungen zur lasermikrochirurgischen Tumorzerteilung (S. 198) finden sich an anderer Stelle.


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Indikation

T1-, gelegentlich auch T2-Karzinome der Zunge und des vorderen Mundbodens ohne Infiltration des Alveolarkamms. Bei intraoperativ festgestellter oberflächlicher Knocheninfiltration ist eine zusätzliche Resektion des befallenen Knochens vorzunehmen.


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Kontraindikation

Laserchirurgische Maßnahmen sind bei nachgewiesener Knocheninfiltration nicht geeignet.


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Spezielle Patientenaufklärung

  • Blutungen, Nachblutungen

  • Zahnschäden, Zahnverlust

  • Schluckstörung, nasogastrale Sonde

  • Sprech- und Artikulationsstörungen

  • ggf. Tracheotomie mit Einlage einer Trachealkanüle

  • Gefühls- und Bewegungsstörungen der Zunge durch Verletzung des N. lingualis und N. hypoglossus oder durch Vernarbungen

  • Schmeckstörungen durch Schädigung des N. glossopharyngeus


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OP-Planung

Panendoskopie und vorherige histologische Sicherung durch Biopsie, CT-Hals/Thorax, ggf. MRT, zur Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung und zum Ausschluss von Fernmetastasen/Zweitmalignomen. Die MRT-Untersuchung kann im Einzelfall die Ausdehnung innerhalb der Binnenmuskulatur der Zunge besser als die CT zur Darstellung bringen.


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Spezielle Instrumente

Vorzugsweise kommt der CO2-Laser zum Einsatz wegen seiner hohen Schneidepräzision und Ankopplungsmöglichkeit an das Operationsmikroskop. Alternativ wird auch die Radiofrequenznadel verwendet.


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Anästhesie

Intubationsnarkose, meist nasotracheale Intubation, evtl. Lasertubus bzw. Abdeckung des Tubus mit feuchten Operationstüchern – Laser-Schutzmaßnahmen (S. 213) beachten.


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OP-Technik

  • Malignome der mobilen Zunge und des Mundbodens: Der Tumor wird in dem umgebenden gesunden Gewebe identifiziert und exponiert ([Abb. 3]). Positionierung des ans Mikroskop angekoppelten Lasergeräts. Im Falle eines Mundbodenkarzinoms müssen 2 unterschiedliche Situationen betrachtet werden. Dies sind erstens die Resektion einschließlich der Ausführungsgänge der Glandula sublingualis und der Glandula submandibularis und zweitens die Hinzunahme der Mandibula. Die Ausführungsgänge der Speicheldrüsen sollten möglichst geschont werden. Besonders bei Mittellinienprozessen stellt sich die Frage, ob der Wharton-Gang wenigstens auf einer Seite erhalten, d. h. gelegentlich auch umschnitten, mobilisiert und anschließend verlagert, werden kann. Der Tumor allerdings – und das ist eine Conditio sine qua non – muss mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand von 5–10 mm entfernt werden können. Das Periost kann in die Resektion mit einbezogen werden. Die basale Fläche wird mit blauer Tusche markiert und zur histologischen Aufarbeitung eingeschickt. Bei Verdacht auf Knocheninfiltration wird das betroffene knöcherne Areal konventionell-chirurgisch entfernt.

  • Malignome der Wangenschleimhaut, des weichen und harten Gaumens und der Uvula: Oberflächliche Malignome der Mundschleimhaut können lasermikrochirurgisch vollständig entfernt werden. Eine Defektdeckung ist nicht notwendig, da diese Wunden ohne wesentliche funktionelle Einbußen heilen. Die Resektion von Malignomen des Oropharynx erfolgt in vergleichbarer Weise. Tief infiltrierende, großflächige oder großvolumige Malignome des weichen Gaumens sind meist konventionell-chirurgisch zu resezieren und erfordern dann meist eine Defektdeckung mittels mikrosvaskulär reanastomosierten freien Transplantaten. Gleiches gilt für größere Malignome des harten Gaumens.

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Abb. 3 Exposition eines Zungenrandtumors zur Laserresektion.
Regeln, Tipps und Tricks

Korrespondierende Wundflächen im Bereich der Zungenunterfläche und des Mundbodens sind zu vermeiden. Hier sollte eine primäre Rekonstruktion, z. B. durch ein freies Hauttransplantat, vorgenommen werden.

Risiken und Komplikationen
  • Narbige Fixierung: Insbesondere bei korrespondierenden Wundflächen besteht die Gefahr der Fixierung durch Narbenstränge mit Behinderungen beim Sprechen und Schlucken.

  • Sensibilitätsstörungen: Störungen in der Zungensensibilität und im Bereich des Resektionsgebiets. Wunddehiszenz, Wundinfektion. Unterkieferosteomyelitis. Nachblutung.

  • Verlegung der Atemwege: In Ausnahmefällen relevantes Anschwellen der Zunge und des Zungengrundes mit Verlegung der Atemwege, deswegen evtl. Tracheotomie oder postoperative Schutzintubation.


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Nachbehandlung

Überwachung der postoperativen Phase wegen der Gefahr der Nachblutung, der Aspiration und der Ödem-bedingten Verlegung der oberen Atemwege. Nährsonde für etwa 1–2 Tage, Antibiotikagabe mit auf die Mundflora abgestimmten Antibiotika.

Aus: Rettinger G, Hosemann W, Hüttenbrink KW, Werner JA. HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. 5., vollständig überarbeitete Auflage


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
13. Dezember 2022

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