Laryngorhinootologie 2024; 103(02): 88-89
DOI: 10.1055/a-2164-1510
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Plötzlicher sensorineuraler Hörverlust: Zusammenhänge mit Offenwinkelglaukom?“

Contributor(s):
Tom Prinzen

** Die Kohorten-Studie von Lee et al. versucht mit einem langen Beobachtungszeitraum von 12 Jahren und eindrucksvollen Fallzahlen aus südkoreanischen Registerdaten den statistischen Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Hörsturzes und einem Offenwinkelglaukom zu untersuchen. Hierbei wurde eine Hörsturz-Gruppe mit über 15000 Patient*innen und eine Glaukom-Gruppe mit sogar über 26000 Patient*innen mit jeweils einer ebenso großen Kontrollgruppe verglichen. Sie ist damit die größte Studie zur Erforschung des Zusammenhangs dieser beiden Erkrankungen. Neu ist die Hypothese der gegenseitigen Beeinflussung zwar nicht, die statistische Power der Studie ist jedoch ein Alleinstellungsmerkmal. Zusammenfassend geben die Autoren für Hörsturz-Patienten ein um 18% erhöhtes Risiko innerhalb des Beobachtungszeitraumes an einem Glaukom zu erkranken. Für Glaukom-Patienten wiederum gaben sie ein um 27% gesteigertes Hörsturz-Risiko an.

Die Ergebnisse der Studie haben prinzipiell klinische Relevanz, da der kombinierte Hör- und Visusverlust den Abbau kognitiver Funktionen beschleunigen und sich über den sozialen Rückzug deutlich auf die Lebensqualität auswirken kann. Hier könnte die vorliegende Studie zumindest einen statistischen Grund liefern, der Thematik mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dies scheint insbesondere für uns HNO-Ärzte relevant zu sein, da das Offenwinkelglaukom im Gegensatz zum Hörsturz lange asymptomatisch bleiben kann und damit Frühsymptome erkannt und kontrolliert werden müssen. Das durch den Hörsturz um 18% erhöhte Glaukom-Risiko unserer Patienten scheint neben einem Alter über 60 Jahren (+131%) und Stoffwechselstörungen wie der Diabetes mellitus (+39%) und die Hyperlipidämie (+26%) ein wichtiger Risikofaktor zu sein.

Da das Alter und die Hyperlipidämie das Risiko für beide Erkrankungen zu erhöhen scheint, sehen die Autoren als Hinweis auf eine gemeinsame, vaskuläre Genese. Eine Hypothese die sich mit histologischen Untersuchungen für den Hörsturz bisher nicht belegen lies [1]. Hier scheint die „stress response theory“ vielversprechender, bei der verschiedene Stressoren über eine pathologische NF-κB-Aktivierung als gemeinsame Endstrecke zu einer lokalen Inflammation und konsekutiven cochleären Dysfunktion führen sollen [2].



Publication History

Article published online:
06 February 2024

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