Pneumologie 2023; 77(03): 133-134
DOI: 10.1055/a-1988-3864
Pneumo-Fokus

Kommentar

Contributor(s):
Niels Reinmuth

Nach der jüngst publizierten S3-Leitlinie zu Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms dient die Nachsorge von kurativ behandelten Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) nach erfolgtem Abschluss der Primärtherapie zur möglichst frühzeitigen Diagnose von Rezidiv- oder Zweittumoren, um so durch die Option eines weiteren kurativen chirurgischen Eingriffes die Heilungschance zu erhalten [1]. Allerdings haben die dort gegebenen Empfehlungen nur einen niedrigen Evidenzlevel, da die Frage der optimalen Nachsorge nach kurativer Therapie nur von wenigen, zumeist retrospektiven Studien adressiert wurde. Es ist nach wie vor strittig, ob Patienten eine Symptom-orientierte Nachsorge oder reguläre Nachsorge-Termine in einem festen Zeitablauf erhalten sollten [1]. Die jüngst publizierte prospektive IFCT-0302-Studie von Westeel und KollegInnen stellt daher einen wichtigen Beitrag zu diesem Thema dar. Allein die Durchführung dieser Studie durch die Intergroupe Francophone de Cancérologie Thoracique (IFCT), einer französischen, akademischen non-Profit Forschergruppe, an 122 Zentren und der Randomisierung von 1775 Patienten zwischen 2005 und 2012 ist höchst respektabel.

In dieser multizentrischen, randomisierten Phase-III-Studie war die Durchführung einer intensiven Nachsorge (1. Vorstellung einen Monat nach Abschluss der Therapie, danach 3-monatliche Visite mit körperlicher Untersuchung und Röntgen-Thorax sowie 6-monatlich Bronchoskopie und Thorax-CT für die ersten 3 Jahre) bei Patienten mit kurativ resezierten NSCLC im Stadium I–IIIA nicht mit einem längeren Überleben assoziiert als bei Patienten, die allein klinische Vorstellungen und Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahmen erhielten [2]. Auch das krankheitsfreie Überleben war nicht signifikant verschieden. Mehr als zwei Drittel der Patienten hatten einen Tumor im Stadium I. Allerdings wurden auch bei den 888 Patienten mit minimalem Follow-up in 250 Fällen ein CT des Thorax durchgeführt, die im Nachhinein als nicht Protokoll-gemäß klassifiziert wurden. Zudem konnten im Rezidivfall deutlich mehr Patienten in der CT-Gruppe (29% vs. 19%) erneut mit lokaler Therapie (erneute Resektion oder Strahlentherapie) behandelt werden.

Die Kommunikation mit dem Patienten nach kurativ intendierter Resektion eines NSCLC ist sehr bedeutsam, da neben dem operativen Erfolg auch das (u.a. Stadien-abhängige) Risiko eines Tumorrezidivs vermittelt werden muss. Ein Rezidiv entsteht durch das Wachstum residualer Tumorzellen, die bei Diagnose nicht detektiert wurden bzw. werden konnten, und muss von dem Entstehen eines Zweitkarzinoms abgegrenzt werden. Bei Diagnose eines metastatischen Krankheitsstadiums geht man allgemein von einer palliativen Situation aus; es wird allerdings angenommen, dass bei einem Rezidiv mit nur sehr wenigen Metastasen (Oligo-Rezidiv) eine lokale Therapie durchaus sinnvoll und lebensverlängernd ist. Zudem muss auch mit einer im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöhten Rate an Zweitkarzinomen gerechnet werden. Diese war in der IFCT-Studie interessanterweise ähnlich in beiden Gruppen.

Die IFCT-Studie zeigt die Schwierigkeit, einen eindeutigen Standard in der Tumornachsorge zu definieren. Zahlreiche Faktoren wie Tumorstadium, Komorbiditäten des Patienten, eventuelle therapeutische Konsequenzen bei Diagnose von neuen Läsionen, Belastungen durch Strahlendosen und natürlich der Patientenwunsch müssen individuell berücksichtigt werden. Die Studie erlaubt daher keine klare Schlussfolgerung, wie das optimale Nachsorgeschema aussehen sollte. Der hohe Anteil an Stadium-I-Tumoren, die seit 2005 deutlich verbesserten lokalen und systemischen Therapieoptionen, die zunehmend differenzierte Betrachtungsweise von Lungenkarzinomen auch im frühen Stadium (bspw. mit molekularen Treibermutationen) erschwert eine Übertragbarkeit auf alle heutigen Patienten mit kurativ reseziertem NSCLC. Zudem werden immer mehr Patienten adjuvant systemisch behandelt, bspw. mit Checkpoint-Inhibitoren oder Tyrosinkinaseinhibitoren, bei denen in klinischen Studien deutlich engmaschiger Nachsorge-Untersuchungen durchgeführt wurden. Dennoch stellt die IFCT-Studie einen sehr wichtigen Betrag zu diesem Thema dar und lenkt den Fokus auf eine reflektierende Betrachtungsweise über den Sinn der Nachsorge und entsprechende Diskussion mit unseren Patienten.



Publication History

Article published online:
14 March 2023

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  • Literatur

  • 1 Schütte W. et al. Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms, Version 2.0 – November 2022 AWMF-Registernummer: 020/007OL.
  • 2 Westeel V. et al. Chest CT scan plus x-ray versus chest x-ray for the follow-up of completely resected non-small-cell lung cancer (IFCT-0302): a multicentre, open-label, randomised, phase 3 trial. Lancet Oncol 2022; 23: 1180-1188 DOI: 10.1016/S1470-2045(22)00451-X. (PMID: 35964621)