Pneumologie 2023; 77(10): 831-832
DOI: 10.1055/a-2154-0468
Leserbrief

Antwort zum Leserbrief

Ulrich Koehler
Klinik für Innere Medizin, Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg
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Ich bedanke mich bei Herrn Kollegen Dr. Tonn für die kritische Kommentierung des Artikels. In der Tat unterscheidet man zwei Subtypen eines „postobstruktiven Lungenödems“. Dies unter dem Sachverhalt, dass Ätiologie und Pathophysiologie des postobstruktiven Lungenödems (POPE) unterschiedlich sind.

Beim POPE Typ 1 kommt es infolge frustraner Inspirationen gegen den akut okkludierten Atemweg (Laryngospasmus, akute Verlegung des oberen Atemwegs durch Endotrachealtubus, Epiglottitis, obstruktive Schlafapnoe etc.) zu erhöhten negativen intrapleuralen Drucken mit Lungenödem. Der POPE Typ I wird v. a. bei muskelkräftigen Personen und Sportlern gefunden, die in der Lage sind hohe Negativdrucke zu generieren.

Der POPE Typ 2 entsteht bei einer chronischen, inkomplett vorliegenden oberen Atemwegsstenose infolge eines operativen Eingriffs (Zustand nach Tonsillektomie, operativer Entfernung eines oberen Atemwegstumors etc.). Es wird davon ausgegangen, dass es stenosebedingt durch eine verstärkte Atemarbeit zu einem erhöhten intrinsischen PEEP mit Zunahme des endexspiratorischen Lungenvolumens kommt. Die operative Entfernung der „Stenose“ im oberen Atemweg führt dann zu einer raschen Reduktion von intrinsischem PEEP und gefangenem Lungenvolumen mit konsekutivem Lungenödem.

Interessant ist der Unterschied im zeitlichen Auftreten des Lungenödems. Bei POPE I kommt es nach einer Zeitlatenz von 1–6 h (und länger) zur klinischen Dekompensation, beim Typ 2 wird die Symptomatik kurze Zeit nach operativer Sanierung des oberen Atemwegs beschrieben.

Bei der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) würde ich den vorgeschlagenen Terminus „chronische intermittierende akute Atemwegsstenosierung“ nicht verwenden wollen. Pathophysiologisch ist eine Stenose eine erworbene Verengung von Hohlorganen oder Gefäßen durch Narben, raumfordernde Prozesse, Verwachsungen oder eine Gefäßsklerose. Bei der OSA kommt es jedoch zu einer partiellen oder kompletten Atemwegsobstruktion, die reversibel ist. Im Selbstversuch im Wachzustand kann ein Müller-Manöver in der Tat nur kurzzeitig durchgehalten werden, das ist nachvollziehbar. Obstruktive Apnoen sind jedoch ausschließlich im Schlaf – unabhängig von Vigilanz – auftretend und können lange andauern, mitunter 60 oder 90 Sekunden oder mehr. Anhand von im Schlaf durchgeführten Langzeitregistrierungen des Ösophagusdruckes bei Patienten mit OSA konnten wir eindeutig nachweisen, dass es während obstruktiver Apnoe zu frustranen inspiratorischen Atemanstrengungen kommt, die mit einer zunehmenden Negativierung des intrapleuralen Drucks mit Werten von > 100 cm H2O einhergehen können. Es ist davon auszugehen, dass bei stark ansteigender pulmonal-kapillärer Wandspannung Zug- und Dehnungskräfte an den Kapillaren dazu führen, dass die Gefäßwände rupturieren oder es zu Kapillarbrüchen kommt [1] [2] [3] [4]. Hinweise auf eine direkte Kapillarwandschädigung durch hohe transmurale kapilläre Drucke werden von West et al. beschrieben [1] [2] [3] [4]. Bei OSA kommen eine schwergradige Hypoxämie als Folge der Atemwegsokklusion, eine Hyperkapnie, ein erhöhter pulmonalvaskulärer Widerstand sowie eine Azidose hinzu. Diese Faktoren sowie eine hyperadrenerge Regulation tragen ebenfalls zur Permeabilitätssteigerung der Kapillare bei. Welchen pathophysiologischen Stellenwert die Einzelfaktoren haben, ist nicht geklärt.

Wir selbst beschreiben den Fall einer Schülerin mit einer atypischen vocal cord dysfunction, bei der es immer wieder zu langanhaltenden Phasen mit oberer Atemwegsobstruktion und zeitlich folgendem Auftreten von Hämoptysen kommt [5]. Pathogenetisch sehen wir die Hämoptysen als Folge der oberen Atemwegsobstruktion mit Negativierung der Intrapleuraldrucke und Veränderungen der Blutgasanalytik. Die Pathophysiologie ist jedoch eine Hypothese ohne fundierten Beweis.

Prof. Dr. Ulrich Koehler, Marburg



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Article published online:
26 October 2023

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  • Literatur

  • 1 West JB. Thoughts on the pulmonary blood-gas barrier. Am J Physiol Lung Cell Mol Physiol 2003; 285: 501-513
  • 2 West JB. Strength and Failure of Pulmonary Capillaries. In: Wagner WW, Weir EK. edit. The Pulmonary Circulation and Gas Exchange. New York: Futura Publishing Company, Inc Armonk; 1994: 1-17
  • 3 West JB, Mathieu-Costello O. High altitude pulmonary edema is caused by stress failure of pulmonary capillaries. Int J Sports Med 1992; 13: 54-58
  • 4 West JB. Fragility of pulmonary capillaries. J Appl Physiol 2013; 115: 1-15
  • 5 Koehler J, Beutel B, Hildebrandt O. et al. Recurrent Pulmonary Hemorrhages with Hemoptysis as a Result of Vocal Cord Dysfunction (VCD) – An Attempt to Explain. Pneumologie 2022; 76: 414-418