Laryngorhinootologie 2023; 102(02): 149-151
DOI: 10.1055/a-1992-1037
OP-Techniken

Eingriffe bei Tonsillen-, Zungengrund- und Pharynxwandtumoren

J. A. Werner
,
J. P. Windfuhr

Tumortonsillektomie

OP-Prinzip

Transorale Resektion auf die Tonsille beschränkter bzw. von der Umgebung gut abgrenzbarer Tumoren, heute im Regelfall mit CO2-Lasertechnik. Im Gegensatz zur Tonsillektomie wird zum Erreichen eines ausreichenden Tumorabstands nicht an der Kapsel präpariert, sondern in Abhängigkeit von der Tumorgröße und -form auch unter Hinzunahme von Teilen der Gaumenbögen, des Pharynx oder Zungengrunds mit intraoperativer Beurteilung der Resektionsgrenzen durch Schnellschnittdiagnostik. Die Dissektion sollte unter mikroskopischer Kontrolle erfolgen. In der Regel erfolgt in gleicher Sitzung die regionale Lymphbahnsanierung in Form einer bedarfsangepassten Neck-Dissection. Ist eine Fistelbildung zu befürchten, kann die Neck-Dissection auch 2-zeitig nach Abheilen des Lokalbefundes erfolgen.


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Indikation

Gut zu exponierende und gut abgrenzbare Tumoren.


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Kontraindikation

Fehlende Aussicht auf onkochirurgische Sicherheit.


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Spezielle Patientenaufklärung

  • schwere intra- oder postoperative Blutung mit Gefahr der Aspiration und Hypoxie, Volumenmangelschock

  • entzündliche Komplikationen: Wundinfektion, Lymphadenitis colli, Retro- und Parapharyngealabszess, Halsphlegmone, Jugularisthrombose und Mediastinitis, Pharynxfistel

  • Schmeckstörung, Schluckstörung, Zungenbeweglichkeitsstörung

  • Zahnschäden, Kiefergelenkschäden, Kieferklemme; velopalatinale Insuffizienz, Schluck- und Sprachstörung (Sprachklangänderung)

  • Wundheilungsstörungen, Speichelfistelbildung, Neck-Dissection-Folgen

  • Rezidivgefahr, Möglichkeit der Radiochemotherapie oder einer Nachoperation

  • Laserrisiken


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OP-Planung

  • vorherige histologische Absicherung durch Biopsie

  • Ausdehnungsbestimmung durch Palpation, Inspektion, Panendoskopie (auch zum Zweittumorausschluss), CT-Hals/Thorax, im Einzelfall auch MRT-Hals oder DVT, Sonografie des Halses und der Oberbauchorgane


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Spezielle Instrumente

Wie zur Tonsillektomie (S. 177); CO2-Laser.


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Anästhesie

Intubationsnarkose, Lokalanästhesie nur bei sehr kleinen Tumoren und geeigneten Patienten.


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OP-Technik

  • Neck-Dissection: Sofern nicht ein 2-zeitiges Vorgehen geplant ist, bietet die simultane Neck-Dissection den Vorteil, dass bei großvolumigen Tumorresektionen die zuführenden arteriellen Gefäße gezielt unterbunden werden können und damit der Eingriff blutungsärmer gestaltet werden kann.

  • Exposition: Wie zur Tonsillektomie (S. 177), Spatel nur leicht zur Tumorseite aus der Mittellinie versetzt, um den Zungengrund besser exponieren zu können.

  • Schnitt: Umschneiden des Tumors unter mikroskopischer Kontrolle mit einem Sicherheitsabstand von 5–10 mm. Entscheidend ist die Form des Tumors, nicht die der Tonsille ([Abb. 1]).

  • Präparation: Mit dem CO2-Laser oder der Präparationsschere (alternativ: bipolare Schere oder Radiofrequenznadel) wird mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand zu allen Seiten hin unter mikroskopischer Kontrolle das Gewebe durchtrennt. Die optische und palpatorische Kontrolle dient der Unterscheidung zwischen Tumor- und Muskelgewebe. Blutungen werden unverzüglich bipolar gestillt. Gelegentlich ist zusätzlich zur optischen Kontrolle auch eine Palpation mit dem Zeigefinger hilfreich.

  • Absetzen des Tumors: Am Zungengrund unter allseitiger Entfaltung des Plikagewebes und des Zungengrunds unter Sicht und manueller bzw. instrumenteller Palpation. Dazu können mit Haltefäden zusätzlich Tumor und Umgebung gestrafft werden. Sorgfältige Blutstillung. Keine Wunddeckung.

  • Schnellschnitthistologie aus allen kritischen Randbereichen, erforderlichenfalls Nachresektion.

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Abb. 1 Tumortonsillektomie. Resektionsbereich mit ausreichendem Sicherheitsabstand unter Einschluss des Gaumenbogens.
Regeln, Tipps und Tricks
  • Sorgfältige präoperative Diagnostik: Tonsillentumoren haben nicht selten eine wesentlich größere Tiefenausdehnung als nach der Inspektion zu vermuten ist. Lassen sich Zweifel zunächst nicht ausschließen, muss über eine transzervikale Operationserweiterung aufgeklärt werden, die in der gleichen Sitzung vorgenommen werden kann.

  • Grundsätzlich ist das transorale Vorgehen wegen seiner deutlich geringeren Morbidität von Vorteil.

  • Ausreichenden Tumorabstand bereits primär einhalten. Alle Nachresektionen müssen sich an einer klaren Terminologie und eindeutiger intraoperativer Zuordnung der Resektionsgrenzen orientieren.

  • Für verwechslungssichere Markierung der Schnellschnittpräparate sorgen.

  • Am Zungengrund ist eine exakte Exposition besonders schwierig. Dazu muss der Spatel zuweilen nachjustiert werden, zusätzliche Gewebsstraffung mit weiteren eingebrachten Spateln möglich.

Risiken und Komplikationen
  • Blutungskomplikationen: intraoperativ oder postoperativ (Äste der A. carotis externa, ausnahmsweise auch die A. carotis interna bei Schlingenbildung, Arrosionsblutung aus der A. carotis bei Fistelentwicklung)

  • N.-glossopharyngeus- oder -hypoglossus-Läsion mit Schmeckstörung bzw. Schluckstörung, Zungenmotilitätsstörung

  • Para- und Retropharyngealabszess, Wundbettinfektion, Jugularisthrombose, Halsphlegmone, abszedierende Lymphadenitis colli

  • narbige Verziehung am Gaumensegel mit velopalatinaler Insuffizienz und Schluckstörung, Regurgitation oder Rhinolalia aperta

  • Zahnschädigung, Zahnverlust, Kiefergelenkschädigung mit Kieferklemme

  • Speichelfistelbildung

  • Larynxeingangsödem mit hochgradiger Dyspnoe


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Nachbehandlung

  • wie nach Tonsillektomie (S. 181)

  • Laryngoskopie zum Ausschluss einer oberen Atemwegsobstruktion durch Schleimhautödeme

  • Neck-Dissection ggf. 2-zeitig

  • Radiochemotherapie je nach Tumorstadium


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Publication History

Article published online:
07 February 2023

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